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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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ehe sie in der Stellung von Fahrdorf ankamen, nach der großen Anstrengung
des vorigen Tages konnte das nicht vor Mittag geschehen; wenn der dänische
General that, was ich ihm zutrauen mußte, wenn er seinen Sieg rasch und mit
aller Anstrengung verfolgte, so konnte er sehr gut zu derselben Zeit vor der
Stellung sein und den Angriff beginnen. Ein zweiter Rückzug nach einem
zweiten unglücklichen Gefechte schien mir für die Truppen, wie ich sie zum
Theil gesehen hatte, eine zu bedenkliche Aufgabe. Als ich nun noch am Abend
erfuhr, daß die Reservecavallerie ohne Befehl ihren Rückzug gleich bis hinter
Rendsburg fortgesetzt habe und also gar nicht mehr in der Stellung eintreffen
könne, beschloß ich den Rückzug wenigstens bis Sehestedt fortzusetzen, um zuerst
der möglichen Vereinigung meiner Kräfte wieder sicher zu sein und mich dem
wichtigsten Platze für das, was etwa die nächste Folge bringen könnte, näm¬
lich Rendsburg, so zu nähern, daß er gegen jeden etwaigen Versuch des Geg¬
ners gesickert sei. Ick hatte ihn zur Zeit als ich den Angriff begann, wie be¬
merkt, ohne eine irgendwie genügende Garnison lassen müssen.

Ick ließ nun den bei Fahrdorf mit Mühe gesammelten und wieder zu
einiger Haltung gebrachten Truppen den Befehl zurück, bis Mitternacht in der
Stellung auszuharren, was mir sehr leicht erschien, da der Feind nur erst mit
den Spitzen seiner Vortruppen bis Schleswig gekommen und überhaupt schon
vom Schlachtfelde aus nur mit großer Vorsicht gefolgt war. Ich selbst ritt
gegen Abend auf der Straße nach Missunde bis Fleckcby, um die nöthigen Be¬
fehle nach Missunde mehr aus der Nähe geben zu können, und blieb einige
Stunden dort, um von da aus den ferneren Rückzug zu leiten, den ich nun
auch für meinen rechten Flügel nach Sehestedt anordnete. Kaum damit fertig,
erhielt ich die Meldung, der in Fahrdorf mit dem Befehle erst'nach Mitternacht
abzuziehen zurückgelassene Theil meiner Truppen sei schon um zehn Uhr von dort
aufgebrochen, angeblich um dem drohenden Angriffe des Feindes auszuweichen.
Als ich bei näherer Nachfrage erfuhr, daß durchaus kein Angriff erfolgt, sondern
nur unzeitige Besorgnis) an dem frühen Aufbruch Schuld gewesen war, brachte
mich das zwar sehr auf, aber die Sache selbst mußte als Factum hingenommen
und als solches verarbeitet werden. Dem Feinde war dadurch nicht nur der
Weg nach Rendsburg völlig frei gegeben, sondern auch jede mögliche Einwir¬
kung auf meine Bewegung nach Sehestedt. Außerdem aber zeigte es mir immer
mehr, wie schwach ich auch in den nächsten Graden unter mir unterstützt war.
Der Führer, der hier so schwächlich gehandelt hatte, war der, dem ich bis dahin
am meisten zugetraut hatte. Ich ließ nun freilich zu, was nicht mehr zu ändern
war, befahl den Marsch die Nacht hindurch .fortzusetzen, benachrichtigte die von
Missunde abgezogene Colonne von dem, was eingetreten war, und was jede
Stunde des folgenden Morgens eintreten könne, schickte Patrouillen in der
Richtung entgegen, aus welcher der Feind möglicher Weise vorrücken konnte, und


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ehe sie in der Stellung von Fahrdorf ankamen, nach der großen Anstrengung
des vorigen Tages konnte das nicht vor Mittag geschehen; wenn der dänische
General that, was ich ihm zutrauen mußte, wenn er seinen Sieg rasch und mit
aller Anstrengung verfolgte, so konnte er sehr gut zu derselben Zeit vor der
Stellung sein und den Angriff beginnen. Ein zweiter Rückzug nach einem
zweiten unglücklichen Gefechte schien mir für die Truppen, wie ich sie zum
Theil gesehen hatte, eine zu bedenkliche Aufgabe. Als ich nun noch am Abend
erfuhr, daß die Reservecavallerie ohne Befehl ihren Rückzug gleich bis hinter
Rendsburg fortgesetzt habe und also gar nicht mehr in der Stellung eintreffen
könne, beschloß ich den Rückzug wenigstens bis Sehestedt fortzusetzen, um zuerst
der möglichen Vereinigung meiner Kräfte wieder sicher zu sein und mich dem
wichtigsten Platze für das, was etwa die nächste Folge bringen könnte, näm¬
lich Rendsburg, so zu nähern, daß er gegen jeden etwaigen Versuch des Geg¬
ners gesickert sei. Ick hatte ihn zur Zeit als ich den Angriff begann, wie be¬
merkt, ohne eine irgendwie genügende Garnison lassen müssen.

Ick ließ nun den bei Fahrdorf mit Mühe gesammelten und wieder zu
einiger Haltung gebrachten Truppen den Befehl zurück, bis Mitternacht in der
Stellung auszuharren, was mir sehr leicht erschien, da der Feind nur erst mit
den Spitzen seiner Vortruppen bis Schleswig gekommen und überhaupt schon
vom Schlachtfelde aus nur mit großer Vorsicht gefolgt war. Ich selbst ritt
gegen Abend auf der Straße nach Missunde bis Fleckcby, um die nöthigen Be¬
fehle nach Missunde mehr aus der Nähe geben zu können, und blieb einige
Stunden dort, um von da aus den ferneren Rückzug zu leiten, den ich nun
auch für meinen rechten Flügel nach Sehestedt anordnete. Kaum damit fertig,
erhielt ich die Meldung, der in Fahrdorf mit dem Befehle erst'nach Mitternacht
abzuziehen zurückgelassene Theil meiner Truppen sei schon um zehn Uhr von dort
aufgebrochen, angeblich um dem drohenden Angriffe des Feindes auszuweichen.
Als ich bei näherer Nachfrage erfuhr, daß durchaus kein Angriff erfolgt, sondern
nur unzeitige Besorgnis) an dem frühen Aufbruch Schuld gewesen war, brachte
mich das zwar sehr auf, aber die Sache selbst mußte als Factum hingenommen
und als solches verarbeitet werden. Dem Feinde war dadurch nicht nur der
Weg nach Rendsburg völlig frei gegeben, sondern auch jede mögliche Einwir¬
kung auf meine Bewegung nach Sehestedt. Außerdem aber zeigte es mir immer
mehr, wie schwach ich auch in den nächsten Graden unter mir unterstützt war.
Der Führer, der hier so schwächlich gehandelt hatte, war der, dem ich bis dahin
am meisten zugetraut hatte. Ich ließ nun freilich zu, was nicht mehr zu ändern
war, befahl den Marsch die Nacht hindurch .fortzusetzen, benachrichtigte die von
Missunde abgezogene Colonne von dem, was eingetreten war, und was jede
Stunde des folgenden Morgens eintreten könne, schickte Patrouillen in der
Richtung entgegen, aus welcher der Feind möglicher Weise vorrücken konnte, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/267>, abgerufen am 31.05.2024.