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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Uards davon entfernt, und ein deutsches Regiment, >das sechsundvierzigste New-
Borker Volont. (Fremont) Reg. wurde zur Besetzung derselben commandirt. Dem¬
selben folgten nachher das siebente Connecticut und mehre andre, so daß die kleine
Macht, welche im Anfang unter energischer Führung bedeutende Vortheile hätte
erzielen können, jetzt in drei Stationen zersplittert wurde, welche je 20 bis 30
Meilen von einander entfernt waren und also auch eine mehr oder minder starke
Besetzung der dazwischen liegenden Inseln nothwendig machten. Wie viel Sher-
man versäumt hat, geht schon aus dem geringen Einfluß hervor, welchen die schlie߬
liche Eroberung von Fort Pulaskv auf die Umgestaltung der Dinge übte. Man
fand ein Vordringen auf dem Wasserwege fast ganz unmöglich, und die Bundes¬
truppen wurden überall durch die überlegene Terrainkenntniß der Gegner sowie
die mangelhafte Schissbarkeit des Creeks zurückgehalten. Die Folge war, daß
man die Stationen nur als solche zu behaupten suchte, ohne dadurch einen
andern Vortheil, als den schon erwähnten, zu erringen, nämlich die Nothwendig¬
keit einer Truppenconcentration der Cvnföderirten an diesen Plätzen.

Es waren Freiwillige aus Michigan, gewöhnlich scherzweise Michiganders
genannt, welche den äußersten Vorpostendienst versahen. Mehre von ihnen
lagen in einem Boot, daß sie sich auf irgend eine Weise verschafft hatten, im
Wasser und öffneten Austern, welche in unendlichen Lagern die Ufer bedeckten;
ein andrer hatte sich im Fährhause einen rohen Tisch gezimmert und schrieb einen
Brief in die ferne, kalte Heimath, wo noch Alles unter Schnee und Eis liegen mußte.
An der andern Seite spazierten die feindlichen Vorposten friedlich auf und
nieder, und auch auf dem naheliegenden Werke konnte man deutlich die Wachen
unterscheiden. Die Soldaten erzählten uns, daß sie die Unsitte, auf einzelne Posten
zu schießen, mit gegenseitiger Uebereinstimmung aufgegeben hätten und nun oft
friedlich Austern und Whiskey theilten, wenn die Dämmerung ihnen ein der¬
artiges disciplinwidriges Benehmen gestattete. Sie zeigten uns das Terrain
genau, auf welchem am 1. Januar das Gefecht stattgefunden hatte, und mit
einem Blick konnte man das Unvortheilhafte eines solchen Unternehmens über¬
schauen. Nach einem, wegen der geringen Transportmittel schwierigen Ueber-
gange hatten die Bundestruppen auf dem offenen Felde Linie gebildet und sich
von dem nahen Walde aus beschießen lassen. Unser Cicerone hielt das Be¬
nehmen der Cvnföderirten für sehr "untair"; er meinte, wenn sie "Kerls" ge¬
wesen wären, hätten sie herauskommen und ehrlich mit ihnen kämpfen müssen.
Sie waren zwar doch mit Bomben aus dem Walde vertrieben und das Fort
genommen worden; General Stevens hatte sich aber nach Erbeutung einer Ka¬
none, welche den Namen "Hi^dig-uckörs da-d^" behielt, mit einem verhältni߬
mäßig nicht unbedeutenden Verluste an Mannschaft wieder zurückziehen müssen.

Als wir uns Alles gehörig betrachtet und von den offerirten Austern ge¬
kostet hatten, vertrauten wir uns wieder unserm gebrechlichen Fuhrwerk an,


Grenzboten IV. 1LU2. 35

Uards davon entfernt, und ein deutsches Regiment, >das sechsundvierzigste New-
Borker Volont. (Fremont) Reg. wurde zur Besetzung derselben commandirt. Dem¬
selben folgten nachher das siebente Connecticut und mehre andre, so daß die kleine
Macht, welche im Anfang unter energischer Führung bedeutende Vortheile hätte
erzielen können, jetzt in drei Stationen zersplittert wurde, welche je 20 bis 30
Meilen von einander entfernt waren und also auch eine mehr oder minder starke
Besetzung der dazwischen liegenden Inseln nothwendig machten. Wie viel Sher-
man versäumt hat, geht schon aus dem geringen Einfluß hervor, welchen die schlie߬
liche Eroberung von Fort Pulaskv auf die Umgestaltung der Dinge übte. Man
fand ein Vordringen auf dem Wasserwege fast ganz unmöglich, und die Bundes¬
truppen wurden überall durch die überlegene Terrainkenntniß der Gegner sowie
die mangelhafte Schissbarkeit des Creeks zurückgehalten. Die Folge war, daß
man die Stationen nur als solche zu behaupten suchte, ohne dadurch einen
andern Vortheil, als den schon erwähnten, zu erringen, nämlich die Nothwendig¬
keit einer Truppenconcentration der Cvnföderirten an diesen Plätzen.

Es waren Freiwillige aus Michigan, gewöhnlich scherzweise Michiganders
genannt, welche den äußersten Vorpostendienst versahen. Mehre von ihnen
lagen in einem Boot, daß sie sich auf irgend eine Weise verschafft hatten, im
Wasser und öffneten Austern, welche in unendlichen Lagern die Ufer bedeckten;
ein andrer hatte sich im Fährhause einen rohen Tisch gezimmert und schrieb einen
Brief in die ferne, kalte Heimath, wo noch Alles unter Schnee und Eis liegen mußte.
An der andern Seite spazierten die feindlichen Vorposten friedlich auf und
nieder, und auch auf dem naheliegenden Werke konnte man deutlich die Wachen
unterscheiden. Die Soldaten erzählten uns, daß sie die Unsitte, auf einzelne Posten
zu schießen, mit gegenseitiger Uebereinstimmung aufgegeben hätten und nun oft
friedlich Austern und Whiskey theilten, wenn die Dämmerung ihnen ein der¬
artiges disciplinwidriges Benehmen gestattete. Sie zeigten uns das Terrain
genau, auf welchem am 1. Januar das Gefecht stattgefunden hatte, und mit
einem Blick konnte man das Unvortheilhafte eines solchen Unternehmens über¬
schauen. Nach einem, wegen der geringen Transportmittel schwierigen Ueber-
gange hatten die Bundestruppen auf dem offenen Felde Linie gebildet und sich
von dem nahen Walde aus beschießen lassen. Unser Cicerone hielt das Be¬
nehmen der Cvnföderirten für sehr „untair"; er meinte, wenn sie „Kerls" ge¬
wesen wären, hätten sie herauskommen und ehrlich mit ihnen kämpfen müssen.
Sie waren zwar doch mit Bomben aus dem Walde vertrieben und das Fort
genommen worden; General Stevens hatte sich aber nach Erbeutung einer Ka¬
none, welche den Namen „Hi^dig-uckörs da-d^" behielt, mit einem verhältni߬
mäßig nicht unbedeutenden Verluste an Mannschaft wieder zurückziehen müssen.

Als wir uns Alles gehörig betrachtet und von den offerirten Austern ge¬
kostet hatten, vertrauten wir uns wieder unserm gebrechlichen Fuhrwerk an,


Grenzboten IV. 1LU2. 35
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[0281] Uards davon entfernt, und ein deutsches Regiment, >das sechsundvierzigste New- Borker Volont. (Fremont) Reg. wurde zur Besetzung derselben commandirt. Dem¬ selben folgten nachher das siebente Connecticut und mehre andre, so daß die kleine Macht, welche im Anfang unter energischer Führung bedeutende Vortheile hätte erzielen können, jetzt in drei Stationen zersplittert wurde, welche je 20 bis 30 Meilen von einander entfernt waren und also auch eine mehr oder minder starke Besetzung der dazwischen liegenden Inseln nothwendig machten. Wie viel Sher- man versäumt hat, geht schon aus dem geringen Einfluß hervor, welchen die schlie߬ liche Eroberung von Fort Pulaskv auf die Umgestaltung der Dinge übte. Man fand ein Vordringen auf dem Wasserwege fast ganz unmöglich, und die Bundes¬ truppen wurden überall durch die überlegene Terrainkenntniß der Gegner sowie die mangelhafte Schissbarkeit des Creeks zurückgehalten. Die Folge war, daß man die Stationen nur als solche zu behaupten suchte, ohne dadurch einen andern Vortheil, als den schon erwähnten, zu erringen, nämlich die Nothwendig¬ keit einer Truppenconcentration der Cvnföderirten an diesen Plätzen. Es waren Freiwillige aus Michigan, gewöhnlich scherzweise Michiganders genannt, welche den äußersten Vorpostendienst versahen. Mehre von ihnen lagen in einem Boot, daß sie sich auf irgend eine Weise verschafft hatten, im Wasser und öffneten Austern, welche in unendlichen Lagern die Ufer bedeckten; ein andrer hatte sich im Fährhause einen rohen Tisch gezimmert und schrieb einen Brief in die ferne, kalte Heimath, wo noch Alles unter Schnee und Eis liegen mußte. An der andern Seite spazierten die feindlichen Vorposten friedlich auf und nieder, und auch auf dem naheliegenden Werke konnte man deutlich die Wachen unterscheiden. Die Soldaten erzählten uns, daß sie die Unsitte, auf einzelne Posten zu schießen, mit gegenseitiger Uebereinstimmung aufgegeben hätten und nun oft friedlich Austern und Whiskey theilten, wenn die Dämmerung ihnen ein der¬ artiges disciplinwidriges Benehmen gestattete. Sie zeigten uns das Terrain genau, auf welchem am 1. Januar das Gefecht stattgefunden hatte, und mit einem Blick konnte man das Unvortheilhafte eines solchen Unternehmens über¬ schauen. Nach einem, wegen der geringen Transportmittel schwierigen Ueber- gange hatten die Bundestruppen auf dem offenen Felde Linie gebildet und sich von dem nahen Walde aus beschießen lassen. Unser Cicerone hielt das Be¬ nehmen der Cvnföderirten für sehr „untair"; er meinte, wenn sie „Kerls" ge¬ wesen wären, hätten sie herauskommen und ehrlich mit ihnen kämpfen müssen. Sie waren zwar doch mit Bomben aus dem Walde vertrieben und das Fort genommen worden; General Stevens hatte sich aber nach Erbeutung einer Ka¬ none, welche den Namen „Hi^dig-uckörs da-d^" behielt, mit einem verhältni߬ mäßig nicht unbedeutenden Verluste an Mannschaft wieder zurückziehen müssen. Als wir uns Alles gehörig betrachtet und von den offerirten Austern ge¬ kostet hatten, vertrauten wir uns wieder unserm gebrechlichen Fuhrwerk an, Grenzboten IV. 1LU2. 35

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/281>, abgerufen am 15.05.2024.