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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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die erste Mauer durchschossen, und die Batterien Sigel und Me Clellan feuerten
jetzt durch ein Loch über den Hof in die innere entgegengesetzte Mauer, in
welcher sich das Pulvermagazin des Forts befand. Dies entschied. Um zwer'
Uhr am 11. April, dem Jahrestage der Einnahme Von Fort Sumpter. zog Fort
Pulasky die-weiße Fahne aus. Sogleich setzte ein Boot über, um die Sterne
und Streifen aufzuziehen, und das achte Maine-Regiment hatte die Ehre, seine
Fahne zu diesem Zwecke hergeben zu dürfen.

Am nächsten Morgen begaben auch wir uns ins Fort; es war ein Bild
der Zerstörung. Fünf Geschütze waren gänzlich demontirt, eine der Barbette-
Kanonen in den Hof hinunter gestürzt. An der südöstlichen Ecke befand sich
eine Bresche von ungefähr zwölf Fuß im Geviert und an der entgegengesetzten
Seite ein Loch in der Mauer, weiches nur noch zwei Zoll Masse bis zum
Pulvermagazin übrigließ; ein einziger Schuß hätte jeden Augenblick das ganze
Fort in die Luft sprengen können, und dieser Umstand hatte zur Uebergabe ge¬
führt. Der ganze Hofraum war mit Steintrümmern, Holzstückrn und Bomben¬
splittern bedeckt, viele der Kasematten durchbrochen; kurz man mußte die Aus¬
dauer bewundern, mit welcher sich die kleine Besatzung der Rebellen, ungefähr
200 Mann, so lange gehalten hatte. Die Hälfte derselben bestand aus Deut¬
schen, welche namentlich in Georgia zum Dienst gepreßt worden waren, aber jetzt
sich als die erbittertsten Fcuerfresser gerirten und mit der ganzen Verachtung süd¬
licher Ritter auf die gewinnsüchtigen Uankees schimpften. Ihr Aeußeres hatte
nichts Empfehlenswerthes, und nur selten sah man in ihrem Anzug einen Lappen,
v einher einst zu einer Uniform gehört haben mochte; zerlumpt und schmutzig
wie die Falstaffsche Garde sahen sie aus, selbst die Gesichter entsprachen in
linea desperaten und verkommenen Ausdruck dieser Annahme. So viel ich mich
erinnere, trug nur der Oberst eine volle Uniform in Grau, geschmackvoll mit
Goldborten in Washingtons Stil garnirt; die übrigen Offiziere hatten sich je
nach Geschmack und Mitteln möglichst militärisch herausgeputzt, hatten aber
ebenfalls mit wenigen Ausnahmen ein solches Lumpenaussehcn. daß man ihnen
nicht Viel zutrauen konnte. Hätte mir Jemand diese Horde an einem andern
Orte als die heldenmüthige Besatzung des Fort Pulasky vorgestellt, ich würde
es nimmermehr geglaubt haben. Die Leute schienen durchaus nicht nieder¬
geschlagen und machten ihrem Haß gegen die Uankees in den unzweideutigsten
Worten Luft. Auch läugneten sie hartnäckig, Verwundete oder Todte zu haben
außer den wenigen, welche wir im Spitale vorfanden. Doch diese Behauptung
erwies sich später als lügenhaft. Einer von der Besatzung nämlich, dem beide
Beine abgeschossen waren, äußerte, als er dem Tode nahe war, den Wunsch,
"bei den übrigen" begraben zu werden, und bezeichnete einen Ort außerhalb des
Forts, wo wir auf Nachsuchen erst fünfzehn Todte, später noch mehr fanden.


die erste Mauer durchschossen, und die Batterien Sigel und Me Clellan feuerten
jetzt durch ein Loch über den Hof in die innere entgegengesetzte Mauer, in
welcher sich das Pulvermagazin des Forts befand. Dies entschied. Um zwer'
Uhr am 11. April, dem Jahrestage der Einnahme Von Fort Sumpter. zog Fort
Pulasky die-weiße Fahne aus. Sogleich setzte ein Boot über, um die Sterne
und Streifen aufzuziehen, und das achte Maine-Regiment hatte die Ehre, seine
Fahne zu diesem Zwecke hergeben zu dürfen.

Am nächsten Morgen begaben auch wir uns ins Fort; es war ein Bild
der Zerstörung. Fünf Geschütze waren gänzlich demontirt, eine der Barbette-
Kanonen in den Hof hinunter gestürzt. An der südöstlichen Ecke befand sich
eine Bresche von ungefähr zwölf Fuß im Geviert und an der entgegengesetzten
Seite ein Loch in der Mauer, weiches nur noch zwei Zoll Masse bis zum
Pulvermagazin übrigließ; ein einziger Schuß hätte jeden Augenblick das ganze
Fort in die Luft sprengen können, und dieser Umstand hatte zur Uebergabe ge¬
führt. Der ganze Hofraum war mit Steintrümmern, Holzstückrn und Bomben¬
splittern bedeckt, viele der Kasematten durchbrochen; kurz man mußte die Aus¬
dauer bewundern, mit welcher sich die kleine Besatzung der Rebellen, ungefähr
200 Mann, so lange gehalten hatte. Die Hälfte derselben bestand aus Deut¬
schen, welche namentlich in Georgia zum Dienst gepreßt worden waren, aber jetzt
sich als die erbittertsten Fcuerfresser gerirten und mit der ganzen Verachtung süd¬
licher Ritter auf die gewinnsüchtigen Uankees schimpften. Ihr Aeußeres hatte
nichts Empfehlenswerthes, und nur selten sah man in ihrem Anzug einen Lappen,
v einher einst zu einer Uniform gehört haben mochte; zerlumpt und schmutzig
wie die Falstaffsche Garde sahen sie aus, selbst die Gesichter entsprachen in
linea desperaten und verkommenen Ausdruck dieser Annahme. So viel ich mich
erinnere, trug nur der Oberst eine volle Uniform in Grau, geschmackvoll mit
Goldborten in Washingtons Stil garnirt; die übrigen Offiziere hatten sich je
nach Geschmack und Mitteln möglichst militärisch herausgeputzt, hatten aber
ebenfalls mit wenigen Ausnahmen ein solches Lumpenaussehcn. daß man ihnen
nicht Viel zutrauen konnte. Hätte mir Jemand diese Horde an einem andern
Orte als die heldenmüthige Besatzung des Fort Pulasky vorgestellt, ich würde
es nimmermehr geglaubt haben. Die Leute schienen durchaus nicht nieder¬
geschlagen und machten ihrem Haß gegen die Uankees in den unzweideutigsten
Worten Luft. Auch läugneten sie hartnäckig, Verwundete oder Todte zu haben
außer den wenigen, welche wir im Spitale vorfanden. Doch diese Behauptung
erwies sich später als lügenhaft. Einer von der Besatzung nämlich, dem beide
Beine abgeschossen waren, äußerte, als er dem Tode nahe war, den Wunsch,
„bei den übrigen" begraben zu werden, und bezeichnete einen Ort außerhalb des
Forts, wo wir auf Nachsuchen erst fünfzehn Todte, später noch mehr fanden.


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[0370] die erste Mauer durchschossen, und die Batterien Sigel und Me Clellan feuerten jetzt durch ein Loch über den Hof in die innere entgegengesetzte Mauer, in welcher sich das Pulvermagazin des Forts befand. Dies entschied. Um zwer' Uhr am 11. April, dem Jahrestage der Einnahme Von Fort Sumpter. zog Fort Pulasky die-weiße Fahne aus. Sogleich setzte ein Boot über, um die Sterne und Streifen aufzuziehen, und das achte Maine-Regiment hatte die Ehre, seine Fahne zu diesem Zwecke hergeben zu dürfen. Am nächsten Morgen begaben auch wir uns ins Fort; es war ein Bild der Zerstörung. Fünf Geschütze waren gänzlich demontirt, eine der Barbette- Kanonen in den Hof hinunter gestürzt. An der südöstlichen Ecke befand sich eine Bresche von ungefähr zwölf Fuß im Geviert und an der entgegengesetzten Seite ein Loch in der Mauer, weiches nur noch zwei Zoll Masse bis zum Pulvermagazin übrigließ; ein einziger Schuß hätte jeden Augenblick das ganze Fort in die Luft sprengen können, und dieser Umstand hatte zur Uebergabe ge¬ führt. Der ganze Hofraum war mit Steintrümmern, Holzstückrn und Bomben¬ splittern bedeckt, viele der Kasematten durchbrochen; kurz man mußte die Aus¬ dauer bewundern, mit welcher sich die kleine Besatzung der Rebellen, ungefähr 200 Mann, so lange gehalten hatte. Die Hälfte derselben bestand aus Deut¬ schen, welche namentlich in Georgia zum Dienst gepreßt worden waren, aber jetzt sich als die erbittertsten Fcuerfresser gerirten und mit der ganzen Verachtung süd¬ licher Ritter auf die gewinnsüchtigen Uankees schimpften. Ihr Aeußeres hatte nichts Empfehlenswerthes, und nur selten sah man in ihrem Anzug einen Lappen, v einher einst zu einer Uniform gehört haben mochte; zerlumpt und schmutzig wie die Falstaffsche Garde sahen sie aus, selbst die Gesichter entsprachen in linea desperaten und verkommenen Ausdruck dieser Annahme. So viel ich mich erinnere, trug nur der Oberst eine volle Uniform in Grau, geschmackvoll mit Goldborten in Washingtons Stil garnirt; die übrigen Offiziere hatten sich je nach Geschmack und Mitteln möglichst militärisch herausgeputzt, hatten aber ebenfalls mit wenigen Ausnahmen ein solches Lumpenaussehcn. daß man ihnen nicht Viel zutrauen konnte. Hätte mir Jemand diese Horde an einem andern Orte als die heldenmüthige Besatzung des Fort Pulasky vorgestellt, ich würde es nimmermehr geglaubt haben. Die Leute schienen durchaus nicht nieder¬ geschlagen und machten ihrem Haß gegen die Uankees in den unzweideutigsten Worten Luft. Auch läugneten sie hartnäckig, Verwundete oder Todte zu haben außer den wenigen, welche wir im Spitale vorfanden. Doch diese Behauptung erwies sich später als lügenhaft. Einer von der Besatzung nämlich, dem beide Beine abgeschossen waren, äußerte, als er dem Tode nahe war, den Wunsch, „bei den übrigen" begraben zu werden, und bezeichnete einen Ort außerhalb des Forts, wo wir auf Nachsuchen erst fünfzehn Todte, später noch mehr fanden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/370>, abgerufen am 14.05.2024.