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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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beschluß vom 24. Mai l. I. als die landesherrliche Verkündigung vom
21. Juni 1. I. geben zwar hierüber keine directe Auskunft. Der §. 7.
der Verkündigung sagt jedoch, "daß wegen Einberufung der Ständever¬
sammlung alsbald weitere Anordnung getroffen werden solle, damit die durch
den Bundesbeschluß vorbehalten" Berücksichtigung der bundesrechtlich ver¬
bürgten Standschaftsrechte der Standesherren und der Reichsritterschaft bald-
thunlichst ihre Erledigung finde." Außerdem gehört zu "denjenigen zunächst
auf verfassungsmäßigen Wege zu vereinbarenden Abänderungen, welche zur
Herstellung der Uebereinstimmung mit den Bundesgesetzen erforderlich sind",
offenbar auch die Herstellung einer landständischen Verfassung (Art. 13 der
Bundesacte), d. i. eines auf ständischer Gliederung beruhenden Wahlgesetzes.
Im Princip ist es also richtig, daß die gegenwärtige Versammlung erst auf¬
zuhören hat, eine bundeswidrige zu sein, bevor sie die Vornahme von Land¬
tagsgeschäften beanspruchen kann. In der Anwendung dieses Princips ergeben
sich jedoch Modificationen dadurch, daß zur Zeit ein anderes Organ der Landes-
Vertretung nicht besteht und. gewisse Geschäfte uuaufschieblich sind; wobei wei¬
ter davon auszugehen ist, daß die bundeswidrige Zusammensetzung des derma-
ligen Landtags darum seine Handlungen nicht gerade zu rcchtsunbeständigen
macht. Die Regierung hat also insoweit freie Hand, dem Landtage Vorlagen
zu machen. Als eine solche durch die Landeswohlfahrt gebotene Vorlage sehen
wir das Budget an. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter: wir halten
diese Vorlage für eine verfassungsmäßige Pflicht der Regierung. Der §. 3
der landesherrlichen Verkündigung vom 2t. Juni t. I. läßt zwar die der¬
malen bestehenden Steuern und Abgaben in Gemäßheit der zur Zeit gültigen
gesetzlichen Bestimmungen bis zu der demnächsUgen verfassungsmäßigen Fest¬
stellung des Staatsbedarfs forterhoben werden; und dies steht mit dem aus-
drücklichen Motive des Bundesbeschlusses, "daß die seit dem Jahre 1852 er¬
lassenen Gesetze so lange in Kraft bleiben, als sie nicht einer verfassungsmäßigen
Abänderung unterliegen", in vollem Einklange. Andrerseits aber ist die Ver¬
fassung vom 5. Januar 1831 im Ganzen und namentlich mit den hier ein¬
schlägigen §§. 143 und 144 über den Staatshaushalt wieder in Kraft getreten
und eben dadurch der Regierung nach unserer rechtlichen Ueberzeugung die Ver¬
pflichtung auferlegt, dem Landtage, wie er ist, die nöthige Budgetvorlage zu
machen, um zu jener verfassungsmäßigen Feststellung des Staatsbedarfs zu ge¬
langen. Wir zweifeln nicht, daß dies auch die Auffassung der Regierung sein
werde."

Nachschrift. Ueber die Verhandlungen der Ständeversammlung, die plötz¬
liche Vertagung derselben und die Ministerkrisis berichte ich für nächstes Heft.




beschluß vom 24. Mai l. I. als die landesherrliche Verkündigung vom
21. Juni 1. I. geben zwar hierüber keine directe Auskunft. Der §. 7.
der Verkündigung sagt jedoch, „daß wegen Einberufung der Ständever¬
sammlung alsbald weitere Anordnung getroffen werden solle, damit die durch
den Bundesbeschluß vorbehalten« Berücksichtigung der bundesrechtlich ver¬
bürgten Standschaftsrechte der Standesherren und der Reichsritterschaft bald-
thunlichst ihre Erledigung finde." Außerdem gehört zu „denjenigen zunächst
auf verfassungsmäßigen Wege zu vereinbarenden Abänderungen, welche zur
Herstellung der Uebereinstimmung mit den Bundesgesetzen erforderlich sind",
offenbar auch die Herstellung einer landständischen Verfassung (Art. 13 der
Bundesacte), d. i. eines auf ständischer Gliederung beruhenden Wahlgesetzes.
Im Princip ist es also richtig, daß die gegenwärtige Versammlung erst auf¬
zuhören hat, eine bundeswidrige zu sein, bevor sie die Vornahme von Land¬
tagsgeschäften beanspruchen kann. In der Anwendung dieses Princips ergeben
sich jedoch Modificationen dadurch, daß zur Zeit ein anderes Organ der Landes-
Vertretung nicht besteht und. gewisse Geschäfte uuaufschieblich sind; wobei wei¬
ter davon auszugehen ist, daß die bundeswidrige Zusammensetzung des derma-
ligen Landtags darum seine Handlungen nicht gerade zu rcchtsunbeständigen
macht. Die Regierung hat also insoweit freie Hand, dem Landtage Vorlagen
zu machen. Als eine solche durch die Landeswohlfahrt gebotene Vorlage sehen
wir das Budget an. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter: wir halten
diese Vorlage für eine verfassungsmäßige Pflicht der Regierung. Der §. 3
der landesherrlichen Verkündigung vom 2t. Juni t. I. läßt zwar die der¬
malen bestehenden Steuern und Abgaben in Gemäßheit der zur Zeit gültigen
gesetzlichen Bestimmungen bis zu der demnächsUgen verfassungsmäßigen Fest¬
stellung des Staatsbedarfs forterhoben werden; und dies steht mit dem aus-
drücklichen Motive des Bundesbeschlusses, „daß die seit dem Jahre 1852 er¬
lassenen Gesetze so lange in Kraft bleiben, als sie nicht einer verfassungsmäßigen
Abänderung unterliegen", in vollem Einklange. Andrerseits aber ist die Ver¬
fassung vom 5. Januar 1831 im Ganzen und namentlich mit den hier ein¬
schlägigen §§. 143 und 144 über den Staatshaushalt wieder in Kraft getreten
und eben dadurch der Regierung nach unserer rechtlichen Ueberzeugung die Ver¬
pflichtung auferlegt, dem Landtage, wie er ist, die nöthige Budgetvorlage zu
machen, um zu jener verfassungsmäßigen Feststellung des Staatsbedarfs zu ge¬
langen. Wir zweifeln nicht, daß dies auch die Auffassung der Regierung sein
werde."

Nachschrift. Ueber die Verhandlungen der Ständeversammlung, die plötz¬
liche Vertagung derselben und die Ministerkrisis berichte ich für nächstes Heft.




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[0381] beschluß vom 24. Mai l. I. als die landesherrliche Verkündigung vom 21. Juni 1. I. geben zwar hierüber keine directe Auskunft. Der §. 7. der Verkündigung sagt jedoch, „daß wegen Einberufung der Ständever¬ sammlung alsbald weitere Anordnung getroffen werden solle, damit die durch den Bundesbeschluß vorbehalten« Berücksichtigung der bundesrechtlich ver¬ bürgten Standschaftsrechte der Standesherren und der Reichsritterschaft bald- thunlichst ihre Erledigung finde." Außerdem gehört zu „denjenigen zunächst auf verfassungsmäßigen Wege zu vereinbarenden Abänderungen, welche zur Herstellung der Uebereinstimmung mit den Bundesgesetzen erforderlich sind", offenbar auch die Herstellung einer landständischen Verfassung (Art. 13 der Bundesacte), d. i. eines auf ständischer Gliederung beruhenden Wahlgesetzes. Im Princip ist es also richtig, daß die gegenwärtige Versammlung erst auf¬ zuhören hat, eine bundeswidrige zu sein, bevor sie die Vornahme von Land¬ tagsgeschäften beanspruchen kann. In der Anwendung dieses Princips ergeben sich jedoch Modificationen dadurch, daß zur Zeit ein anderes Organ der Landes- Vertretung nicht besteht und. gewisse Geschäfte uuaufschieblich sind; wobei wei¬ ter davon auszugehen ist, daß die bundeswidrige Zusammensetzung des derma- ligen Landtags darum seine Handlungen nicht gerade zu rcchtsunbeständigen macht. Die Regierung hat also insoweit freie Hand, dem Landtage Vorlagen zu machen. Als eine solche durch die Landeswohlfahrt gebotene Vorlage sehen wir das Budget an. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter: wir halten diese Vorlage für eine verfassungsmäßige Pflicht der Regierung. Der §. 3 der landesherrlichen Verkündigung vom 2t. Juni t. I. läßt zwar die der¬ malen bestehenden Steuern und Abgaben in Gemäßheit der zur Zeit gültigen gesetzlichen Bestimmungen bis zu der demnächsUgen verfassungsmäßigen Fest¬ stellung des Staatsbedarfs forterhoben werden; und dies steht mit dem aus- drücklichen Motive des Bundesbeschlusses, „daß die seit dem Jahre 1852 er¬ lassenen Gesetze so lange in Kraft bleiben, als sie nicht einer verfassungsmäßigen Abänderung unterliegen", in vollem Einklange. Andrerseits aber ist die Ver¬ fassung vom 5. Januar 1831 im Ganzen und namentlich mit den hier ein¬ schlägigen §§. 143 und 144 über den Staatshaushalt wieder in Kraft getreten und eben dadurch der Regierung nach unserer rechtlichen Ueberzeugung die Ver¬ pflichtung auferlegt, dem Landtage, wie er ist, die nöthige Budgetvorlage zu machen, um zu jener verfassungsmäßigen Feststellung des Staatsbedarfs zu ge¬ langen. Wir zweifeln nicht, daß dies auch die Auffassung der Regierung sein werde." Nachschrift. Ueber die Verhandlungen der Ständeversammlung, die plötz¬ liche Vertagung derselben und die Ministerkrisis berichte ich für nächstes Heft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/381>, abgerufen am 14.05.2024.