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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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"ufbau der so furchtbar heimgesuchten Stadt. Ein einziger Gedanke schien die
nächsten Tage und Wochen das gesammte Schweizervolk zu erfüllen: Wieder¬
einsetzung der Glarner in den vorigen Stand, und von dem Kreise der Central-
regierung bis hinab in die Kleinkinderschule, vom Landammann bis zum Dienst¬
boten hinab organisirte sich Alles mit dem praktischen Blick, der den Schweizer
auszeichnet, binnen Kurzem in so wirksamer Weise, daß das Wollen vom Voll¬
bringen gekrönt wurde, wie selten in der Geschichte.

"So furchtbar in jener Schreckensnacht die Feuersäule emporgestiegen war,
so herrlich brach auch überall das Feuer der Bruderliebe hervor, und es war
kein Dörflein und kein Thal im Schweizerlande- wo diese Feuer nicht hin¬
leuchteten."

Die Bureaux der Hülfscomit6s und der Zeitungen füllten sich mit Packe-
ten für Glarus. Jung und Alt, Arm und Reich eilten mit Kleidern, Nahrungs¬
mitteln und Geld aus Post und Bahnhof hin. Arbeitercorps in der Zahl von
Hunderten gingen nach der Brandstätte ab, um bei Wegräumung des Schuttes
zu helfen. Commissarien erschienen, um sich nach dem Bedürfniß der Beschä¬
digtem zu erkundigen. Kein Verein, keine Körperschaft, die nicht eine Gesell-
schaftSgabe dargereicht hätte. In Bern sandte, um nur Einiges zu nennen,
die Cantonsregierung sogleich 10,000 Fr., verlangte aber vom Großen Rath
noch die doppelte Summe hinzu, welche auch jfreudig bewilligt wurde. Für
den ganzen Canton wurde auf Pfingsten eine Kirchensteuer angeordnet, die in
der Stadt Bern allein über 10,000 Franken eintrug, und in den ersten
Tagen nach dem Brande schon konnte das Hülfscomitö die Summe von 8000
Fr. nach Glarus abgehen lassen. Aehnlich bethätigte sich hülfreicher Patriotis¬
mus in den andern Cantonen, vor Allem in Zürich, Basel und Genf. Luzern
zeichnete sich dadurch aus, daß sich hier das erste Damen-Hülfscomit6 bildete.
Zu Stanz in Unterwalden, wo in diesem Jahr das eidgenössische Freischießen
abgehalten wurde, stellte man eine eigne mit schönen Ehrengaben ausgestattete
Scheibe zum Besten von Glarus auf und hatte die Freude, als Ergebniß 13,325
Franken absenden zu können. Aus dem reichen Basel gingen von Einzelnen
Gaben von 4, von 3 und von 2000 Fr. ein, 20 Geber spendeten jeder 1000,
26 jeder 500, 39 zwischen 200 und 500. Fr. jeder. In Se. Gallen steuerten
selbst die Sträflinge von Se. Jakob für die Abgebrannten ihr Scherflein. "Sie
wiesen darauf hin, daß wenn das Band bürgerlicher Ehre und Achtung ge¬
rissen habe, das Band des Christenthums sie immer noch mit unglücklichen
Mitmenschen verbinde, daß der in denkwürdigen Relief dastehende Vorgang
am Moorgarten Zeugniß gebe, wie unter gegebnen Umständen auch verurtheilte
Eidgenossen dem Vaterland noch nützlich sein könnten." Einstimmig beschloß
die Bundesversammlung der Eidgenossenschaft: "der Bundesrath wird ermäch¬
tigt, dem Canton Glarus (welcher bei dem Brande nicht nur eine Anzahl


«ufbau der so furchtbar heimgesuchten Stadt. Ein einziger Gedanke schien die
nächsten Tage und Wochen das gesammte Schweizervolk zu erfüllen: Wieder¬
einsetzung der Glarner in den vorigen Stand, und von dem Kreise der Central-
regierung bis hinab in die Kleinkinderschule, vom Landammann bis zum Dienst¬
boten hinab organisirte sich Alles mit dem praktischen Blick, der den Schweizer
auszeichnet, binnen Kurzem in so wirksamer Weise, daß das Wollen vom Voll¬
bringen gekrönt wurde, wie selten in der Geschichte.

„So furchtbar in jener Schreckensnacht die Feuersäule emporgestiegen war,
so herrlich brach auch überall das Feuer der Bruderliebe hervor, und es war
kein Dörflein und kein Thal im Schweizerlande- wo diese Feuer nicht hin¬
leuchteten."

Die Bureaux der Hülfscomit6s und der Zeitungen füllten sich mit Packe-
ten für Glarus. Jung und Alt, Arm und Reich eilten mit Kleidern, Nahrungs¬
mitteln und Geld aus Post und Bahnhof hin. Arbeitercorps in der Zahl von
Hunderten gingen nach der Brandstätte ab, um bei Wegräumung des Schuttes
zu helfen. Commissarien erschienen, um sich nach dem Bedürfniß der Beschä¬
digtem zu erkundigen. Kein Verein, keine Körperschaft, die nicht eine Gesell-
schaftSgabe dargereicht hätte. In Bern sandte, um nur Einiges zu nennen,
die Cantonsregierung sogleich 10,000 Fr., verlangte aber vom Großen Rath
noch die doppelte Summe hinzu, welche auch jfreudig bewilligt wurde. Für
den ganzen Canton wurde auf Pfingsten eine Kirchensteuer angeordnet, die in
der Stadt Bern allein über 10,000 Franken eintrug, und in den ersten
Tagen nach dem Brande schon konnte das Hülfscomitö die Summe von 8000
Fr. nach Glarus abgehen lassen. Aehnlich bethätigte sich hülfreicher Patriotis¬
mus in den andern Cantonen, vor Allem in Zürich, Basel und Genf. Luzern
zeichnete sich dadurch aus, daß sich hier das erste Damen-Hülfscomit6 bildete.
Zu Stanz in Unterwalden, wo in diesem Jahr das eidgenössische Freischießen
abgehalten wurde, stellte man eine eigne mit schönen Ehrengaben ausgestattete
Scheibe zum Besten von Glarus auf und hatte die Freude, als Ergebniß 13,325
Franken absenden zu können. Aus dem reichen Basel gingen von Einzelnen
Gaben von 4, von 3 und von 2000 Fr. ein, 20 Geber spendeten jeder 1000,
26 jeder 500, 39 zwischen 200 und 500. Fr. jeder. In Se. Gallen steuerten
selbst die Sträflinge von Se. Jakob für die Abgebrannten ihr Scherflein. „Sie
wiesen darauf hin, daß wenn das Band bürgerlicher Ehre und Achtung ge¬
rissen habe, das Band des Christenthums sie immer noch mit unglücklichen
Mitmenschen verbinde, daß der in denkwürdigen Relief dastehende Vorgang
am Moorgarten Zeugniß gebe, wie unter gegebnen Umständen auch verurtheilte
Eidgenossen dem Vaterland noch nützlich sein könnten." Einstimmig beschloß
die Bundesversammlung der Eidgenossenschaft: „der Bundesrath wird ermäch¬
tigt, dem Canton Glarus (welcher bei dem Brande nicht nur eine Anzahl


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[0386] «ufbau der so furchtbar heimgesuchten Stadt. Ein einziger Gedanke schien die nächsten Tage und Wochen das gesammte Schweizervolk zu erfüllen: Wieder¬ einsetzung der Glarner in den vorigen Stand, und von dem Kreise der Central- regierung bis hinab in die Kleinkinderschule, vom Landammann bis zum Dienst¬ boten hinab organisirte sich Alles mit dem praktischen Blick, der den Schweizer auszeichnet, binnen Kurzem in so wirksamer Weise, daß das Wollen vom Voll¬ bringen gekrönt wurde, wie selten in der Geschichte. „So furchtbar in jener Schreckensnacht die Feuersäule emporgestiegen war, so herrlich brach auch überall das Feuer der Bruderliebe hervor, und es war kein Dörflein und kein Thal im Schweizerlande- wo diese Feuer nicht hin¬ leuchteten." Die Bureaux der Hülfscomit6s und der Zeitungen füllten sich mit Packe- ten für Glarus. Jung und Alt, Arm und Reich eilten mit Kleidern, Nahrungs¬ mitteln und Geld aus Post und Bahnhof hin. Arbeitercorps in der Zahl von Hunderten gingen nach der Brandstätte ab, um bei Wegräumung des Schuttes zu helfen. Commissarien erschienen, um sich nach dem Bedürfniß der Beschä¬ digtem zu erkundigen. Kein Verein, keine Körperschaft, die nicht eine Gesell- schaftSgabe dargereicht hätte. In Bern sandte, um nur Einiges zu nennen, die Cantonsregierung sogleich 10,000 Fr., verlangte aber vom Großen Rath noch die doppelte Summe hinzu, welche auch jfreudig bewilligt wurde. Für den ganzen Canton wurde auf Pfingsten eine Kirchensteuer angeordnet, die in der Stadt Bern allein über 10,000 Franken eintrug, und in den ersten Tagen nach dem Brande schon konnte das Hülfscomitö die Summe von 8000 Fr. nach Glarus abgehen lassen. Aehnlich bethätigte sich hülfreicher Patriotis¬ mus in den andern Cantonen, vor Allem in Zürich, Basel und Genf. Luzern zeichnete sich dadurch aus, daß sich hier das erste Damen-Hülfscomit6 bildete. Zu Stanz in Unterwalden, wo in diesem Jahr das eidgenössische Freischießen abgehalten wurde, stellte man eine eigne mit schönen Ehrengaben ausgestattete Scheibe zum Besten von Glarus auf und hatte die Freude, als Ergebniß 13,325 Franken absenden zu können. Aus dem reichen Basel gingen von Einzelnen Gaben von 4, von 3 und von 2000 Fr. ein, 20 Geber spendeten jeder 1000, 26 jeder 500, 39 zwischen 200 und 500. Fr. jeder. In Se. Gallen steuerten selbst die Sträflinge von Se. Jakob für die Abgebrannten ihr Scherflein. „Sie wiesen darauf hin, daß wenn das Band bürgerlicher Ehre und Achtung ge¬ rissen habe, das Band des Christenthums sie immer noch mit unglücklichen Mitmenschen verbinde, daß der in denkwürdigen Relief dastehende Vorgang am Moorgarten Zeugniß gebe, wie unter gegebnen Umständen auch verurtheilte Eidgenossen dem Vaterland noch nützlich sein könnten." Einstimmig beschloß die Bundesversammlung der Eidgenossenschaft: „der Bundesrath wird ermäch¬ tigt, dem Canton Glarus (welcher bei dem Brande nicht nur eine Anzahl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/386>, abgerufen am 15.05.2024.