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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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von der Streitmacht zu halten hatte, welche Centreville und Manassas besetzt
hielt. Er kannte vollkommen die Existenz jener hölzernen Kanonen, mit denen
die Schanzen der Conföderirten armirt waren, und die ihn sechs Monate
hindurch eingeschüchtert haben sollen. Er wußte aber auch, daß die Straßen
in Virginien bis in den April hinein in einem solchen Zustande waren, daß
er seine Geschütze und Karren nur durch Erbauung von Knüppeldämmen,
wie sie hier zu Lande sehr in Gebrauch sind, hätte fortschaffen können -- eine
sehr langwierige Arbeit, während welcher der Feind, der die Eisenbahnen zu
seiner Verfügung hatte, sich entweder nach Belieben zurückziehen oder nach an"
dern Punkten rasch auf einander folgende Schläge führen konnte. Auf alle Fälle
würde, wenn man die Position von Centreville genommen hätte, die Verfolgung
unmöglich, der Sieg also ein nutzloser gewesen sein. Der Abbruch einer Brücke
genügte den Besiegten, allen Angriffen des Siegers zu entgehen, ein unschätz¬
barer Vortheil der Eisenbahnen für den Defensivkrieg, der für den Vorrückenden
nicht existirt. Andrerseits freilich verbieten sie, einmal auf einem Punkte ihres
Laufs unterbrochen, denen, die sie zerstört haben, jede Rückkehr zur Offen¬
sive. "

Der Verfasser des Aufsatzes glaubt daher behaupten zu können, daß Gene¬
ral Mac Clellan nie daran gedacht hat, nach Centreville zu gehen. Sein Ge¬
danke, lange Zeit aufgehalten, war vielmehr, Washington, durch starke Werke
und eine zahlreiche Garnison gegen einen Handstreich gesichert, hinter sich zu
lassen und, sich des Seewegs und der großen maritimen Hülfsmittel des Nor¬
dens bedienend, die Armee rasch nach einem Punkte nahe bei Richmond zu ver¬
setzen. Wochen, ja Monate hindurch war die Ausführung dieses Projects sehr
geheim vorbereitet worden. Geheimhaltung und rasches, pünktliches Handeln
im Moment der Ausführung waren hier die ersten Bedingungen des Erfolgs.
So wurde der Plan nur wenigen Personen mitgetheilt, und daraus entwickelte
sich zum Theil die eifersüchtige Mißstimmung gegen den Oberbefehlshaber, welche
die Störung seines ganzen Vorhabens herbeiführte. Die, welche den Plan
ahnten und verdrießlich waren, nicht eingeweiht zu sein, die, welche den General
wegen seiner Beförderung zum, Obercommando beneideten, seine politischen
Gegner, kurz Alle, die ihm übel wollten, schienen sich das Wort gegeben zu
haben, mit äußerster Heftigkeit seine Langsamkeit, seine Unthätigkeit, seine Un¬
fähigkeit anzuklagen. Mac Clellan verachtete dieses Treiben, schwieg und fuhr
in seinen Vorbereitungen fort. Endlich aber konnte er sich trotz der Unter¬
stützung, die der Präsident ihm lieh, gegen den Sturm nicht mehr halten. Ein
Kriegsrath fand statt, dem alle Divisionsgenerale beiwohnten, Mac Clellan
mußte hier Vorschlägen gegenüber, die seinem Plan entgegen waren, seine Ab¬
sichten eröffnen, am nächsten Tage war der Feind, vermuthlich durch eine der
Kundschasterinnen, welche in Washington für ihn thätig waren, davon unter-


von der Streitmacht zu halten hatte, welche Centreville und Manassas besetzt
hielt. Er kannte vollkommen die Existenz jener hölzernen Kanonen, mit denen
die Schanzen der Conföderirten armirt waren, und die ihn sechs Monate
hindurch eingeschüchtert haben sollen. Er wußte aber auch, daß die Straßen
in Virginien bis in den April hinein in einem solchen Zustande waren, daß
er seine Geschütze und Karren nur durch Erbauung von Knüppeldämmen,
wie sie hier zu Lande sehr in Gebrauch sind, hätte fortschaffen können — eine
sehr langwierige Arbeit, während welcher der Feind, der die Eisenbahnen zu
seiner Verfügung hatte, sich entweder nach Belieben zurückziehen oder nach an«
dern Punkten rasch auf einander folgende Schläge führen konnte. Auf alle Fälle
würde, wenn man die Position von Centreville genommen hätte, die Verfolgung
unmöglich, der Sieg also ein nutzloser gewesen sein. Der Abbruch einer Brücke
genügte den Besiegten, allen Angriffen des Siegers zu entgehen, ein unschätz¬
barer Vortheil der Eisenbahnen für den Defensivkrieg, der für den Vorrückenden
nicht existirt. Andrerseits freilich verbieten sie, einmal auf einem Punkte ihres
Laufs unterbrochen, denen, die sie zerstört haben, jede Rückkehr zur Offen¬
sive. "

Der Verfasser des Aufsatzes glaubt daher behaupten zu können, daß Gene¬
ral Mac Clellan nie daran gedacht hat, nach Centreville zu gehen. Sein Ge¬
danke, lange Zeit aufgehalten, war vielmehr, Washington, durch starke Werke
und eine zahlreiche Garnison gegen einen Handstreich gesichert, hinter sich zu
lassen und, sich des Seewegs und der großen maritimen Hülfsmittel des Nor¬
dens bedienend, die Armee rasch nach einem Punkte nahe bei Richmond zu ver¬
setzen. Wochen, ja Monate hindurch war die Ausführung dieses Projects sehr
geheim vorbereitet worden. Geheimhaltung und rasches, pünktliches Handeln
im Moment der Ausführung waren hier die ersten Bedingungen des Erfolgs.
So wurde der Plan nur wenigen Personen mitgetheilt, und daraus entwickelte
sich zum Theil die eifersüchtige Mißstimmung gegen den Oberbefehlshaber, welche
die Störung seines ganzen Vorhabens herbeiführte. Die, welche den Plan
ahnten und verdrießlich waren, nicht eingeweiht zu sein, die, welche den General
wegen seiner Beförderung zum, Obercommando beneideten, seine politischen
Gegner, kurz Alle, die ihm übel wollten, schienen sich das Wort gegeben zu
haben, mit äußerster Heftigkeit seine Langsamkeit, seine Unthätigkeit, seine Un¬
fähigkeit anzuklagen. Mac Clellan verachtete dieses Treiben, schwieg und fuhr
in seinen Vorbereitungen fort. Endlich aber konnte er sich trotz der Unter¬
stützung, die der Präsident ihm lieh, gegen den Sturm nicht mehr halten. Ein
Kriegsrath fand statt, dem alle Divisionsgenerale beiwohnten, Mac Clellan
mußte hier Vorschlägen gegenüber, die seinem Plan entgegen waren, seine Ab¬
sichten eröffnen, am nächsten Tage war der Feind, vermuthlich durch eine der
Kundschasterinnen, welche in Washington für ihn thätig waren, davon unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/402>, abgerufen am 15.05.2024.