Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gar zum Gegenstand von Ovationen gemacht werden sollte, die. er am liebsten
ablehnte, ohne sich ihnen doch ganz entziehen zu können. Wer aber zum Kern
seines Wesens durchgedrungen war, wem sein Vertrauen, sein näherer Umgang
sich erschloß, dem war es vergönnt in ein seltenes, reiches Gemüth zu blicken.
Uhlands Charakter war ebenso in die Tiefe angelegt als ihm das Talent
äußerer Darstellung und leichter Bewegung versagt war. Selten und nur in
engem Kreise thaute er aus zu mittheilsamer Rede. Dann konnte es auch
wohl geschehen, daß ein humoristischer Einfall über seine Lippen kam, wie denn
auch in den Gedichten bisweilen der Ton eines harmlosen Humors, selbst der
Schalkhaftigkeit angeschlagen ist. Rückhaltlose Wahrhaftigkeit war das Element
seines Wesens. Wie er nach außen eine fast mädchenhafte Scheu zeigte, so
war sein Inneres in der That von jungfräulicher Reinheit, die jede Berührung
scheute. Die Ideale fest im Busen tragend, liebte er es am meisten, in der
Stille für das Gute zu wirken. Aber wo ihn die vaterländische Pflicht Hinaus¬
ries aus den Schauplatz der Oeffentlichkeit, da gebot ihm dieselbe Wahrhaftig¬
keit, ein offenes Zeugniß für Recht und Freiheit abzulegen und mit unbeug¬
samen Muth für die höchsten Güter des Vaterlandes einzustehen.

Uhland der Dichter wäre vielleicht nicht in so hohem Grade populär ge¬
worden, wenn er nicht auch im thätigen Leben Gelegenheit gehabt hätte, die
Tüchtigkeit seines Charakters zu erproben, und in den Gedichten selbst bildet
jener ethische Grundzug, den seine ganze Persönlichkeit trägt, den Hauptreiz,
der ihnen die UnVergänglichkeit sichert. Noch in jener Zeit, da er mit den
Romantikern für die Herrlichkeiten des Mittelalters schwärmte, überwog bei
ihm das rein Menschliche und hob ihn hinaus über den Kreis seiner Mit¬
strebenden. Der Umfang seines Talents ist mäßig; das Gedicht, welches die
reichste Entfaltung seines poetischen Genius versprach, der Fortunat, blieb un¬
vollendet, seine Lyrik wagte sich nie an höhere Probleme und beschreibt nebst
den Romanzen einen bescheidenen Kreis von Gefühlen und Situationen. Aber
innerhalb dieser Beschränkung, die bei ihm wohl Selbstbeschränkung genannt
werden darf, um so mehr, als er so frühe die Harfe bei Seite legte, hat er doch
in sich Vollendetes geschaffen. Nie bemerkt man bei ihm jenen Widerspruch,
der in der Epoche nach ihm fast zu einem allgemeinen Kennzeichen der Dicht¬
kunst geworden ist, jenen Widerspruch zwischen Wollen und Können, zwischen
Intention und Ausführung. Was er sich als Ziel vorsetzt, erreicht er immer
ganz, weil er sich im Ziele selbst bescheidet: auch hierin bethätigte sich die
Wahrhaftigkeit seines ganzen Wesens, das selbst den Schein weiter über die
eigene Kraft hinausreichender Probleme von sich wies. Daher die plastische
Ausrundung seiner einzelnen Schöpfungen, die seinen Freund Varnhagen mit
Recht an Goethe erinnert, daher aber auch der Mangel an dramatischer Gestal¬
tungskraft und Energie, die ein Herausgehen aus der eignen Subjectivität ver-


gar zum Gegenstand von Ovationen gemacht werden sollte, die. er am liebsten
ablehnte, ohne sich ihnen doch ganz entziehen zu können. Wer aber zum Kern
seines Wesens durchgedrungen war, wem sein Vertrauen, sein näherer Umgang
sich erschloß, dem war es vergönnt in ein seltenes, reiches Gemüth zu blicken.
Uhlands Charakter war ebenso in die Tiefe angelegt als ihm das Talent
äußerer Darstellung und leichter Bewegung versagt war. Selten und nur in
engem Kreise thaute er aus zu mittheilsamer Rede. Dann konnte es auch
wohl geschehen, daß ein humoristischer Einfall über seine Lippen kam, wie denn
auch in den Gedichten bisweilen der Ton eines harmlosen Humors, selbst der
Schalkhaftigkeit angeschlagen ist. Rückhaltlose Wahrhaftigkeit war das Element
seines Wesens. Wie er nach außen eine fast mädchenhafte Scheu zeigte, so
war sein Inneres in der That von jungfräulicher Reinheit, die jede Berührung
scheute. Die Ideale fest im Busen tragend, liebte er es am meisten, in der
Stille für das Gute zu wirken. Aber wo ihn die vaterländische Pflicht Hinaus¬
ries aus den Schauplatz der Oeffentlichkeit, da gebot ihm dieselbe Wahrhaftig¬
keit, ein offenes Zeugniß für Recht und Freiheit abzulegen und mit unbeug¬
samen Muth für die höchsten Güter des Vaterlandes einzustehen.

Uhland der Dichter wäre vielleicht nicht in so hohem Grade populär ge¬
worden, wenn er nicht auch im thätigen Leben Gelegenheit gehabt hätte, die
Tüchtigkeit seines Charakters zu erproben, und in den Gedichten selbst bildet
jener ethische Grundzug, den seine ganze Persönlichkeit trägt, den Hauptreiz,
der ihnen die UnVergänglichkeit sichert. Noch in jener Zeit, da er mit den
Romantikern für die Herrlichkeiten des Mittelalters schwärmte, überwog bei
ihm das rein Menschliche und hob ihn hinaus über den Kreis seiner Mit¬
strebenden. Der Umfang seines Talents ist mäßig; das Gedicht, welches die
reichste Entfaltung seines poetischen Genius versprach, der Fortunat, blieb un¬
vollendet, seine Lyrik wagte sich nie an höhere Probleme und beschreibt nebst
den Romanzen einen bescheidenen Kreis von Gefühlen und Situationen. Aber
innerhalb dieser Beschränkung, die bei ihm wohl Selbstbeschränkung genannt
werden darf, um so mehr, als er so frühe die Harfe bei Seite legte, hat er doch
in sich Vollendetes geschaffen. Nie bemerkt man bei ihm jenen Widerspruch,
der in der Epoche nach ihm fast zu einem allgemeinen Kennzeichen der Dicht¬
kunst geworden ist, jenen Widerspruch zwischen Wollen und Können, zwischen
Intention und Ausführung. Was er sich als Ziel vorsetzt, erreicht er immer
ganz, weil er sich im Ziele selbst bescheidet: auch hierin bethätigte sich die
Wahrhaftigkeit seines ganzen Wesens, das selbst den Schein weiter über die
eigene Kraft hinausreichender Probleme von sich wies. Daher die plastische
Ausrundung seiner einzelnen Schöpfungen, die seinen Freund Varnhagen mit
Recht an Goethe erinnert, daher aber auch der Mangel an dramatischer Gestal¬
tungskraft und Energie, die ein Herausgehen aus der eignen Subjectivität ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115268"/>
          <p xml:id="ID_1328" prev="#ID_1327"> gar zum Gegenstand von Ovationen gemacht werden sollte, die. er am liebsten<lb/>
ablehnte, ohne sich ihnen doch ganz entziehen zu können. Wer aber zum Kern<lb/>
seines Wesens durchgedrungen war, wem sein Vertrauen, sein näherer Umgang<lb/>
sich erschloß, dem war es vergönnt in ein seltenes, reiches Gemüth zu blicken.<lb/>
Uhlands Charakter war ebenso in die Tiefe angelegt als ihm das Talent<lb/>
äußerer Darstellung und leichter Bewegung versagt war. Selten und nur in<lb/>
engem Kreise thaute er aus zu mittheilsamer Rede. Dann konnte es auch<lb/>
wohl geschehen, daß ein humoristischer Einfall über seine Lippen kam, wie denn<lb/>
auch in den Gedichten bisweilen der Ton eines harmlosen Humors, selbst der<lb/>
Schalkhaftigkeit angeschlagen ist. Rückhaltlose Wahrhaftigkeit war das Element<lb/>
seines Wesens. Wie er nach außen eine fast mädchenhafte Scheu zeigte, so<lb/>
war sein Inneres in der That von jungfräulicher Reinheit, die jede Berührung<lb/>
scheute. Die Ideale fest im Busen tragend, liebte er es am meisten, in der<lb/>
Stille für das Gute zu wirken. Aber wo ihn die vaterländische Pflicht Hinaus¬<lb/>
ries aus den Schauplatz der Oeffentlichkeit, da gebot ihm dieselbe Wahrhaftig¬<lb/>
keit, ein offenes Zeugniß für Recht und Freiheit abzulegen und mit unbeug¬<lb/>
samen Muth für die höchsten Güter des Vaterlandes einzustehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1329" next="#ID_1330"> Uhland der Dichter wäre vielleicht nicht in so hohem Grade populär ge¬<lb/>
worden, wenn er nicht auch im thätigen Leben Gelegenheit gehabt hätte, die<lb/>
Tüchtigkeit seines Charakters zu erproben, und in den Gedichten selbst bildet<lb/>
jener ethische Grundzug, den seine ganze Persönlichkeit trägt, den Hauptreiz,<lb/>
der ihnen die UnVergänglichkeit sichert. Noch in jener Zeit, da er mit den<lb/>
Romantikern für die Herrlichkeiten des Mittelalters schwärmte, überwog bei<lb/>
ihm das rein Menschliche und hob ihn hinaus über den Kreis seiner Mit¬<lb/>
strebenden. Der Umfang seines Talents ist mäßig; das Gedicht, welches die<lb/>
reichste Entfaltung seines poetischen Genius versprach, der Fortunat, blieb un¬<lb/>
vollendet, seine Lyrik wagte sich nie an höhere Probleme und beschreibt nebst<lb/>
den Romanzen einen bescheidenen Kreis von Gefühlen und Situationen. Aber<lb/>
innerhalb dieser Beschränkung, die bei ihm wohl Selbstbeschränkung genannt<lb/>
werden darf, um so mehr, als er so frühe die Harfe bei Seite legte, hat er doch<lb/>
in sich Vollendetes geschaffen. Nie bemerkt man bei ihm jenen Widerspruch,<lb/>
der in der Epoche nach ihm fast zu einem allgemeinen Kennzeichen der Dicht¬<lb/>
kunst geworden ist, jenen Widerspruch zwischen Wollen und Können, zwischen<lb/>
Intention und Ausführung. Was er sich als Ziel vorsetzt, erreicht er immer<lb/>
ganz, weil er sich im Ziele selbst bescheidet: auch hierin bethätigte sich die<lb/>
Wahrhaftigkeit seines ganzen Wesens, das selbst den Schein weiter über die<lb/>
eigene Kraft hinausreichender Probleme von sich wies. Daher die plastische<lb/>
Ausrundung seiner einzelnen Schöpfungen, die seinen Freund Varnhagen mit<lb/>
Recht an Goethe erinnert, daher aber auch der Mangel an dramatischer Gestal¬<lb/>
tungskraft und Energie, die ein Herausgehen aus der eignen Subjectivität ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0416] gar zum Gegenstand von Ovationen gemacht werden sollte, die. er am liebsten ablehnte, ohne sich ihnen doch ganz entziehen zu können. Wer aber zum Kern seines Wesens durchgedrungen war, wem sein Vertrauen, sein näherer Umgang sich erschloß, dem war es vergönnt in ein seltenes, reiches Gemüth zu blicken. Uhlands Charakter war ebenso in die Tiefe angelegt als ihm das Talent äußerer Darstellung und leichter Bewegung versagt war. Selten und nur in engem Kreise thaute er aus zu mittheilsamer Rede. Dann konnte es auch wohl geschehen, daß ein humoristischer Einfall über seine Lippen kam, wie denn auch in den Gedichten bisweilen der Ton eines harmlosen Humors, selbst der Schalkhaftigkeit angeschlagen ist. Rückhaltlose Wahrhaftigkeit war das Element seines Wesens. Wie er nach außen eine fast mädchenhafte Scheu zeigte, so war sein Inneres in der That von jungfräulicher Reinheit, die jede Berührung scheute. Die Ideale fest im Busen tragend, liebte er es am meisten, in der Stille für das Gute zu wirken. Aber wo ihn die vaterländische Pflicht Hinaus¬ ries aus den Schauplatz der Oeffentlichkeit, da gebot ihm dieselbe Wahrhaftig¬ keit, ein offenes Zeugniß für Recht und Freiheit abzulegen und mit unbeug¬ samen Muth für die höchsten Güter des Vaterlandes einzustehen. Uhland der Dichter wäre vielleicht nicht in so hohem Grade populär ge¬ worden, wenn er nicht auch im thätigen Leben Gelegenheit gehabt hätte, die Tüchtigkeit seines Charakters zu erproben, und in den Gedichten selbst bildet jener ethische Grundzug, den seine ganze Persönlichkeit trägt, den Hauptreiz, der ihnen die UnVergänglichkeit sichert. Noch in jener Zeit, da er mit den Romantikern für die Herrlichkeiten des Mittelalters schwärmte, überwog bei ihm das rein Menschliche und hob ihn hinaus über den Kreis seiner Mit¬ strebenden. Der Umfang seines Talents ist mäßig; das Gedicht, welches die reichste Entfaltung seines poetischen Genius versprach, der Fortunat, blieb un¬ vollendet, seine Lyrik wagte sich nie an höhere Probleme und beschreibt nebst den Romanzen einen bescheidenen Kreis von Gefühlen und Situationen. Aber innerhalb dieser Beschränkung, die bei ihm wohl Selbstbeschränkung genannt werden darf, um so mehr, als er so frühe die Harfe bei Seite legte, hat er doch in sich Vollendetes geschaffen. Nie bemerkt man bei ihm jenen Widerspruch, der in der Epoche nach ihm fast zu einem allgemeinen Kennzeichen der Dicht¬ kunst geworden ist, jenen Widerspruch zwischen Wollen und Können, zwischen Intention und Ausführung. Was er sich als Ziel vorsetzt, erreicht er immer ganz, weil er sich im Ziele selbst bescheidet: auch hierin bethätigte sich die Wahrhaftigkeit seines ganzen Wesens, das selbst den Schein weiter über die eigene Kraft hinausreichender Probleme von sich wies. Daher die plastische Ausrundung seiner einzelnen Schöpfungen, die seinen Freund Varnhagen mit Recht an Goethe erinnert, daher aber auch der Mangel an dramatischer Gestal¬ tungskraft und Energie, die ein Herausgehen aus der eignen Subjectivität ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/416
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/416>, abgerufen am 14.05.2024.