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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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sprechen; und als dieses nicht gelang, sollte aus dem durch das Dienstver¬
hältniß gebotenen Schweigen der Offiziere ein Zeugniß zu Gunsten Haynaus
geschmiedet werden. Ein sauberes Beginnen.

Haynau erläßt nun eine zweite Bekanntmachung, worin er dem Verfasser
ohne weiteres die Ehrenhaftigkeit abschneidet. Damit kreuzt sich eine Erwie¬
derung des Verfassers in der süddeutschen Zeitung: er werde sich nennen
sobald Haynau seine alten Ehrenhändel geordnet habe, namentlich diejenigen
mit v. Specht und v. Verschuer.

Endlich kommt in der hessischen Morgenzeitung Vom 3. December eine
geharnischte Erklärung, worin der Verfasser der Schrift seinen Namen nennt
und zugleich den Herrn v. Haynau auffordert, bevor er die Ehrenhaftigkeit
anderer Leute angreife, "die eigene Ehre in Sicherheit zu bringen".

Der Verfasser ist der schon oben erwähnte Hauptmann Dörr, ein durch¬
aus unabhängiger Mann von schlichtester Geradheit, tadellosem Charakter und
kräftiger Energie. Und zum Ueberfluß ist er noch mit der an Hof wohl an¬
gesehenen Familie V, Eschwege nahe verwandt. -- Die Bekanntmachung, des
Hauptmann Dörr wirkte wie ein Donnerschlag; die gesammte Bevölkerung von
Kassel war in Gährung. In aufgewecktester Stimmung riefen die Leute auf
der Straße einander zu: "Endlich hat er seinen Mann gefunden." Um das
Unglück Haynaus voll zu machen, brachte auch noch die "Hessenzeitung" nach¬
träglich eine Ehrenrettung für ihn.

Es handelt sich hier nicht um Scandalgeschichten, wie solche auch sonst
vorkommen. Es handelt sich hier um die Wirkungen desjenigen Systems, wel¬
ches so viel Verderben über das Land gebracht hat. Haynau war, nächst Hassen-
pflug, wie kein Anderer bei dem Umsturz der Verfassung thätig. Haynau hat
über die brave, durchaus tüchtige kurhessische Armee erst Jammer und Elend
gebracht und dann in derselben diejenigen Zerwürfnisse hervorgerufen, welche
ihren Lebensnerv berühren.

Herr v. Dehn hat seine Antwort nach Berlin nunmehr veröffentlicht.
Er leugnet einen Conflict zwischen der Regierung und dem Landtag; spricht
aber gleich darauf die Hoffnung aus, die Regierung werde sich mit dem Land¬
tag verständigen. Nach seiner Ansicht ist das preußische Cabinet schlecht unter¬
richtet. Herr v. Dehn erörtert auch die vielberufene Frage eines Landtags
ÄÄ roe, um sie für eine zweifelhafte zu erklären. -Am Schlüsse wild Ver¬
wahrung gegen die in Aussicht gestellten "dauernden Bürgschaften" eingelegt.
Schmerling und das Personal der östreichischen.Gesandtschaft hat übrigens Alle",
die es hören wollten, gesagt, daß diese "Bürgschaften" durchaus nicht nachdem
Geschmack Oestreichs seien. Das wußte man freilich, auch ohne daß es gesag
wurde. Was sollte denn auch in einem solchen Fall aus dem östreichischen
Einfluß in Kurhessen werden? Das Land ist durch das Jahr 1850 n. grünt


sprechen; und als dieses nicht gelang, sollte aus dem durch das Dienstver¬
hältniß gebotenen Schweigen der Offiziere ein Zeugniß zu Gunsten Haynaus
geschmiedet werden. Ein sauberes Beginnen.

Haynau erläßt nun eine zweite Bekanntmachung, worin er dem Verfasser
ohne weiteres die Ehrenhaftigkeit abschneidet. Damit kreuzt sich eine Erwie¬
derung des Verfassers in der süddeutschen Zeitung: er werde sich nennen
sobald Haynau seine alten Ehrenhändel geordnet habe, namentlich diejenigen
mit v. Specht und v. Verschuer.

Endlich kommt in der hessischen Morgenzeitung Vom 3. December eine
geharnischte Erklärung, worin der Verfasser der Schrift seinen Namen nennt
und zugleich den Herrn v. Haynau auffordert, bevor er die Ehrenhaftigkeit
anderer Leute angreife, „die eigene Ehre in Sicherheit zu bringen".

Der Verfasser ist der schon oben erwähnte Hauptmann Dörr, ein durch¬
aus unabhängiger Mann von schlichtester Geradheit, tadellosem Charakter und
kräftiger Energie. Und zum Ueberfluß ist er noch mit der an Hof wohl an¬
gesehenen Familie V, Eschwege nahe verwandt. — Die Bekanntmachung, des
Hauptmann Dörr wirkte wie ein Donnerschlag; die gesammte Bevölkerung von
Kassel war in Gährung. In aufgewecktester Stimmung riefen die Leute auf
der Straße einander zu: „Endlich hat er seinen Mann gefunden." Um das
Unglück Haynaus voll zu machen, brachte auch noch die „Hessenzeitung" nach¬
träglich eine Ehrenrettung für ihn.

Es handelt sich hier nicht um Scandalgeschichten, wie solche auch sonst
vorkommen. Es handelt sich hier um die Wirkungen desjenigen Systems, wel¬
ches so viel Verderben über das Land gebracht hat. Haynau war, nächst Hassen-
pflug, wie kein Anderer bei dem Umsturz der Verfassung thätig. Haynau hat
über die brave, durchaus tüchtige kurhessische Armee erst Jammer und Elend
gebracht und dann in derselben diejenigen Zerwürfnisse hervorgerufen, welche
ihren Lebensnerv berühren.

Herr v. Dehn hat seine Antwort nach Berlin nunmehr veröffentlicht.
Er leugnet einen Conflict zwischen der Regierung und dem Landtag; spricht
aber gleich darauf die Hoffnung aus, die Regierung werde sich mit dem Land¬
tag verständigen. Nach seiner Ansicht ist das preußische Cabinet schlecht unter¬
richtet. Herr v. Dehn erörtert auch die vielberufene Frage eines Landtags
ÄÄ roe, um sie für eine zweifelhafte zu erklären. -Am Schlüsse wild Ver¬
wahrung gegen die in Aussicht gestellten „dauernden Bürgschaften" eingelegt.
Schmerling und das Personal der östreichischen.Gesandtschaft hat übrigens Alle»,
die es hören wollten, gesagt, daß diese „Bürgschaften" durchaus nicht nachdem
Geschmack Oestreichs seien. Das wußte man freilich, auch ohne daß es gesag
wurde. Was sollte denn auch in einem solchen Fall aus dem östreichischen
Einfluß in Kurhessen werden? Das Land ist durch das Jahr 1850 n. grünt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/459>, abgerufen am 14.05.2024.