Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

blos erlaubt, sondern unter Androhung von Einbuße an der ewigen Seligkeit
geboten ist. Der Mormone wird im Jenseits in dem Grade selig, als er
eine zahlreiche Familie gegründet, viele Kinder hinterlassen hat, und um viele
Kinder zu gewinnen, heirathet er möglichst viele Frauen. Nach dem Census
von 1858 lebten diesen Grundsätzen in Utah nicht weniger als 3617 Männer
nach, und zwar gab es deren mit sieben und mehr Frauen 387, deren mit
fünf 730, deren mit vier 1100, deren mit mehr als einerund weniger als vier
Frauen 1400. Wie viele Männer so wenig für ihr zukünftiges Heil thun, daß
sie in Monogamie leben, ist nicht angegeben; dagegen wird bemerkt, daß --
vielleicht gerade in Folge der Polygamie -- im Mormonenland weit mehr
Mädchen als Knaben geboren werden.

Damit die Gläubigen in ihrer Wahl nicht zu sehr beschränkt sind, gehl
das Gesetz so weit als möglich über die Grenze der von der englischen Sitte
verbotenen VeNvandtschastsgrade hinaus. Der Mormone darf Schwestern, zu
gleicher Zeit eine Mutter mit ihrer Tochter, ja selbst seine Stiefschwester heira-
then. Die erste Frau nur führt den Titel "Gattin" und den Namen des
Mannes, die spater "angesiegelten" Damen werden gewöhnlich nur Schwestern
genannt. Ehebruch soll wie unschuldig vergossenes Blut mit dem Tode be¬
straft werden. Scheidungen kommen selten vor. Die Wittwen des Propheten
hat dessen Nachfolger als Inventar des Amts in sein Harem zu übernehmen,
"gleichwie David die Frauen South zu sich nahm". Doch machte gleich die
Hauptfrau des ersten Propheten. Emma Smith, in diese Vorschrift ein Loch,
indem sie, statt sich dem Haushalt Brigham Yvungs einverleiben zu lassen,
vorzog, die Gemeinschaft der Mormonen zu verlassen und die Lebensgefährtin
eines "Heiden" zu werden, welcher den lockenden Namen Brideman führte.

Sehr wunderbar, aber nach mormonischen Grundsätzen nur folgerichtig
sind die Heirathen durch Stellvertretung, Abzweiger der jüdischen Levirathsehe
und der Prattschen Paradicseslehre. Es sind hier vorzüglich vier Fälle mög¬
lich: 1) ^Kö g'IM'MnA pr0X7, wo Jemand für diese Erde eine Frau heirathet,
welche früher einem Andern für die Ewigkeit "angesiegelt" und in dieser "geisti¬
gen Ehe" Wittwe geworden ist. Die Kinder, die aus der zweiten, nur zeit¬
weiligen Ehe hervorgehen, gehören dem ersten Mann, dem ihr Dasein mehr
Seligkeit lLlor^) verschafft, woher die Bezeichnung dieses Stellvcrtreterverhält-
nisses. 2) llro rtztroaetiviZ pr"x^, wo man sich zeitweil.ig mit Lebenden, aber
im Namen von Verstorbenen für die Ewigkeit verheirathet. Ein Beispiel da¬
für ist eine der Frauen des jetzigen Propheten N^ung, die von diesem zur
Gattin genommen wurde, damit sie im Jenseits zu den Königinnen des ver¬
storbenen Joe Smith gezählt werde. Auch bei dieser Art Ehe gehören die
Kinder dem Gatten in der Ewigkeit, nicht dein Stellvertreter derselben auf
Erden. 3) .substiwllvö prox?, eine Eheform, die vorzüglich für solche,


blos erlaubt, sondern unter Androhung von Einbuße an der ewigen Seligkeit
geboten ist. Der Mormone wird im Jenseits in dem Grade selig, als er
eine zahlreiche Familie gegründet, viele Kinder hinterlassen hat, und um viele
Kinder zu gewinnen, heirathet er möglichst viele Frauen. Nach dem Census
von 1858 lebten diesen Grundsätzen in Utah nicht weniger als 3617 Männer
nach, und zwar gab es deren mit sieben und mehr Frauen 387, deren mit
fünf 730, deren mit vier 1100, deren mit mehr als einerund weniger als vier
Frauen 1400. Wie viele Männer so wenig für ihr zukünftiges Heil thun, daß
sie in Monogamie leben, ist nicht angegeben; dagegen wird bemerkt, daß —
vielleicht gerade in Folge der Polygamie — im Mormonenland weit mehr
Mädchen als Knaben geboren werden.

Damit die Gläubigen in ihrer Wahl nicht zu sehr beschränkt sind, gehl
das Gesetz so weit als möglich über die Grenze der von der englischen Sitte
verbotenen VeNvandtschastsgrade hinaus. Der Mormone darf Schwestern, zu
gleicher Zeit eine Mutter mit ihrer Tochter, ja selbst seine Stiefschwester heira-
then. Die erste Frau nur führt den Titel „Gattin" und den Namen des
Mannes, die spater „angesiegelten" Damen werden gewöhnlich nur Schwestern
genannt. Ehebruch soll wie unschuldig vergossenes Blut mit dem Tode be¬
straft werden. Scheidungen kommen selten vor. Die Wittwen des Propheten
hat dessen Nachfolger als Inventar des Amts in sein Harem zu übernehmen,
„gleichwie David die Frauen South zu sich nahm". Doch machte gleich die
Hauptfrau des ersten Propheten. Emma Smith, in diese Vorschrift ein Loch,
indem sie, statt sich dem Haushalt Brigham Yvungs einverleiben zu lassen,
vorzog, die Gemeinschaft der Mormonen zu verlassen und die Lebensgefährtin
eines „Heiden" zu werden, welcher den lockenden Namen Brideman führte.

Sehr wunderbar, aber nach mormonischen Grundsätzen nur folgerichtig
sind die Heirathen durch Stellvertretung, Abzweiger der jüdischen Levirathsehe
und der Prattschen Paradicseslehre. Es sind hier vorzüglich vier Fälle mög¬
lich: 1) ^Kö g'IM'MnA pr0X7, wo Jemand für diese Erde eine Frau heirathet,
welche früher einem Andern für die Ewigkeit „angesiegelt" und in dieser „geisti¬
gen Ehe" Wittwe geworden ist. Die Kinder, die aus der zweiten, nur zeit¬
weiligen Ehe hervorgehen, gehören dem ersten Mann, dem ihr Dasein mehr
Seligkeit lLlor^) verschafft, woher die Bezeichnung dieses Stellvcrtreterverhält-
nisses. 2) llro rtztroaetiviZ pr»x^, wo man sich zeitweil.ig mit Lebenden, aber
im Namen von Verstorbenen für die Ewigkeit verheirathet. Ein Beispiel da¬
für ist eine der Frauen des jetzigen Propheten N^ung, die von diesem zur
Gattin genommen wurde, damit sie im Jenseits zu den Königinnen des ver¬
storbenen Joe Smith gezählt werde. Auch bei dieser Art Ehe gehören die
Kinder dem Gatten in der Ewigkeit, nicht dein Stellvertreter derselben auf
Erden. 3) .substiwllvö prox?, eine Eheform, die vorzüglich für solche,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114903"/>
          <p xml:id="ID_131" prev="#ID_130"> blos erlaubt, sondern unter Androhung von Einbuße an der ewigen Seligkeit<lb/>
geboten ist. Der Mormone wird im Jenseits in dem Grade selig, als er<lb/>
eine zahlreiche Familie gegründet, viele Kinder hinterlassen hat, und um viele<lb/>
Kinder zu gewinnen, heirathet er möglichst viele Frauen. Nach dem Census<lb/>
von 1858 lebten diesen Grundsätzen in Utah nicht weniger als 3617 Männer<lb/>
nach, und zwar gab es deren mit sieben und mehr Frauen 387, deren mit<lb/>
fünf 730, deren mit vier 1100, deren mit mehr als einerund weniger als vier<lb/>
Frauen 1400. Wie viele Männer so wenig für ihr zukünftiges Heil thun, daß<lb/>
sie in Monogamie leben, ist nicht angegeben; dagegen wird bemerkt, daß &#x2014;<lb/>
vielleicht gerade in Folge der Polygamie &#x2014; im Mormonenland weit mehr<lb/>
Mädchen als Knaben geboren werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_132"> Damit die Gläubigen in ihrer Wahl nicht zu sehr beschränkt sind, gehl<lb/>
das Gesetz so weit als möglich über die Grenze der von der englischen Sitte<lb/>
verbotenen VeNvandtschastsgrade hinaus. Der Mormone darf Schwestern, zu<lb/>
gleicher Zeit eine Mutter mit ihrer Tochter, ja selbst seine Stiefschwester heira-<lb/>
then. Die erste Frau nur führt den Titel &#x201E;Gattin" und den Namen des<lb/>
Mannes, die spater &#x201E;angesiegelten" Damen werden gewöhnlich nur Schwestern<lb/>
genannt. Ehebruch soll wie unschuldig vergossenes Blut mit dem Tode be¬<lb/>
straft werden. Scheidungen kommen selten vor. Die Wittwen des Propheten<lb/>
hat dessen Nachfolger als Inventar des Amts in sein Harem zu übernehmen,<lb/>
&#x201E;gleichwie David die Frauen South zu sich nahm". Doch machte gleich die<lb/>
Hauptfrau des ersten Propheten. Emma Smith, in diese Vorschrift ein Loch,<lb/>
indem sie, statt sich dem Haushalt Brigham Yvungs einverleiben zu lassen,<lb/>
vorzog, die Gemeinschaft der Mormonen zu verlassen und die Lebensgefährtin<lb/>
eines &#x201E;Heiden" zu werden, welcher den lockenden Namen Brideman führte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_133" next="#ID_134"> Sehr wunderbar, aber nach mormonischen Grundsätzen nur folgerichtig<lb/>
sind die Heirathen durch Stellvertretung, Abzweiger der jüdischen Levirathsehe<lb/>
und der Prattschen Paradicseslehre. Es sind hier vorzüglich vier Fälle mög¬<lb/>
lich: 1) ^Kö g'IM'MnA pr0X7, wo Jemand für diese Erde eine Frau heirathet,<lb/>
welche früher einem Andern für die Ewigkeit &#x201E;angesiegelt" und in dieser &#x201E;geisti¬<lb/>
gen Ehe" Wittwe geworden ist. Die Kinder, die aus der zweiten, nur zeit¬<lb/>
weiligen Ehe hervorgehen, gehören dem ersten Mann, dem ihr Dasein mehr<lb/>
Seligkeit lLlor^) verschafft, woher die Bezeichnung dieses Stellvcrtreterverhält-<lb/>
nisses. 2) llro rtztroaetiviZ pr»x^, wo man sich zeitweil.ig mit Lebenden, aber<lb/>
im Namen von Verstorbenen für die Ewigkeit verheirathet. Ein Beispiel da¬<lb/>
für ist eine der Frauen des jetzigen Propheten N^ung, die von diesem zur<lb/>
Gattin genommen wurde, damit sie im Jenseits zu den Königinnen des ver¬<lb/>
storbenen Joe Smith gezählt werde. Auch bei dieser Art Ehe gehören die<lb/>
Kinder dem Gatten in der Ewigkeit, nicht dein Stellvertreter derselben auf<lb/>
Erden.  3)    .substiwllvö prox?, eine Eheform, die vorzüglich für solche,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0047] blos erlaubt, sondern unter Androhung von Einbuße an der ewigen Seligkeit geboten ist. Der Mormone wird im Jenseits in dem Grade selig, als er eine zahlreiche Familie gegründet, viele Kinder hinterlassen hat, und um viele Kinder zu gewinnen, heirathet er möglichst viele Frauen. Nach dem Census von 1858 lebten diesen Grundsätzen in Utah nicht weniger als 3617 Männer nach, und zwar gab es deren mit sieben und mehr Frauen 387, deren mit fünf 730, deren mit vier 1100, deren mit mehr als einerund weniger als vier Frauen 1400. Wie viele Männer so wenig für ihr zukünftiges Heil thun, daß sie in Monogamie leben, ist nicht angegeben; dagegen wird bemerkt, daß — vielleicht gerade in Folge der Polygamie — im Mormonenland weit mehr Mädchen als Knaben geboren werden. Damit die Gläubigen in ihrer Wahl nicht zu sehr beschränkt sind, gehl das Gesetz so weit als möglich über die Grenze der von der englischen Sitte verbotenen VeNvandtschastsgrade hinaus. Der Mormone darf Schwestern, zu gleicher Zeit eine Mutter mit ihrer Tochter, ja selbst seine Stiefschwester heira- then. Die erste Frau nur führt den Titel „Gattin" und den Namen des Mannes, die spater „angesiegelten" Damen werden gewöhnlich nur Schwestern genannt. Ehebruch soll wie unschuldig vergossenes Blut mit dem Tode be¬ straft werden. Scheidungen kommen selten vor. Die Wittwen des Propheten hat dessen Nachfolger als Inventar des Amts in sein Harem zu übernehmen, „gleichwie David die Frauen South zu sich nahm". Doch machte gleich die Hauptfrau des ersten Propheten. Emma Smith, in diese Vorschrift ein Loch, indem sie, statt sich dem Haushalt Brigham Yvungs einverleiben zu lassen, vorzog, die Gemeinschaft der Mormonen zu verlassen und die Lebensgefährtin eines „Heiden" zu werden, welcher den lockenden Namen Brideman führte. Sehr wunderbar, aber nach mormonischen Grundsätzen nur folgerichtig sind die Heirathen durch Stellvertretung, Abzweiger der jüdischen Levirathsehe und der Prattschen Paradicseslehre. Es sind hier vorzüglich vier Fälle mög¬ lich: 1) ^Kö g'IM'MnA pr0X7, wo Jemand für diese Erde eine Frau heirathet, welche früher einem Andern für die Ewigkeit „angesiegelt" und in dieser „geisti¬ gen Ehe" Wittwe geworden ist. Die Kinder, die aus der zweiten, nur zeit¬ weiligen Ehe hervorgehen, gehören dem ersten Mann, dem ihr Dasein mehr Seligkeit lLlor^) verschafft, woher die Bezeichnung dieses Stellvcrtreterverhält- nisses. 2) llro rtztroaetiviZ pr»x^, wo man sich zeitweil.ig mit Lebenden, aber im Namen von Verstorbenen für die Ewigkeit verheirathet. Ein Beispiel da¬ für ist eine der Frauen des jetzigen Propheten N^ung, die von diesem zur Gattin genommen wurde, damit sie im Jenseits zu den Königinnen des ver¬ storbenen Joe Smith gezählt werde. Auch bei dieser Art Ehe gehören die Kinder dem Gatten in der Ewigkeit, nicht dein Stellvertreter derselben auf Erden. 3) .substiwllvö prox?, eine Eheform, die vorzüglich für solche,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/47
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/47>, abgerufen am 14.05.2024.