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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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halte unter das Patriciat aufgenommen. Der Reichthum vieler Patricier-
samilien war schon im 14. Jahrhundert ein sehr bedeutender. Beweis dafür
ist z. B. die Summe von 22,677 Gulden (in Silber) *), welche Ulman Strömer
in den drei Jahren 1368. 1370 und 1394 für Häuserkäufe und Baukosten
verausgabt hat, die Aussteuer von 2666 Gulden, die er seiner Tochter gab,
wogegen deren Schwiegervater 6400 Gulden als Widerlage aussetzte; oder eine
Verordnung des Rathes aus dein Jahre 1428, welche verbot, für einen Rock
mehr als 3 Mark Silber -- 103 Gulden unseres Geldes zu verwenden.

So unbeanstandet den "Ehrbaren" ihre Ehrenvorrechte erhalten blieben,
so lebhaft lehnte sich schon in frühen Zeiten der untere Bürgerstand gegen ihr
Regierungsmonopol auf. Im Zusammenhange mit den Thronstreitigkeiten nach
dem Tode des bürgerfreundlichen Kaisers Ludwig des Bayern beraubte ein in
seinen Details wenig aufgeklärter Aufstand um Pfingsten 1348 die regierenden
"Ehrbaren" ihrer Gewalt. Der Sieg der luxemburgischen Partei, deren Geg.
ner Markgraf Ludwig von Brandenburg, Kaiser Ludwigs Sohn, mit in die
Bewegung gezogen worden war, rief jedoch bald eine Reaction hervor, die aber
die Alleinherrschaft der Patricier nicht mehr für immer in der alten Unbe-
schränktheit herzustellen vermochte. Freilich war es nur eine unbedeutende Con¬
cession an die demokratische Partei, daß (um das Ende des 14. Jahrhunderts,
das Jahr ist nicht genau zu bestimmen) acht Handwerker in den kleinen Rath
aufgenommen wurden, und sogar gegen diese fand man noch ein Gegengewicht
in acht "Alten Genannten", die wiederum von den Patriciern in den Rath ge¬
zogen wurden. Aber es war doch immerhin das Princip auch der zünftigen
Repräsentation gewahrt. -- Die Mitglieder dieses oligarchischen Rathes aber,
dessen Exclusivität durch eine höchst complicirte Wahlordnung gesichert war,
wußten stets die wichtigsten Aemter der Stadt in ihrem Kreise festzuhalten.
So bildeten sieben aus ihnen die sog. "Eltern Herren", einen geheimen Rath, "bei
welchem die Vorberathung aller wichtigen Angelegenheiten War", und aus
diesen wieder waren zwei (die "Losunger") die Vorstände der Finanzverwaltung,
währen ein dritter als der Stadt Kriegshauptmann erscheint.

Ueber das Kriegswesen, sind aus dem Ende des 14. Jahrhunderts,
aus der Zeit des ersten großen Städtekrieges werthvolle und interessante
Notizen erhalten. Im Kriege erscheinen zweierlei Bestandtheile des Heeres,
die Bürgerwehr und die Söldner. Die erste pflegte sich nur bei solchen
Ausmärschen zu beteiligen, welche sie nicht all zu weit von dem Ge¬
biete der Stadt entfernten, und selbst dann benutzte eine große Zahl von



') Ich gebe hier der Einfachheit halber in der Regel die Preise nach unserem heutigen
Geldwerthe an, will aber Jedermann, der sich dafür näher interesstrt, auf Hegels treffliche Ab¬
handlung über die Münzverhältnisse Nürnbergs (S. 224 ff.) verwiesen haben.

halte unter das Patriciat aufgenommen. Der Reichthum vieler Patricier-
samilien war schon im 14. Jahrhundert ein sehr bedeutender. Beweis dafür
ist z. B. die Summe von 22,677 Gulden (in Silber) *), welche Ulman Strömer
in den drei Jahren 1368. 1370 und 1394 für Häuserkäufe und Baukosten
verausgabt hat, die Aussteuer von 2666 Gulden, die er seiner Tochter gab,
wogegen deren Schwiegervater 6400 Gulden als Widerlage aussetzte; oder eine
Verordnung des Rathes aus dein Jahre 1428, welche verbot, für einen Rock
mehr als 3 Mark Silber — 103 Gulden unseres Geldes zu verwenden.

So unbeanstandet den „Ehrbaren" ihre Ehrenvorrechte erhalten blieben,
so lebhaft lehnte sich schon in frühen Zeiten der untere Bürgerstand gegen ihr
Regierungsmonopol auf. Im Zusammenhange mit den Thronstreitigkeiten nach
dem Tode des bürgerfreundlichen Kaisers Ludwig des Bayern beraubte ein in
seinen Details wenig aufgeklärter Aufstand um Pfingsten 1348 die regierenden
„Ehrbaren" ihrer Gewalt. Der Sieg der luxemburgischen Partei, deren Geg.
ner Markgraf Ludwig von Brandenburg, Kaiser Ludwigs Sohn, mit in die
Bewegung gezogen worden war, rief jedoch bald eine Reaction hervor, die aber
die Alleinherrschaft der Patricier nicht mehr für immer in der alten Unbe-
schränktheit herzustellen vermochte. Freilich war es nur eine unbedeutende Con¬
cession an die demokratische Partei, daß (um das Ende des 14. Jahrhunderts,
das Jahr ist nicht genau zu bestimmen) acht Handwerker in den kleinen Rath
aufgenommen wurden, und sogar gegen diese fand man noch ein Gegengewicht
in acht „Alten Genannten", die wiederum von den Patriciern in den Rath ge¬
zogen wurden. Aber es war doch immerhin das Princip auch der zünftigen
Repräsentation gewahrt. — Die Mitglieder dieses oligarchischen Rathes aber,
dessen Exclusivität durch eine höchst complicirte Wahlordnung gesichert war,
wußten stets die wichtigsten Aemter der Stadt in ihrem Kreise festzuhalten.
So bildeten sieben aus ihnen die sog. „Eltern Herren", einen geheimen Rath, „bei
welchem die Vorberathung aller wichtigen Angelegenheiten War", und aus
diesen wieder waren zwei (die „Losunger") die Vorstände der Finanzverwaltung,
währen ein dritter als der Stadt Kriegshauptmann erscheint.

Ueber das Kriegswesen, sind aus dem Ende des 14. Jahrhunderts,
aus der Zeit des ersten großen Städtekrieges werthvolle und interessante
Notizen erhalten. Im Kriege erscheinen zweierlei Bestandtheile des Heeres,
die Bürgerwehr und die Söldner. Die erste pflegte sich nur bei solchen
Ausmärschen zu beteiligen, welche sie nicht all zu weit von dem Ge¬
biete der Stadt entfernten, und selbst dann benutzte eine große Zahl von



') Ich gebe hier der Einfachheit halber in der Regel die Preise nach unserem heutigen
Geldwerthe an, will aber Jedermann, der sich dafür näher interesstrt, auf Hegels treffliche Ab¬
handlung über die Münzverhältnisse Nürnbergs (S. 224 ff.) verwiesen haben.
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[0504] halte unter das Patriciat aufgenommen. Der Reichthum vieler Patricier- samilien war schon im 14. Jahrhundert ein sehr bedeutender. Beweis dafür ist z. B. die Summe von 22,677 Gulden (in Silber) *), welche Ulman Strömer in den drei Jahren 1368. 1370 und 1394 für Häuserkäufe und Baukosten verausgabt hat, die Aussteuer von 2666 Gulden, die er seiner Tochter gab, wogegen deren Schwiegervater 6400 Gulden als Widerlage aussetzte; oder eine Verordnung des Rathes aus dein Jahre 1428, welche verbot, für einen Rock mehr als 3 Mark Silber — 103 Gulden unseres Geldes zu verwenden. So unbeanstandet den „Ehrbaren" ihre Ehrenvorrechte erhalten blieben, so lebhaft lehnte sich schon in frühen Zeiten der untere Bürgerstand gegen ihr Regierungsmonopol auf. Im Zusammenhange mit den Thronstreitigkeiten nach dem Tode des bürgerfreundlichen Kaisers Ludwig des Bayern beraubte ein in seinen Details wenig aufgeklärter Aufstand um Pfingsten 1348 die regierenden „Ehrbaren" ihrer Gewalt. Der Sieg der luxemburgischen Partei, deren Geg. ner Markgraf Ludwig von Brandenburg, Kaiser Ludwigs Sohn, mit in die Bewegung gezogen worden war, rief jedoch bald eine Reaction hervor, die aber die Alleinherrschaft der Patricier nicht mehr für immer in der alten Unbe- schränktheit herzustellen vermochte. Freilich war es nur eine unbedeutende Con¬ cession an die demokratische Partei, daß (um das Ende des 14. Jahrhunderts, das Jahr ist nicht genau zu bestimmen) acht Handwerker in den kleinen Rath aufgenommen wurden, und sogar gegen diese fand man noch ein Gegengewicht in acht „Alten Genannten", die wiederum von den Patriciern in den Rath ge¬ zogen wurden. Aber es war doch immerhin das Princip auch der zünftigen Repräsentation gewahrt. — Die Mitglieder dieses oligarchischen Rathes aber, dessen Exclusivität durch eine höchst complicirte Wahlordnung gesichert war, wußten stets die wichtigsten Aemter der Stadt in ihrem Kreise festzuhalten. So bildeten sieben aus ihnen die sog. „Eltern Herren", einen geheimen Rath, „bei welchem die Vorberathung aller wichtigen Angelegenheiten War", und aus diesen wieder waren zwei (die „Losunger") die Vorstände der Finanzverwaltung, währen ein dritter als der Stadt Kriegshauptmann erscheint. Ueber das Kriegswesen, sind aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, aus der Zeit des ersten großen Städtekrieges werthvolle und interessante Notizen erhalten. Im Kriege erscheinen zweierlei Bestandtheile des Heeres, die Bürgerwehr und die Söldner. Die erste pflegte sich nur bei solchen Ausmärschen zu beteiligen, welche sie nicht all zu weit von dem Ge¬ biete der Stadt entfernten, und selbst dann benutzte eine große Zahl von ') Ich gebe hier der Einfachheit halber in der Regel die Preise nach unserem heutigen Geldwerthe an, will aber Jedermann, der sich dafür näher interesstrt, auf Hegels treffliche Ab¬ handlung über die Münzverhältnisse Nürnbergs (S. 224 ff.) verwiesen haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/504>, abgerufen am 31.05.2024.