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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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kümmert sich gar nicht um Gedeihen und Entwicklung der Kunst, und die römi¬
schen Künstler aller Nationen haben ein sehr natürliches Interesse daran, alles
Hervorragende, was zu einem Vergleiche Veranlassung geben könnte, von ihrem
Markte fern zu halten. Weil nun der Kunst in Rom ein Concentrationspuntt
fehlt, weil sie nach allen Richtungen hin auseinandergeht, die Concurrenz aus¬
geschlossen und seit Jahrzehnten ihr kein leuchtender und leitender Stern auf¬
gegangen ist -- so kümmert sie im alten Schlendrian dahin und würde vielleicht
ganz ersterben, wenn es nicht gleichsam Tradition unter den Fremden wäre,
daß diejenigen, deren Kasse es irgend erschwingen kann, ein Bild aus der
Wiege der Kunst mit nach Hause bringen, um es im Salon aufzuhängen und
sagen zu können: "Auch ich war in Rom".

Es wird in Rom unendlich viel gemalt; denn es leben dem letzten statisti¬
schen Ausweise zu Folge gegen 800 Maler daselbst, und zu ihnen stellt Deutsch¬
land das respektabelste Contingent, respectabel nicht blos der Zahl, sondern
auch dem Rufe und der Leistungsfähigkeit nach. Auf diese 800 Maler kommen
jährlich 35,000 Fremde. Aber es sind schlechte magere Zeiten auch in Rom
"Li sono mAlksi, eng, sono quelli os-ttivi" sagen die Römer d. h. die in-
Zlssi (mit welchem Ausdruck überhaupt alle Fremde bezeichnet werden) sind
bedeutend zäher und gewitzigter mit ihrem Gelde geworden, vielleicht weil sie
finden, daß sie in der Heimath dieselbe Waare besser und billiger erstehen
können. Der bilderkaufenden, gut zahlenden und nicht feilschenden Fremden
sind jedenfalls weniger geworden. Da kömmt wohl noch zuweilen ein amen-
konischer Händler herüber und bestellt bei irgend einem seiner römischen Colle¬
ge" so und so viel hundert Gemälde von dieser oder jener Größe, Stück
für Stück zu diesem oder jenem Preise, in der Art wie man die Soldaten-
röcke bei dem Lieferanten in Commission gibt, und beide ziehen dann von
Atelier zu Atelier, wo sie wissen, daß irgend ein sich kümmerlich nährender
Kunstjünger sitzt, der genöthigt ist, seine Bilder g, tout piix loszuschlagen, um
seine Existenz im lieben Rom zu fristen.

Wie die eine Schwalbe, so macht dieser eine Amerikaner keinen Sommer,
aber er bewirkt, daß die Mittelmäßigkeit gedeiht, und daß auch das elendeste
Machwerk schließlich noch einen Käufer findet. Will man sich von dieser Wahr¬
heit überzeugen, so braucht man nur in die zahllosen Kunsthandlungen und
Trödlerboutiquen hineinzuschauen. Sie sind von oben bis unten gefüllt mit
ganz werthlosen modernen Bildern, die in Deutschland nimmermehr einen Käufer
fänden, und mit schlechten Kopien nach alten italienischen Meistern. Viele
dieser Kunsthändler haben in den Gallerien irgend einen berühmten Raphael,
Tizian, Romano ze. dadurch mit Beschlag belegt, daß sie einen Maler in ihrem
Solde halten, der Jahr aus Jahr ein nichts weiter thut, als dieses eine Bild
zu copiren, so daß er zuletzt eine große Virtuosität darin erreicht und den


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kümmert sich gar nicht um Gedeihen und Entwicklung der Kunst, und die römi¬
schen Künstler aller Nationen haben ein sehr natürliches Interesse daran, alles
Hervorragende, was zu einem Vergleiche Veranlassung geben könnte, von ihrem
Markte fern zu halten. Weil nun der Kunst in Rom ein Concentrationspuntt
fehlt, weil sie nach allen Richtungen hin auseinandergeht, die Concurrenz aus¬
geschlossen und seit Jahrzehnten ihr kein leuchtender und leitender Stern auf¬
gegangen ist — so kümmert sie im alten Schlendrian dahin und würde vielleicht
ganz ersterben, wenn es nicht gleichsam Tradition unter den Fremden wäre,
daß diejenigen, deren Kasse es irgend erschwingen kann, ein Bild aus der
Wiege der Kunst mit nach Hause bringen, um es im Salon aufzuhängen und
sagen zu können: „Auch ich war in Rom".

Es wird in Rom unendlich viel gemalt; denn es leben dem letzten statisti¬
schen Ausweise zu Folge gegen 800 Maler daselbst, und zu ihnen stellt Deutsch¬
land das respektabelste Contingent, respectabel nicht blos der Zahl, sondern
auch dem Rufe und der Leistungsfähigkeit nach. Auf diese 800 Maler kommen
jährlich 35,000 Fremde. Aber es sind schlechte magere Zeiten auch in Rom
„Li sono mAlksi, eng, sono quelli os-ttivi" sagen die Römer d. h. die in-
Zlssi (mit welchem Ausdruck überhaupt alle Fremde bezeichnet werden) sind
bedeutend zäher und gewitzigter mit ihrem Gelde geworden, vielleicht weil sie
finden, daß sie in der Heimath dieselbe Waare besser und billiger erstehen
können. Der bilderkaufenden, gut zahlenden und nicht feilschenden Fremden
sind jedenfalls weniger geworden. Da kömmt wohl noch zuweilen ein amen-
konischer Händler herüber und bestellt bei irgend einem seiner römischen Colle¬
ge» so und so viel hundert Gemälde von dieser oder jener Größe, Stück
für Stück zu diesem oder jenem Preise, in der Art wie man die Soldaten-
röcke bei dem Lieferanten in Commission gibt, und beide ziehen dann von
Atelier zu Atelier, wo sie wissen, daß irgend ein sich kümmerlich nährender
Kunstjünger sitzt, der genöthigt ist, seine Bilder g, tout piix loszuschlagen, um
seine Existenz im lieben Rom zu fristen.

Wie die eine Schwalbe, so macht dieser eine Amerikaner keinen Sommer,
aber er bewirkt, daß die Mittelmäßigkeit gedeiht, und daß auch das elendeste
Machwerk schließlich noch einen Käufer findet. Will man sich von dieser Wahr¬
heit überzeugen, so braucht man nur in die zahllosen Kunsthandlungen und
Trödlerboutiquen hineinzuschauen. Sie sind von oben bis unten gefüllt mit
ganz werthlosen modernen Bildern, die in Deutschland nimmermehr einen Käufer
fänden, und mit schlechten Kopien nach alten italienischen Meistern. Viele
dieser Kunsthändler haben in den Gallerien irgend einen berühmten Raphael,
Tizian, Romano ze. dadurch mit Beschlag belegt, daß sie einen Maler in ihrem
Solde halten, der Jahr aus Jahr ein nichts weiter thut, als dieses eine Bild
zu copiren, so daß er zuletzt eine große Virtuosität darin erreicht und den


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[0519] kümmert sich gar nicht um Gedeihen und Entwicklung der Kunst, und die römi¬ schen Künstler aller Nationen haben ein sehr natürliches Interesse daran, alles Hervorragende, was zu einem Vergleiche Veranlassung geben könnte, von ihrem Markte fern zu halten. Weil nun der Kunst in Rom ein Concentrationspuntt fehlt, weil sie nach allen Richtungen hin auseinandergeht, die Concurrenz aus¬ geschlossen und seit Jahrzehnten ihr kein leuchtender und leitender Stern auf¬ gegangen ist — so kümmert sie im alten Schlendrian dahin und würde vielleicht ganz ersterben, wenn es nicht gleichsam Tradition unter den Fremden wäre, daß diejenigen, deren Kasse es irgend erschwingen kann, ein Bild aus der Wiege der Kunst mit nach Hause bringen, um es im Salon aufzuhängen und sagen zu können: „Auch ich war in Rom". Es wird in Rom unendlich viel gemalt; denn es leben dem letzten statisti¬ schen Ausweise zu Folge gegen 800 Maler daselbst, und zu ihnen stellt Deutsch¬ land das respektabelste Contingent, respectabel nicht blos der Zahl, sondern auch dem Rufe und der Leistungsfähigkeit nach. Auf diese 800 Maler kommen jährlich 35,000 Fremde. Aber es sind schlechte magere Zeiten auch in Rom „Li sono mAlksi, eng, sono quelli os-ttivi" sagen die Römer d. h. die in- Zlssi (mit welchem Ausdruck überhaupt alle Fremde bezeichnet werden) sind bedeutend zäher und gewitzigter mit ihrem Gelde geworden, vielleicht weil sie finden, daß sie in der Heimath dieselbe Waare besser und billiger erstehen können. Der bilderkaufenden, gut zahlenden und nicht feilschenden Fremden sind jedenfalls weniger geworden. Da kömmt wohl noch zuweilen ein amen- konischer Händler herüber und bestellt bei irgend einem seiner römischen Colle¬ ge» so und so viel hundert Gemälde von dieser oder jener Größe, Stück für Stück zu diesem oder jenem Preise, in der Art wie man die Soldaten- röcke bei dem Lieferanten in Commission gibt, und beide ziehen dann von Atelier zu Atelier, wo sie wissen, daß irgend ein sich kümmerlich nährender Kunstjünger sitzt, der genöthigt ist, seine Bilder g, tout piix loszuschlagen, um seine Existenz im lieben Rom zu fristen. Wie die eine Schwalbe, so macht dieser eine Amerikaner keinen Sommer, aber er bewirkt, daß die Mittelmäßigkeit gedeiht, und daß auch das elendeste Machwerk schließlich noch einen Käufer findet. Will man sich von dieser Wahr¬ heit überzeugen, so braucht man nur in die zahllosen Kunsthandlungen und Trödlerboutiquen hineinzuschauen. Sie sind von oben bis unten gefüllt mit ganz werthlosen modernen Bildern, die in Deutschland nimmermehr einen Käufer fänden, und mit schlechten Kopien nach alten italienischen Meistern. Viele dieser Kunsthändler haben in den Gallerien irgend einen berühmten Raphael, Tizian, Romano ze. dadurch mit Beschlag belegt, daß sie einen Maler in ihrem Solde halten, der Jahr aus Jahr ein nichts weiter thut, als dieses eine Bild zu copiren, so daß er zuletzt eine große Virtuosität darin erreicht und den 64*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/519>, abgerufen am 15.05.2024.