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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Philopömen zugegen war, die ganze Festversammlung das Freiheitslied eines
Virtuosen auf den hochsinnigen Helden des achäischen Bundes bezog und unter
Beifallklatschen nach ihm hinblickte, so erhob sich das Publicum zu Olympia
von seinen Sitzen, als Themistokles nach der Schlacht bei Salamis im Stadium
erschien, schenkte ihm mehr Aufmerksamkeit als den Agonisten und zeigte ihn
unter Bewunderung und Beifallklatschen den anwesenden Fremden, so daß er
erfreut seinen Freunden gestand, er genieße nun die Frucht seiner Bemühungen
um Hellas. Auch Platon soll bei seinem Erscheinen in Olympia Aller Augen
auf sich gezogen und die schmeichelhaftesten Beweise der Gunst erhalten
haben. Andere benutzten die günstige Zeit, um aus der Dunkelheit zum
Ruhme emporzusteigen und producirten vor den Augen und Ohren der müßigen
Menge ihre Leistungen in Kunst und Wissenschaft. Besonders seit Ende des
fünften Jahrhunderts wurde es Sitte, in Olympia Reden und Gedichte zu re-
citiren. Bekannt ist, daß Herodot einen Theil seines Geschichtswerks hier vor¬
gelesen haben soll. Auch der berühmte Redekünstler Gorgias aus Sicilien er¬
mahnte in einer Prunkrede die im peloponnesischen Bruderkriege begriffenen
Hellenen zur Einigkeit gegen die Barbaren. Der eitle Sophist Hippias erbot
sich einst, über jedes beliebige Thema sofort sprechen und alle an ihn gestellte
Fragen beantworten zu wollen. Ja, um seine Befähigung zum Universalgenie
zu documentiren, behauptete er, daß er nicht blos Geometrie, Musik, Literatur,,
Poesie, Naturgeschichte, Ethik und Politik gründlich verstehe, sondern auch seinen
Ring, seinen Mantel, seine Schuhe eigenhändig verfertigt habe. Von Jsvkrates
und Dio Chrysostomus sind die in Olympia gehaltenen Festreden sogar noch vor¬
handen. Nach Athenäus trug der Rhapsode Kleomencs die Suhnungslieder
des Empedokles vor. Dionysius der Aeltere von Syrakus hatte die unglück¬
liche Idee, ein Dichter sein zu wollen, worin ihn natürlich seine Hofschranzen
bestärkten. Darum sendete er denn im Jahre 388 v. Chr. eine pompöse Fest-
gcsandtschaft zu den olympischen Spielen. Allein, obwohl er seine Verse in
des Aeschylus Schrcivtafel geschrieben hatte und obwohl die trefflichsten Dekla¬
matoren und Sänger sie vortrugen, so ermüdete doch endlich der geistlose In¬
halt die Zuhörer so, daß der gekrönte Dichter die Schimpflichste Verhöhnung
erntete. Als nun noch dazu die ungefärbter Gespanne im Hippodrom Fiasco
machten und endlich das Schiff mit den Theorem an der italischen Küste Schiff¬
bruch litt, behaupteten böse Zungen in Syrakus, die Gedichte des Tyrannen
hätten den Pferden, den Deklamatoren und dem Schiffe Unheil gebracht; am
Hofe aber hieß es natürlich: alles Schöne sei ein Gegenstand des Neith und
erst später der Bewunderung! Endlich fanden auch Wettstreite von Herolden
und Trompetern statt, wobei Preise ausgetheilt wurden, und Kaiser Nero
schämte sich nicht, sich trotz seiner schwachen Stimme als Schreier hören zu
lassen! Der merkwürdigste Trompeter der alten Zeit war wohl Herodoros aus


Philopömen zugegen war, die ganze Festversammlung das Freiheitslied eines
Virtuosen auf den hochsinnigen Helden des achäischen Bundes bezog und unter
Beifallklatschen nach ihm hinblickte, so erhob sich das Publicum zu Olympia
von seinen Sitzen, als Themistokles nach der Schlacht bei Salamis im Stadium
erschien, schenkte ihm mehr Aufmerksamkeit als den Agonisten und zeigte ihn
unter Bewunderung und Beifallklatschen den anwesenden Fremden, so daß er
erfreut seinen Freunden gestand, er genieße nun die Frucht seiner Bemühungen
um Hellas. Auch Platon soll bei seinem Erscheinen in Olympia Aller Augen
auf sich gezogen und die schmeichelhaftesten Beweise der Gunst erhalten
haben. Andere benutzten die günstige Zeit, um aus der Dunkelheit zum
Ruhme emporzusteigen und producirten vor den Augen und Ohren der müßigen
Menge ihre Leistungen in Kunst und Wissenschaft. Besonders seit Ende des
fünften Jahrhunderts wurde es Sitte, in Olympia Reden und Gedichte zu re-
citiren. Bekannt ist, daß Herodot einen Theil seines Geschichtswerks hier vor¬
gelesen haben soll. Auch der berühmte Redekünstler Gorgias aus Sicilien er¬
mahnte in einer Prunkrede die im peloponnesischen Bruderkriege begriffenen
Hellenen zur Einigkeit gegen die Barbaren. Der eitle Sophist Hippias erbot
sich einst, über jedes beliebige Thema sofort sprechen und alle an ihn gestellte
Fragen beantworten zu wollen. Ja, um seine Befähigung zum Universalgenie
zu documentiren, behauptete er, daß er nicht blos Geometrie, Musik, Literatur,,
Poesie, Naturgeschichte, Ethik und Politik gründlich verstehe, sondern auch seinen
Ring, seinen Mantel, seine Schuhe eigenhändig verfertigt habe. Von Jsvkrates
und Dio Chrysostomus sind die in Olympia gehaltenen Festreden sogar noch vor¬
handen. Nach Athenäus trug der Rhapsode Kleomencs die Suhnungslieder
des Empedokles vor. Dionysius der Aeltere von Syrakus hatte die unglück¬
liche Idee, ein Dichter sein zu wollen, worin ihn natürlich seine Hofschranzen
bestärkten. Darum sendete er denn im Jahre 388 v. Chr. eine pompöse Fest-
gcsandtschaft zu den olympischen Spielen. Allein, obwohl er seine Verse in
des Aeschylus Schrcivtafel geschrieben hatte und obwohl die trefflichsten Dekla¬
matoren und Sänger sie vortrugen, so ermüdete doch endlich der geistlose In¬
halt die Zuhörer so, daß der gekrönte Dichter die Schimpflichste Verhöhnung
erntete. Als nun noch dazu die ungefärbter Gespanne im Hippodrom Fiasco
machten und endlich das Schiff mit den Theorem an der italischen Küste Schiff¬
bruch litt, behaupteten böse Zungen in Syrakus, die Gedichte des Tyrannen
hätten den Pferden, den Deklamatoren und dem Schiffe Unheil gebracht; am
Hofe aber hieß es natürlich: alles Schöne sei ein Gegenstand des Neith und
erst später der Bewunderung! Endlich fanden auch Wettstreite von Herolden
und Trompetern statt, wobei Preise ausgetheilt wurden, und Kaiser Nero
schämte sich nicht, sich trotz seiner schwachen Stimme als Schreier hören zu
lassen! Der merkwürdigste Trompeter der alten Zeit war wohl Herodoros aus


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[0146] Philopömen zugegen war, die ganze Festversammlung das Freiheitslied eines Virtuosen auf den hochsinnigen Helden des achäischen Bundes bezog und unter Beifallklatschen nach ihm hinblickte, so erhob sich das Publicum zu Olympia von seinen Sitzen, als Themistokles nach der Schlacht bei Salamis im Stadium erschien, schenkte ihm mehr Aufmerksamkeit als den Agonisten und zeigte ihn unter Bewunderung und Beifallklatschen den anwesenden Fremden, so daß er erfreut seinen Freunden gestand, er genieße nun die Frucht seiner Bemühungen um Hellas. Auch Platon soll bei seinem Erscheinen in Olympia Aller Augen auf sich gezogen und die schmeichelhaftesten Beweise der Gunst erhalten haben. Andere benutzten die günstige Zeit, um aus der Dunkelheit zum Ruhme emporzusteigen und producirten vor den Augen und Ohren der müßigen Menge ihre Leistungen in Kunst und Wissenschaft. Besonders seit Ende des fünften Jahrhunderts wurde es Sitte, in Olympia Reden und Gedichte zu re- citiren. Bekannt ist, daß Herodot einen Theil seines Geschichtswerks hier vor¬ gelesen haben soll. Auch der berühmte Redekünstler Gorgias aus Sicilien er¬ mahnte in einer Prunkrede die im peloponnesischen Bruderkriege begriffenen Hellenen zur Einigkeit gegen die Barbaren. Der eitle Sophist Hippias erbot sich einst, über jedes beliebige Thema sofort sprechen und alle an ihn gestellte Fragen beantworten zu wollen. Ja, um seine Befähigung zum Universalgenie zu documentiren, behauptete er, daß er nicht blos Geometrie, Musik, Literatur,, Poesie, Naturgeschichte, Ethik und Politik gründlich verstehe, sondern auch seinen Ring, seinen Mantel, seine Schuhe eigenhändig verfertigt habe. Von Jsvkrates und Dio Chrysostomus sind die in Olympia gehaltenen Festreden sogar noch vor¬ handen. Nach Athenäus trug der Rhapsode Kleomencs die Suhnungslieder des Empedokles vor. Dionysius der Aeltere von Syrakus hatte die unglück¬ liche Idee, ein Dichter sein zu wollen, worin ihn natürlich seine Hofschranzen bestärkten. Darum sendete er denn im Jahre 388 v. Chr. eine pompöse Fest- gcsandtschaft zu den olympischen Spielen. Allein, obwohl er seine Verse in des Aeschylus Schrcivtafel geschrieben hatte und obwohl die trefflichsten Dekla¬ matoren und Sänger sie vortrugen, so ermüdete doch endlich der geistlose In¬ halt die Zuhörer so, daß der gekrönte Dichter die Schimpflichste Verhöhnung erntete. Als nun noch dazu die ungefärbter Gespanne im Hippodrom Fiasco machten und endlich das Schiff mit den Theorem an der italischen Küste Schiff¬ bruch litt, behaupteten böse Zungen in Syrakus, die Gedichte des Tyrannen hätten den Pferden, den Deklamatoren und dem Schiffe Unheil gebracht; am Hofe aber hieß es natürlich: alles Schöne sei ein Gegenstand des Neith und erst später der Bewunderung! Endlich fanden auch Wettstreite von Herolden und Trompetern statt, wobei Preise ausgetheilt wurden, und Kaiser Nero schämte sich nicht, sich trotz seiner schwachen Stimme als Schreier hören zu lassen! Der merkwürdigste Trompeter der alten Zeit war wohl Herodoros aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/146>, abgerufen am 29.05.2024.