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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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komische Dichter Timokles z. B. vergleicht in einem Fragmente bei Athenäus
die Parasiten oder Schmarotzer mit den Siegern, als Kostgängern an dieser
Staatstafel. Doch scheint es beinahe, als wären nur die Sieger des Hippo¬
droms hier gespeist worden, da Sokrates, der bekanntlich seinen Richtern gegen¬
über die Speisung im Prytaneion als Belohnung für seine Lebensweise bean¬
spruchte, ausdrücklich bei Platon sagt- "Ein solcher Mann ist viel mehr werth,
im Prytaneion beköstigt zu werden, als wenn Jemand von euch mit dem Renn¬
pferd oder dem Viergespann oder dem Zweigespann gesiegt hat!" Auch in der
römischen Kaiserzeit dauerten die Jahrgelder der Sieger fort, und ein Rescript
der Kaiser Diocletian und Maximian bestätigte noch Allen, die drei Kränze sich
erworben hätten, Freiheit von allen Staatsleistungen. Wahrscheinlich haben
diese Privilegien bis zur Einstellung der hellenischen großen Festspiele gegolten,
die im sechzehnten Regierungsjahre des .Kaisers Theodosius erfolgte.

Dem olympischen Feste kam an Bedeutung das pythische am nächsten.
Der Schauplatz desselben war die südwestlich von Delphi, dem'durch den Apollo¬
dienst, das Orakel und die Amphiktyonen so wichtigen Centralpunkte Griechen¬
lands, gelegene, dem Apollo geweihte, kahle krissäische Ebene. Außer dem Sta¬
dium, das hier tausend Fuß lang war, und dem Hippodrom gehörte das Theater
hier, wo auch musikalische Wettkämpfe stattfanden, speciell zu den Festräumlich¬
keiten. Demetrios Poliorkctes hielt einmal die pythischen Spiele in Athen,
weil die Aelpler die delphischen Pässe besetzt hielten. Stattliche Aufzüge, Fest-
schmciuse, Gesang und Tanz sind wie überall, so gewiß auch hier mit den
Hauptfesten des hochberühmten Tempels schon in uralter Zeit verbunden ge¬
wesen, und sicher hat die Sage Recht, welche den musikalischen Theil der Spiele
als den ältesten bezeichnet und aus dem Gesänge eines Festhymnus auf den
delphischen Gott, als Vorsteher der Muse", hervorgehen läßt. Vordem ersten
heiligen Kriege wurde das pythische Fest alle neun Jahre gefeiert; die delphische
Priesterschaft hatte dabei den Vorsitz, und es fand blos ein Wettstreit zwischen
Sängern statt, die sich selbst auf der Cither zu begleiten hatten. Dann nahm
aber der delphische Amphiktyoneubund die Leitung dieses Nationalfestes in die
Hand, verwandelte die Feier in eine im fünften Jahre wiederkehrende und
fügte das mit Gesang verbundene Flötenspiel, aber auch die üblichen gymni-
schen und ritterlichen Kämpfe hinzu. Die Feier siel stets in das dritte Olym-
piadenjahr und zwar wahrscheinlich in die Herbstzeit. Die Verkündigung des
Gottesfriedens ging auch hier voraus, und laut einer Inschrift mußten sich die
Festgcsandtschaftcn der zur Amphiktyonie gehörenden Staaten beinahe sechs Mo¬
nate vor dem heiligen in Delphi einfinden. Der thessalische Fürst Jason, der
um das Jahr 370 n. Chr. im Sinne hatte, die pythischen Spiele selbst zu leiten,
bestimmte jeder seiner Städte die Zahl der zu liefernden Opferthiere, setzte einen
goldnen Kranz als Prämie für den schönsten Stier aus und hoffte, nicht we-


komische Dichter Timokles z. B. vergleicht in einem Fragmente bei Athenäus
die Parasiten oder Schmarotzer mit den Siegern, als Kostgängern an dieser
Staatstafel. Doch scheint es beinahe, als wären nur die Sieger des Hippo¬
droms hier gespeist worden, da Sokrates, der bekanntlich seinen Richtern gegen¬
über die Speisung im Prytaneion als Belohnung für seine Lebensweise bean¬
spruchte, ausdrücklich bei Platon sagt- „Ein solcher Mann ist viel mehr werth,
im Prytaneion beköstigt zu werden, als wenn Jemand von euch mit dem Renn¬
pferd oder dem Viergespann oder dem Zweigespann gesiegt hat!" Auch in der
römischen Kaiserzeit dauerten die Jahrgelder der Sieger fort, und ein Rescript
der Kaiser Diocletian und Maximian bestätigte noch Allen, die drei Kränze sich
erworben hätten, Freiheit von allen Staatsleistungen. Wahrscheinlich haben
diese Privilegien bis zur Einstellung der hellenischen großen Festspiele gegolten,
die im sechzehnten Regierungsjahre des .Kaisers Theodosius erfolgte.

Dem olympischen Feste kam an Bedeutung das pythische am nächsten.
Der Schauplatz desselben war die südwestlich von Delphi, dem'durch den Apollo¬
dienst, das Orakel und die Amphiktyonen so wichtigen Centralpunkte Griechen¬
lands, gelegene, dem Apollo geweihte, kahle krissäische Ebene. Außer dem Sta¬
dium, das hier tausend Fuß lang war, und dem Hippodrom gehörte das Theater
hier, wo auch musikalische Wettkämpfe stattfanden, speciell zu den Festräumlich¬
keiten. Demetrios Poliorkctes hielt einmal die pythischen Spiele in Athen,
weil die Aelpler die delphischen Pässe besetzt hielten. Stattliche Aufzüge, Fest-
schmciuse, Gesang und Tanz sind wie überall, so gewiß auch hier mit den
Hauptfesten des hochberühmten Tempels schon in uralter Zeit verbunden ge¬
wesen, und sicher hat die Sage Recht, welche den musikalischen Theil der Spiele
als den ältesten bezeichnet und aus dem Gesänge eines Festhymnus auf den
delphischen Gott, als Vorsteher der Muse», hervorgehen läßt. Vordem ersten
heiligen Kriege wurde das pythische Fest alle neun Jahre gefeiert; die delphische
Priesterschaft hatte dabei den Vorsitz, und es fand blos ein Wettstreit zwischen
Sängern statt, die sich selbst auf der Cither zu begleiten hatten. Dann nahm
aber der delphische Amphiktyoneubund die Leitung dieses Nationalfestes in die
Hand, verwandelte die Feier in eine im fünften Jahre wiederkehrende und
fügte das mit Gesang verbundene Flötenspiel, aber auch die üblichen gymni-
schen und ritterlichen Kämpfe hinzu. Die Feier siel stets in das dritte Olym-
piadenjahr und zwar wahrscheinlich in die Herbstzeit. Die Verkündigung des
Gottesfriedens ging auch hier voraus, und laut einer Inschrift mußten sich die
Festgcsandtschaftcn der zur Amphiktyonie gehörenden Staaten beinahe sechs Mo¬
nate vor dem heiligen in Delphi einfinden. Der thessalische Fürst Jason, der
um das Jahr 370 n. Chr. im Sinne hatte, die pythischen Spiele selbst zu leiten,
bestimmte jeder seiner Städte die Zahl der zu liefernden Opferthiere, setzte einen
goldnen Kranz als Prämie für den schönsten Stier aus und hoffte, nicht we-


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[0150] komische Dichter Timokles z. B. vergleicht in einem Fragmente bei Athenäus die Parasiten oder Schmarotzer mit den Siegern, als Kostgängern an dieser Staatstafel. Doch scheint es beinahe, als wären nur die Sieger des Hippo¬ droms hier gespeist worden, da Sokrates, der bekanntlich seinen Richtern gegen¬ über die Speisung im Prytaneion als Belohnung für seine Lebensweise bean¬ spruchte, ausdrücklich bei Platon sagt- „Ein solcher Mann ist viel mehr werth, im Prytaneion beköstigt zu werden, als wenn Jemand von euch mit dem Renn¬ pferd oder dem Viergespann oder dem Zweigespann gesiegt hat!" Auch in der römischen Kaiserzeit dauerten die Jahrgelder der Sieger fort, und ein Rescript der Kaiser Diocletian und Maximian bestätigte noch Allen, die drei Kränze sich erworben hätten, Freiheit von allen Staatsleistungen. Wahrscheinlich haben diese Privilegien bis zur Einstellung der hellenischen großen Festspiele gegolten, die im sechzehnten Regierungsjahre des .Kaisers Theodosius erfolgte. Dem olympischen Feste kam an Bedeutung das pythische am nächsten. Der Schauplatz desselben war die südwestlich von Delphi, dem'durch den Apollo¬ dienst, das Orakel und die Amphiktyonen so wichtigen Centralpunkte Griechen¬ lands, gelegene, dem Apollo geweihte, kahle krissäische Ebene. Außer dem Sta¬ dium, das hier tausend Fuß lang war, und dem Hippodrom gehörte das Theater hier, wo auch musikalische Wettkämpfe stattfanden, speciell zu den Festräumlich¬ keiten. Demetrios Poliorkctes hielt einmal die pythischen Spiele in Athen, weil die Aelpler die delphischen Pässe besetzt hielten. Stattliche Aufzüge, Fest- schmciuse, Gesang und Tanz sind wie überall, so gewiß auch hier mit den Hauptfesten des hochberühmten Tempels schon in uralter Zeit verbunden ge¬ wesen, und sicher hat die Sage Recht, welche den musikalischen Theil der Spiele als den ältesten bezeichnet und aus dem Gesänge eines Festhymnus auf den delphischen Gott, als Vorsteher der Muse», hervorgehen läßt. Vordem ersten heiligen Kriege wurde das pythische Fest alle neun Jahre gefeiert; die delphische Priesterschaft hatte dabei den Vorsitz, und es fand blos ein Wettstreit zwischen Sängern statt, die sich selbst auf der Cither zu begleiten hatten. Dann nahm aber der delphische Amphiktyoneubund die Leitung dieses Nationalfestes in die Hand, verwandelte die Feier in eine im fünften Jahre wiederkehrende und fügte das mit Gesang verbundene Flötenspiel, aber auch die üblichen gymni- schen und ritterlichen Kämpfe hinzu. Die Feier siel stets in das dritte Olym- piadenjahr und zwar wahrscheinlich in die Herbstzeit. Die Verkündigung des Gottesfriedens ging auch hier voraus, und laut einer Inschrift mußten sich die Festgcsandtschaftcn der zur Amphiktyonie gehörenden Staaten beinahe sechs Mo¬ nate vor dem heiligen in Delphi einfinden. Der thessalische Fürst Jason, der um das Jahr 370 n. Chr. im Sinne hatte, die pythischen Spiele selbst zu leiten, bestimmte jeder seiner Städte die Zahl der zu liefernden Opferthiere, setzte einen goldnen Kranz als Prämie für den schönsten Stier aus und hoffte, nicht we-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/150>, abgerufen am 31.05.2024.