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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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nun der geputzte, strahlende Tarentiner begann, brach das Publicum in ein
schallendes Gelächter aus, weil er mit dünner und ungehobelter Stimme sang
und bei den ersten Griffen drei Saiten zersprengte, und die Kampfrichter lie¬
ßen ihn mit Ruthen hinauspeitschen. Der Elecr Eumelos, dessen Instrument
alt und mit hölzernen Wirbeln versehen, dessen Kleidung sammt dem Kranze
kaum zehn Drachmen werth war, gewann dann den Sieg. Der Gesang mit
Flötenbegleitung wurde sehr bald wieder abgeschafft, weil er den Kampfordnern
zu elegisch und traurig zu sein dünkte. Außerdem ließen sich aber später Kithar-
spieler und Flötisten ohne Gesang hören. Den Flötenspielern wurde dabei zur
Bedingung gemacht, eine eigene, nach einem voraus bestimmten Schema ge¬
arbeitete Composition zu liefern, welche nach Strabo den.Kampf Apollos
mit dem Drachen Python zum Vorwurf hatte und aus fünf Theilen bestand,
nämlich dem Vorspiel, dem Angriffe, der Aufmunterung, der Schmähung, dem
.daktylischen Siegeslied und dem Zischen des vererdenden Drachen. Man
sieht also, daß die epische Tonmalerei der modernen Musik keinen Anspruch auf
Neuheit der Erfindung hat! Die gymnischen Kampfarten und das Wettrennen
der Rosse wurden wie in Olympia zur Aufführung gebracht, und wie dort gin¬
gen den Kämpfen der Männer stets die der Knaben voraus. Später fügte
man zu den musikalischen Wettkämpfen auch poetische hinzu. Aber man bereute
es; denn, wie Plutarch sagt, drängten sich nun, wie durch ein geöffnetes Thor,
Ohrenweiden aller Art zu, und die Kampfrichter kamen in mannigfache Ver¬
legenheiten und zogen sich Viele Feindschaften zu, besonders von den Schrift¬
stellern zweiten Rangs, die immer auf Abschaffung dieser Concurrenz drangen,
weil sie die Koryphäen ihrer Kunst beneideten und selbst am Siege verzweifel¬
ten. Die Sieger erhielten sofort den symbolischen Palmzweig, wie auch bei
den isthmischen und nemeischen Spielen und später Lorbeerkränze, deren Zweige
ein Knabe unter Flötenspiel aus dem berühmten Thal Tempe holte. In der
späteren Zeit werden auch Aepfel von den dem Gotte geheiligten Bäumen als
Preise erwähnt.

Die nemeischen und isthmischen Spiele wurden in so geringer örtlicher
Entfernung von einander gefeiert, daß ein guter Fußgänger bequem von dem
einen Schauplatze den andern erreichen konnte. Das Thal Nemea, wo Argos
die Jo bewacht, Herakles den Löwen erlegt haben sollte, lag südwestlich von
Korinth in der Landschaft Argolis. In einem Cypresscnhaine, der auch einen
Tempel des nemeischen Zeus in sich schloß, fand das Fest statt. Die Geschichte
desselben bis in die Sagenzcit zurückzuverfolgen, ist von geringem Interesse.
Die Wettkämpfe entwickelten sich hier ebenfalls aus einer rein religiösen Fest¬
feier; aber erst spät, um 300 v. Chr. gelangten die Neuem als Nationalfest
zu allgemeiner Anerkennung. Sie kehrten, wie die Jsthmien, alle zwei Jahre
wieder und wurden abwechselnd im Frühjahr und Herbst oder Winter ab-


nun der geputzte, strahlende Tarentiner begann, brach das Publicum in ein
schallendes Gelächter aus, weil er mit dünner und ungehobelter Stimme sang
und bei den ersten Griffen drei Saiten zersprengte, und die Kampfrichter lie¬
ßen ihn mit Ruthen hinauspeitschen. Der Elecr Eumelos, dessen Instrument
alt und mit hölzernen Wirbeln versehen, dessen Kleidung sammt dem Kranze
kaum zehn Drachmen werth war, gewann dann den Sieg. Der Gesang mit
Flötenbegleitung wurde sehr bald wieder abgeschafft, weil er den Kampfordnern
zu elegisch und traurig zu sein dünkte. Außerdem ließen sich aber später Kithar-
spieler und Flötisten ohne Gesang hören. Den Flötenspielern wurde dabei zur
Bedingung gemacht, eine eigene, nach einem voraus bestimmten Schema ge¬
arbeitete Composition zu liefern, welche nach Strabo den.Kampf Apollos
mit dem Drachen Python zum Vorwurf hatte und aus fünf Theilen bestand,
nämlich dem Vorspiel, dem Angriffe, der Aufmunterung, der Schmähung, dem
.daktylischen Siegeslied und dem Zischen des vererdenden Drachen. Man
sieht also, daß die epische Tonmalerei der modernen Musik keinen Anspruch auf
Neuheit der Erfindung hat! Die gymnischen Kampfarten und das Wettrennen
der Rosse wurden wie in Olympia zur Aufführung gebracht, und wie dort gin¬
gen den Kämpfen der Männer stets die der Knaben voraus. Später fügte
man zu den musikalischen Wettkämpfen auch poetische hinzu. Aber man bereute
es; denn, wie Plutarch sagt, drängten sich nun, wie durch ein geöffnetes Thor,
Ohrenweiden aller Art zu, und die Kampfrichter kamen in mannigfache Ver¬
legenheiten und zogen sich Viele Feindschaften zu, besonders von den Schrift¬
stellern zweiten Rangs, die immer auf Abschaffung dieser Concurrenz drangen,
weil sie die Koryphäen ihrer Kunst beneideten und selbst am Siege verzweifel¬
ten. Die Sieger erhielten sofort den symbolischen Palmzweig, wie auch bei
den isthmischen und nemeischen Spielen und später Lorbeerkränze, deren Zweige
ein Knabe unter Flötenspiel aus dem berühmten Thal Tempe holte. In der
späteren Zeit werden auch Aepfel von den dem Gotte geheiligten Bäumen als
Preise erwähnt.

Die nemeischen und isthmischen Spiele wurden in so geringer örtlicher
Entfernung von einander gefeiert, daß ein guter Fußgänger bequem von dem
einen Schauplatze den andern erreichen konnte. Das Thal Nemea, wo Argos
die Jo bewacht, Herakles den Löwen erlegt haben sollte, lag südwestlich von
Korinth in der Landschaft Argolis. In einem Cypresscnhaine, der auch einen
Tempel des nemeischen Zeus in sich schloß, fand das Fest statt. Die Geschichte
desselben bis in die Sagenzcit zurückzuverfolgen, ist von geringem Interesse.
Die Wettkämpfe entwickelten sich hier ebenfalls aus einer rein religiösen Fest¬
feier; aber erst spät, um 300 v. Chr. gelangten die Neuem als Nationalfest
zu allgemeiner Anerkennung. Sie kehrten, wie die Jsthmien, alle zwei Jahre
wieder und wurden abwechselnd im Frühjahr und Herbst oder Winter ab-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/152>, abgerufen am 31.05.2024.