Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bevölkerung mit Wärme vertreten zu haben; sonst konnte man ihr den Vor¬
wurf machen, daß sie weder politische Farbe hielt, noch auf das gewerbliche,
commercielle. literarische Leben der Provinz einen Einfluß übte, wie er z. B.
von der Schlesischen Zeitung ausgeht. Wiederholter Redactionswechsel besserte
wenig. Erst im vorigen Jahre constituirte sich ein Redactionsbureau, zu dem
wir wohl das Vertrauen haben konnten, daß es die Zeitung zu heben im
Stande sei, und die ersten Monate des Wetteifers mit der Ostdeutschen recht¬
fertigten dasselbe. Hoffentlich werden auch solche Wolken des Streites vorbei¬
ziehen, und die Herren werden sich sagen, daß es außer der nationalen Er¬
regung noch Gegenstände genug gebe, denen sie Fleiß und Aufmerksamkeit
schuldig sind und daß sie den Kampf mit ihren Nebenbuhlern am besten zum
Ausdrucke bringen, wenn sie ihren Weg mit treuer Hingebung Verfolger.

Die Ostdeutsche Zeitung war ursprünglich nur in der Absicht gegründet,
ein unabhängiges deutsches Organ zu sein. Sie sollte dabei besonders volks-
wirthschaftlichen wie wissenschaftlichen Interessen dienen und versprach sich viel
von Gottschalks Redaction. Der gelehrte Dichter mußte sich bald selbst über¬
zeugen, daß man bei sehr vielen Gaben doch immer der einen ermangeln könne,
ein tüchtiger Redacteur zu sein. Mannigfachen Einflüssen hingegeben, viel le¬
bendiger für seine Studien als für seine Zeitung interessirt. in Verhältnisse
versetzt, die ihm ganz neu waren, berufen, um der Lehrer. Leiter einer ihm frem¬
den Bevölkerung zu werden, brachte er seinen kleinen Nachen bald in falsches Fahr¬
wasser, und wenn er es auch anderen Händen, als die es jetzt leiten, übergeben
hätte, so würde es ihnen schwer geworden sein, etwas Ordentliches zu schaffen.
Um sich von der Posener zu unterscheiden, mußte die Ostdeutsche eine andere
Richtung einschlagen als sie -- so fiel sie weiter nach links und nahm eine
andere Stellung zur Nationalfrage. In dieser Hinsicht hat sie die deutsche Be¬
völkerung oft schwer verletzt, hat sie dazu beigetragen, die Solidarität derselben
zu zerreißen und uns zu einer Zeit, wo wir miteinander friedlich bauen sollen,
daran erinnert, daß wir, anderswohin gestellt, wider einander auftreten würden.
Sie hat dabei vergessen, daß die Vertretung der politischen Partei für die Pro-
vinzialzeitung stets' das Secundäre ist. Die großen Blätter der einzelnen Par¬
teien werden diese stets leiten und sollen auch nicht durch die kleinen verdrängt
werden, die -- doch wo komme ich hin? Nur das Provinziale interessirt
Sie ja.

In Bezug auf dieses könnte ich Ihnen noch erzählen, daß unsere Provin-
zialbehörden das Werk des Friedens über unseren Unruhen nicht vergessen.
Man wendet namentlich der Schule Theilnahme zu. Ich habe die Sache schon
früher einmal berührt. Bei der praktischen Toleranz der Polen, welche nicht
gerade von Jesuiten oder anderen kirchlichen Fanatikern verführt sind und bei
ihrer hohen Meinung von deutscher Intelligenz haben sie die Simultanschule


Bevölkerung mit Wärme vertreten zu haben; sonst konnte man ihr den Vor¬
wurf machen, daß sie weder politische Farbe hielt, noch auf das gewerbliche,
commercielle. literarische Leben der Provinz einen Einfluß übte, wie er z. B.
von der Schlesischen Zeitung ausgeht. Wiederholter Redactionswechsel besserte
wenig. Erst im vorigen Jahre constituirte sich ein Redactionsbureau, zu dem
wir wohl das Vertrauen haben konnten, daß es die Zeitung zu heben im
Stande sei, und die ersten Monate des Wetteifers mit der Ostdeutschen recht¬
fertigten dasselbe. Hoffentlich werden auch solche Wolken des Streites vorbei¬
ziehen, und die Herren werden sich sagen, daß es außer der nationalen Er¬
regung noch Gegenstände genug gebe, denen sie Fleiß und Aufmerksamkeit
schuldig sind und daß sie den Kampf mit ihren Nebenbuhlern am besten zum
Ausdrucke bringen, wenn sie ihren Weg mit treuer Hingebung Verfolger.

Die Ostdeutsche Zeitung war ursprünglich nur in der Absicht gegründet,
ein unabhängiges deutsches Organ zu sein. Sie sollte dabei besonders volks-
wirthschaftlichen wie wissenschaftlichen Interessen dienen und versprach sich viel
von Gottschalks Redaction. Der gelehrte Dichter mußte sich bald selbst über¬
zeugen, daß man bei sehr vielen Gaben doch immer der einen ermangeln könne,
ein tüchtiger Redacteur zu sein. Mannigfachen Einflüssen hingegeben, viel le¬
bendiger für seine Studien als für seine Zeitung interessirt. in Verhältnisse
versetzt, die ihm ganz neu waren, berufen, um der Lehrer. Leiter einer ihm frem¬
den Bevölkerung zu werden, brachte er seinen kleinen Nachen bald in falsches Fahr¬
wasser, und wenn er es auch anderen Händen, als die es jetzt leiten, übergeben
hätte, so würde es ihnen schwer geworden sein, etwas Ordentliches zu schaffen.
Um sich von der Posener zu unterscheiden, mußte die Ostdeutsche eine andere
Richtung einschlagen als sie — so fiel sie weiter nach links und nahm eine
andere Stellung zur Nationalfrage. In dieser Hinsicht hat sie die deutsche Be¬
völkerung oft schwer verletzt, hat sie dazu beigetragen, die Solidarität derselben
zu zerreißen und uns zu einer Zeit, wo wir miteinander friedlich bauen sollen,
daran erinnert, daß wir, anderswohin gestellt, wider einander auftreten würden.
Sie hat dabei vergessen, daß die Vertretung der politischen Partei für die Pro-
vinzialzeitung stets' das Secundäre ist. Die großen Blätter der einzelnen Par¬
teien werden diese stets leiten und sollen auch nicht durch die kleinen verdrängt
werden, die — doch wo komme ich hin? Nur das Provinziale interessirt
Sie ja.

In Bezug auf dieses könnte ich Ihnen noch erzählen, daß unsere Provin-
zialbehörden das Werk des Friedens über unseren Unruhen nicht vergessen.
Man wendet namentlich der Schule Theilnahme zu. Ich habe die Sache schon
früher einmal berührt. Bei der praktischen Toleranz der Polen, welche nicht
gerade von Jesuiten oder anderen kirchlichen Fanatikern verführt sind und bei
ihrer hohen Meinung von deutscher Intelligenz haben sie die Simultanschule


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115629"/>
          <p xml:id="ID_651" prev="#ID_650"> Bevölkerung mit Wärme vertreten zu haben; sonst konnte man ihr den Vor¬<lb/>
wurf machen, daß sie weder politische Farbe hielt, noch auf das gewerbliche,<lb/>
commercielle. literarische Leben der Provinz einen Einfluß übte, wie er z. B.<lb/>
von der Schlesischen Zeitung ausgeht. Wiederholter Redactionswechsel besserte<lb/>
wenig. Erst im vorigen Jahre constituirte sich ein Redactionsbureau, zu dem<lb/>
wir wohl das Vertrauen haben konnten, daß es die Zeitung zu heben im<lb/>
Stande sei, und die ersten Monate des Wetteifers mit der Ostdeutschen recht¬<lb/>
fertigten dasselbe. Hoffentlich werden auch solche Wolken des Streites vorbei¬<lb/>
ziehen, und die Herren werden sich sagen, daß es außer der nationalen Er¬<lb/>
regung noch Gegenstände genug gebe, denen sie Fleiß und Aufmerksamkeit<lb/>
schuldig sind und daß sie den Kampf mit ihren Nebenbuhlern am besten zum<lb/>
Ausdrucke bringen, wenn sie ihren Weg mit treuer Hingebung Verfolger.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_652"> Die Ostdeutsche Zeitung war ursprünglich nur in der Absicht gegründet,<lb/>
ein unabhängiges deutsches Organ zu sein. Sie sollte dabei besonders volks-<lb/>
wirthschaftlichen wie wissenschaftlichen Interessen dienen und versprach sich viel<lb/>
von Gottschalks Redaction. Der gelehrte Dichter mußte sich bald selbst über¬<lb/>
zeugen, daß man bei sehr vielen Gaben doch immer der einen ermangeln könne,<lb/>
ein tüchtiger Redacteur zu sein. Mannigfachen Einflüssen hingegeben, viel le¬<lb/>
bendiger für seine Studien als für seine Zeitung interessirt. in Verhältnisse<lb/>
versetzt, die ihm ganz neu waren, berufen, um der Lehrer. Leiter einer ihm frem¬<lb/>
den Bevölkerung zu werden, brachte er seinen kleinen Nachen bald in falsches Fahr¬<lb/>
wasser, und wenn er es auch anderen Händen, als die es jetzt leiten, übergeben<lb/>
hätte, so würde es ihnen schwer geworden sein, etwas Ordentliches zu schaffen.<lb/>
Um sich von der Posener zu unterscheiden, mußte die Ostdeutsche eine andere<lb/>
Richtung einschlagen als sie &#x2014; so fiel sie weiter nach links und nahm eine<lb/>
andere Stellung zur Nationalfrage. In dieser Hinsicht hat sie die deutsche Be¬<lb/>
völkerung oft schwer verletzt, hat sie dazu beigetragen, die Solidarität derselben<lb/>
zu zerreißen und uns zu einer Zeit, wo wir miteinander friedlich bauen sollen,<lb/>
daran erinnert, daß wir, anderswohin gestellt, wider einander auftreten würden.<lb/>
Sie hat dabei vergessen, daß die Vertretung der politischen Partei für die Pro-<lb/>
vinzialzeitung stets' das Secundäre ist. Die großen Blätter der einzelnen Par¬<lb/>
teien werden diese stets leiten und sollen auch nicht durch die kleinen verdrängt<lb/>
werden, die &#x2014; doch wo komme ich hin? Nur das Provinziale interessirt<lb/>
Sie ja.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_653" next="#ID_654"> In Bezug auf dieses könnte ich Ihnen noch erzählen, daß unsere Provin-<lb/>
zialbehörden das Werk des Friedens über unseren Unruhen nicht vergessen.<lb/>
Man wendet namentlich der Schule Theilnahme zu. Ich habe die Sache schon<lb/>
früher einmal berührt. Bei der praktischen Toleranz der Polen, welche nicht<lb/>
gerade von Jesuiten oder anderen kirchlichen Fanatikern verführt sind und bei<lb/>
ihrer hohen Meinung von deutscher Intelligenz haben sie die Simultanschule</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0239] Bevölkerung mit Wärme vertreten zu haben; sonst konnte man ihr den Vor¬ wurf machen, daß sie weder politische Farbe hielt, noch auf das gewerbliche, commercielle. literarische Leben der Provinz einen Einfluß übte, wie er z. B. von der Schlesischen Zeitung ausgeht. Wiederholter Redactionswechsel besserte wenig. Erst im vorigen Jahre constituirte sich ein Redactionsbureau, zu dem wir wohl das Vertrauen haben konnten, daß es die Zeitung zu heben im Stande sei, und die ersten Monate des Wetteifers mit der Ostdeutschen recht¬ fertigten dasselbe. Hoffentlich werden auch solche Wolken des Streites vorbei¬ ziehen, und die Herren werden sich sagen, daß es außer der nationalen Er¬ regung noch Gegenstände genug gebe, denen sie Fleiß und Aufmerksamkeit schuldig sind und daß sie den Kampf mit ihren Nebenbuhlern am besten zum Ausdrucke bringen, wenn sie ihren Weg mit treuer Hingebung Verfolger. Die Ostdeutsche Zeitung war ursprünglich nur in der Absicht gegründet, ein unabhängiges deutsches Organ zu sein. Sie sollte dabei besonders volks- wirthschaftlichen wie wissenschaftlichen Interessen dienen und versprach sich viel von Gottschalks Redaction. Der gelehrte Dichter mußte sich bald selbst über¬ zeugen, daß man bei sehr vielen Gaben doch immer der einen ermangeln könne, ein tüchtiger Redacteur zu sein. Mannigfachen Einflüssen hingegeben, viel le¬ bendiger für seine Studien als für seine Zeitung interessirt. in Verhältnisse versetzt, die ihm ganz neu waren, berufen, um der Lehrer. Leiter einer ihm frem¬ den Bevölkerung zu werden, brachte er seinen kleinen Nachen bald in falsches Fahr¬ wasser, und wenn er es auch anderen Händen, als die es jetzt leiten, übergeben hätte, so würde es ihnen schwer geworden sein, etwas Ordentliches zu schaffen. Um sich von der Posener zu unterscheiden, mußte die Ostdeutsche eine andere Richtung einschlagen als sie — so fiel sie weiter nach links und nahm eine andere Stellung zur Nationalfrage. In dieser Hinsicht hat sie die deutsche Be¬ völkerung oft schwer verletzt, hat sie dazu beigetragen, die Solidarität derselben zu zerreißen und uns zu einer Zeit, wo wir miteinander friedlich bauen sollen, daran erinnert, daß wir, anderswohin gestellt, wider einander auftreten würden. Sie hat dabei vergessen, daß die Vertretung der politischen Partei für die Pro- vinzialzeitung stets' das Secundäre ist. Die großen Blätter der einzelnen Par¬ teien werden diese stets leiten und sollen auch nicht durch die kleinen verdrängt werden, die — doch wo komme ich hin? Nur das Provinziale interessirt Sie ja. In Bezug auf dieses könnte ich Ihnen noch erzählen, daß unsere Provin- zialbehörden das Werk des Friedens über unseren Unruhen nicht vergessen. Man wendet namentlich der Schule Theilnahme zu. Ich habe die Sache schon früher einmal berührt. Bei der praktischen Toleranz der Polen, welche nicht gerade von Jesuiten oder anderen kirchlichen Fanatikern verführt sind und bei ihrer hohen Meinung von deutscher Intelligenz haben sie die Simultanschule

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/239
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/239>, abgerufen am 17.06.2024.