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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Wer als klarer Weise den Gegenstand seiner Untersuchung im Allgemeinen, gibt
dann die Schriften an, die-denselben behandeln, und geht hierauf zu specieller Be¬
trachtung der deutschen Ortsnamen nach ihren Grundwörtern und ihren Bestim¬
mungswörtern über, die ihn zu einer großen Anzahl der interessantesten Resultate
führen. Die drei folgenden Abschnitte besprechen Zusammensetzung. Ellipse, Dif-
ferenzirung und Suffixe unserer Ortsnamen. Die beiden ferneren handeln von
denselben im Raume und in der Zeit. El" weiteres Capitel beantwortet die Frage,
was von den deutschen Ortsnamen aus deutscher oder fremder Sprache stammt.
Ein Schlußcapitcl endlich weist auf die Aufgaben hin, welche sick Freunde solcher
Untersuchungen für die nächste Zukunft zu stellen haben. Indem wir uns vorbe¬
halten, aus dem sehr dankenswerthen und reichhaltigen Buche demnächst einen Aus¬
zug zu geben, beschränken wir uns für jetzt auf kurze Verzeichnung jener Aufgaben.
Sie bestehen vor Allem in Sammlungen deutscher Ortsnamen, welche das im zwei¬
ten Bande des "Altdeutschen Namenbuchs" gelieferte Verzeichnis; über das Jahr 1100
hinaus, aber bei der Größe der Aufgabe nur etwa bis zum Jahr 1500, mit den
in dieser Periode auftretenden neuen Namen fortsetzen. Das Nächste sind Samm¬
lungen aus dem Gebiet der verwandten angelsächsischen und skandinavischen Stämme,
dann auf dem der baltischen und keltischen Ortsnamen, wobei auf dem der letzteren
mit Behutsamkeit zu verfahren und nur das zu verzeichnen sein wird, was mit einiger
Sicherheit als keltisch erkannt worden ist. Nächst dem Sammeln empfiehlt der
Verfasser vor Allem Reinigung der urkundlich überlieferten Formen von Verderb¬
nissen, welche den Abschriften und Ausgaben in hohem Grade änliche"; dann, was
hiermit unlöslich zusammenhängt, die möglichst genaue Bestimmung der Oerter
nach ihrer geographischen Lage. Endlich weist er auf Monographien hin, für die
er die Verbreitung einzelner Grundwörter nach Raum^ und Zeit, deren Formenver¬
änderungen, deren Bcdeutungswcchsel, dann die in den Straßennamen unsrer Städte
vorkommenden Wörter, die ein bestimmtes Handwerk bezeichnen, die Kulturpflanzen,
für deren Anbau die Ortsnamen historische Zeugnisse liefern, als besonders passende
Themata bezeichnet. In allen diesen Dingen ist noch eine reiche Quelle der Erkennt¬
niß für die Sprachwissenschaft und zugleich für die Geschichte vorhanden; denn die
Sprache ist die lauterste Urkunde der Geschichte des Menschengeschlechts, und wie es
der Wissenschaft gelungen ist, durch die Theorie der Störungen die Planeten zu
wägen und durch die Spektralanalyse Stoffe zu bestimmen, aus denen d" Sonnen¬
körper besteht, so wird auch einst der Reflex ältester Sprach- und Völkerverhältnisse,
der in den Ortsnamen vorliegt, wesentlich dazu dienen, auf Zeiten ein Licht zu
werfen, aus denen kein beschriebnes Blatt, kein in den Fels gcgrabncs Zeichen zu
uns herüberreicht.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Wer als klarer Weise den Gegenstand seiner Untersuchung im Allgemeinen, gibt
dann die Schriften an, die-denselben behandeln, und geht hierauf zu specieller Be¬
trachtung der deutschen Ortsnamen nach ihren Grundwörtern und ihren Bestim¬
mungswörtern über, die ihn zu einer großen Anzahl der interessantesten Resultate
führen. Die drei folgenden Abschnitte besprechen Zusammensetzung. Ellipse, Dif-
ferenzirung und Suffixe unserer Ortsnamen. Die beiden ferneren handeln von
denselben im Raume und in der Zeit. El» weiteres Capitel beantwortet die Frage,
was von den deutschen Ortsnamen aus deutscher oder fremder Sprache stammt.
Ein Schlußcapitcl endlich weist auf die Aufgaben hin, welche sick Freunde solcher
Untersuchungen für die nächste Zukunft zu stellen haben. Indem wir uns vorbe¬
halten, aus dem sehr dankenswerthen und reichhaltigen Buche demnächst einen Aus¬
zug zu geben, beschränken wir uns für jetzt auf kurze Verzeichnung jener Aufgaben.
Sie bestehen vor Allem in Sammlungen deutscher Ortsnamen, welche das im zwei¬
ten Bande des „Altdeutschen Namenbuchs" gelieferte Verzeichnis; über das Jahr 1100
hinaus, aber bei der Größe der Aufgabe nur etwa bis zum Jahr 1500, mit den
in dieser Periode auftretenden neuen Namen fortsetzen. Das Nächste sind Samm¬
lungen aus dem Gebiet der verwandten angelsächsischen und skandinavischen Stämme,
dann auf dem der baltischen und keltischen Ortsnamen, wobei auf dem der letzteren
mit Behutsamkeit zu verfahren und nur das zu verzeichnen sein wird, was mit einiger
Sicherheit als keltisch erkannt worden ist. Nächst dem Sammeln empfiehlt der
Verfasser vor Allem Reinigung der urkundlich überlieferten Formen von Verderb¬
nissen, welche den Abschriften und Ausgaben in hohem Grade änliche»; dann, was
hiermit unlöslich zusammenhängt, die möglichst genaue Bestimmung der Oerter
nach ihrer geographischen Lage. Endlich weist er auf Monographien hin, für die
er die Verbreitung einzelner Grundwörter nach Raum^ und Zeit, deren Formenver¬
änderungen, deren Bcdeutungswcchsel, dann die in den Straßennamen unsrer Städte
vorkommenden Wörter, die ein bestimmtes Handwerk bezeichnen, die Kulturpflanzen,
für deren Anbau die Ortsnamen historische Zeugnisse liefern, als besonders passende
Themata bezeichnet. In allen diesen Dingen ist noch eine reiche Quelle der Erkennt¬
niß für die Sprachwissenschaft und zugleich für die Geschichte vorhanden; denn die
Sprache ist die lauterste Urkunde der Geschichte des Menschengeschlechts, und wie es
der Wissenschaft gelungen ist, durch die Theorie der Störungen die Planeten zu
wägen und durch die Spektralanalyse Stoffe zu bestimmen, aus denen d« Sonnen¬
körper besteht, so wird auch einst der Reflex ältester Sprach- und Völkerverhältnisse,
der in den Ortsnamen vorliegt, wesentlich dazu dienen, auf Zeiten ein Licht zu
werfen, aus denen kein beschriebnes Blatt, kein in den Fels gcgrabncs Zeichen zu
uns herüberreicht.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0248] Wer als klarer Weise den Gegenstand seiner Untersuchung im Allgemeinen, gibt dann die Schriften an, die-denselben behandeln, und geht hierauf zu specieller Be¬ trachtung der deutschen Ortsnamen nach ihren Grundwörtern und ihren Bestim¬ mungswörtern über, die ihn zu einer großen Anzahl der interessantesten Resultate führen. Die drei folgenden Abschnitte besprechen Zusammensetzung. Ellipse, Dif- ferenzirung und Suffixe unserer Ortsnamen. Die beiden ferneren handeln von denselben im Raume und in der Zeit. El» weiteres Capitel beantwortet die Frage, was von den deutschen Ortsnamen aus deutscher oder fremder Sprache stammt. Ein Schlußcapitcl endlich weist auf die Aufgaben hin, welche sick Freunde solcher Untersuchungen für die nächste Zukunft zu stellen haben. Indem wir uns vorbe¬ halten, aus dem sehr dankenswerthen und reichhaltigen Buche demnächst einen Aus¬ zug zu geben, beschränken wir uns für jetzt auf kurze Verzeichnung jener Aufgaben. Sie bestehen vor Allem in Sammlungen deutscher Ortsnamen, welche das im zwei¬ ten Bande des „Altdeutschen Namenbuchs" gelieferte Verzeichnis; über das Jahr 1100 hinaus, aber bei der Größe der Aufgabe nur etwa bis zum Jahr 1500, mit den in dieser Periode auftretenden neuen Namen fortsetzen. Das Nächste sind Samm¬ lungen aus dem Gebiet der verwandten angelsächsischen und skandinavischen Stämme, dann auf dem der baltischen und keltischen Ortsnamen, wobei auf dem der letzteren mit Behutsamkeit zu verfahren und nur das zu verzeichnen sein wird, was mit einiger Sicherheit als keltisch erkannt worden ist. Nächst dem Sammeln empfiehlt der Verfasser vor Allem Reinigung der urkundlich überlieferten Formen von Verderb¬ nissen, welche den Abschriften und Ausgaben in hohem Grade änliche»; dann, was hiermit unlöslich zusammenhängt, die möglichst genaue Bestimmung der Oerter nach ihrer geographischen Lage. Endlich weist er auf Monographien hin, für die er die Verbreitung einzelner Grundwörter nach Raum^ und Zeit, deren Formenver¬ änderungen, deren Bcdeutungswcchsel, dann die in den Straßennamen unsrer Städte vorkommenden Wörter, die ein bestimmtes Handwerk bezeichnen, die Kulturpflanzen, für deren Anbau die Ortsnamen historische Zeugnisse liefern, als besonders passende Themata bezeichnet. In allen diesen Dingen ist noch eine reiche Quelle der Erkennt¬ niß für die Sprachwissenschaft und zugleich für die Geschichte vorhanden; denn die Sprache ist die lauterste Urkunde der Geschichte des Menschengeschlechts, und wie es der Wissenschaft gelungen ist, durch die Theorie der Störungen die Planeten zu wägen und durch die Spektralanalyse Stoffe zu bestimmen, aus denen d« Sonnen¬ körper besteht, so wird auch einst der Reflex ältester Sprach- und Völkerverhältnisse, der in den Ortsnamen vorliegt, wesentlich dazu dienen, auf Zeiten ein Licht zu werfen, aus denen kein beschriebnes Blatt, kein in den Fels gcgrabncs Zeichen zu uns herüberreicht. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/248>, abgerufen am 15.05.2024.