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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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durch die revolutionären deutschen Ideen beflecken sollten. Jetzt beginnt die
Strafe für dies ruchlose Gefasel, eine herzzermalmende Strafe für jeden, in
welchem die Empfindung für Preußens Ehre nicht in Frivolität oder Partcihaß
untergegangen ist: die Don Quixotes und die Opfer dieser Partei von den Regie¬
rungen wie von den Völkern Deutschlands verachtet, und das conservative und
loyale Kaiserhaus übernimmt jetzt die Ausgabe, welche sie nicht verstanden haben.

Wir aber, Männer der liberalen preußischen Partei, die wir jetzt mit
Freude alte Gegner für unsre politischen Ideen besser arbeiten sehen, als jemals
die vermocht haben, die unsre Führer hätten sein sollen, können doch den
Schmerz nicht verbergen, daß ein solcher Umweg nöthig geworden ist, um für
Preußen und Deutschland ein neues Staatsleben heraufzuführen.

Wichtiger als alle Fürstenberathungen in Frankfurt ist die Wirkung, welche
das Ausschreiben Oestreichs auf die Stimmung des preußischen Volkes ausübt,
sie drängt auch die innern Conflicte, welche in diesen Sommermonaten in der
Schwebe hingen, einer schnelleren Entscheidung zu. Wenn noch eine Thatsache
nöthig war, den Zorn, welcher jetzt in den Preußen arbeitet, zu steigern, so
ist es die Zusammenkunft von Frankfurt und was ihr vorausging; wenn der
Stolz des preußischen Bürgers noch einer Mahnung bedürfte, daß es Zeit sei, im
eigenen Hause Ordnung zu schaffen, so muß er diese Erinnerung in dem Jubel
finden, womit ein großer Theil der Deutschen den östreichischen Reformator
begrüßt. Jeder wackere Mann im Lande, den seine conservativen Neigungen
bis jetzt von der Bewegungspartei entfernt hielten, der Beamte von Ehre, der
Offizier von Ehre, sie mögen tief die Niederlage fühlen, welche ihr Staat durch
solche, denen sie zu sehr vertrauten, erlitten hat. Für die Führer der natio¬
nalen Partei in Preußen aber wird jetzt eine neue Aufgabe gestellt, welche ihre
ganze volle Kraft, Klugheit und Entschlossenheit in Anspruch nimmt; denn eine
politische Verwickelung, welche nicht gefährlicher gedacht werden kann, droht in
der nächsten Zukunft, und es gilt, schleunige Mittel für einen neuen Kampf zu
finden. Für die innern Conflicte in Preußen vermögen die Tage von Frank¬
furt ein großes Agitationsmittel zu werden. Dieser Umstand ist von Wichtig¬
keit. Denn die Lage Preußens ist gegenwärtig bereits so. daß das Vertrauen
und die Achtung, welche Deutsche und Fremde für den Kampf des Volkes ge¬
gen seine Regierung empfinden, noch das einzige Gegengewicht gegen die Fort¬
schritte unserer Gegner ist. Das einzige Gegengewicht, aber ein genügendes.
Denn wenn das preußische Volk versteht, sich die Sympathien der Andern zu
erhalten und zu steigern, so mögen wir ruhig die Versuche der Caoinete er¬
warten, den Bund ohne Preußen zu reformiren.

Der preußischen Regierung ist bei dem kaiserlichen Ausschreiben Demüthigung
nicht erspart worden. Es ist unerhört, daß ein Vorschlag zur Bundesreform
den deutschen Fürsten nur von einer der beiden Großmächte, ohne vorherge-


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durch die revolutionären deutschen Ideen beflecken sollten. Jetzt beginnt die
Strafe für dies ruchlose Gefasel, eine herzzermalmende Strafe für jeden, in
welchem die Empfindung für Preußens Ehre nicht in Frivolität oder Partcihaß
untergegangen ist: die Don Quixotes und die Opfer dieser Partei von den Regie¬
rungen wie von den Völkern Deutschlands verachtet, und das conservative und
loyale Kaiserhaus übernimmt jetzt die Ausgabe, welche sie nicht verstanden haben.

Wir aber, Männer der liberalen preußischen Partei, die wir jetzt mit
Freude alte Gegner für unsre politischen Ideen besser arbeiten sehen, als jemals
die vermocht haben, die unsre Führer hätten sein sollen, können doch den
Schmerz nicht verbergen, daß ein solcher Umweg nöthig geworden ist, um für
Preußen und Deutschland ein neues Staatsleben heraufzuführen.

Wichtiger als alle Fürstenberathungen in Frankfurt ist die Wirkung, welche
das Ausschreiben Oestreichs auf die Stimmung des preußischen Volkes ausübt,
sie drängt auch die innern Conflicte, welche in diesen Sommermonaten in der
Schwebe hingen, einer schnelleren Entscheidung zu. Wenn noch eine Thatsache
nöthig war, den Zorn, welcher jetzt in den Preußen arbeitet, zu steigern, so
ist es die Zusammenkunft von Frankfurt und was ihr vorausging; wenn der
Stolz des preußischen Bürgers noch einer Mahnung bedürfte, daß es Zeit sei, im
eigenen Hause Ordnung zu schaffen, so muß er diese Erinnerung in dem Jubel
finden, womit ein großer Theil der Deutschen den östreichischen Reformator
begrüßt. Jeder wackere Mann im Lande, den seine conservativen Neigungen
bis jetzt von der Bewegungspartei entfernt hielten, der Beamte von Ehre, der
Offizier von Ehre, sie mögen tief die Niederlage fühlen, welche ihr Staat durch
solche, denen sie zu sehr vertrauten, erlitten hat. Für die Führer der natio¬
nalen Partei in Preußen aber wird jetzt eine neue Aufgabe gestellt, welche ihre
ganze volle Kraft, Klugheit und Entschlossenheit in Anspruch nimmt; denn eine
politische Verwickelung, welche nicht gefährlicher gedacht werden kann, droht in
der nächsten Zukunft, und es gilt, schleunige Mittel für einen neuen Kampf zu
finden. Für die innern Conflicte in Preußen vermögen die Tage von Frank¬
furt ein großes Agitationsmittel zu werden. Dieser Umstand ist von Wichtig¬
keit. Denn die Lage Preußens ist gegenwärtig bereits so. daß das Vertrauen
und die Achtung, welche Deutsche und Fremde für den Kampf des Volkes ge¬
gen seine Regierung empfinden, noch das einzige Gegengewicht gegen die Fort¬
schritte unserer Gegner ist. Das einzige Gegengewicht, aber ein genügendes.
Denn wenn das preußische Volk versteht, sich die Sympathien der Andern zu
erhalten und zu steigern, so mögen wir ruhig die Versuche der Caoinete er¬
warten, den Bund ohne Preußen zu reformiren.

Der preußischen Regierung ist bei dem kaiserlichen Ausschreiben Demüthigung
nicht erspart worden. Es ist unerhört, daß ein Vorschlag zur Bundesreform
den deutschen Fürsten nur von einer der beiden Großmächte, ohne vorherge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/283>, abgerufen am 15.05.2024.