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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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nicht zu ihm herunterkommen könne, da er durch dos Porträt Balthasars von
Casiiglione zu sehr in Anspruch genommen sei.

Der Herzog macht seiner Erbitterung über dieses ewige Fehlschlagen in
einer Antwort an Pauluzzo Luft und ertheilt den ausdrücklichen Befehl, Ra¬
ssel in aller Form aufzusuchen und ihm im Namen des Herzogs zu sagen, daß
?r nun drei Jahre hindurch mit leeren Versprechungen vertröstet worden, und
daß, wenn dieselben nicht gehalten würden, ein anderes Verfahren eingeschlagen
werden müsse, um Rafael zu zeigen, wie Unrecht er thue, immer von Neuem
zu täuschen. Gut würde es sein, so heißt es weiter, den Zorn des Herzogs
nicht zu reizen. Nach Erfüllung seines Versprechens könne Rafael auf große
Gunstbezeigungen rechnen, während er im entgegengesetzten Fall nur unange¬
nehme Folgen erleben würde.

Pauluzzo fand entweder den Herzog zu hart, oder fürchtete sich den Auf¬
trag zu vollziehen. Wenigstens schreibt er am 17. Dec. 1319, daß er noch
keine .Schritte gethan habe und daß er erst auf humanen Wege versuchen wolle
zum Ziel zu kommen. "Denn," sagt er, "Männer von solcher Bedeutung haben
alle einen empfindlichen Charakter."

Diese Ausrede Pauluzzvs besänftigte indessen Alfonzos Groll nicht, und er
wiederholt am 20. Januar 1S20 seinen Befehl mit der Anweisung, durch Car¬
dinal Cibo Rafael an seine Pflicht erinnern und zu sofortiger Ausführung des
versprochenen Bildes drängen zu lassen. Es müßten sonst Mittel gefunden
werden, dasselbe bei einem andern Künstler zu bestellen, da ein gewisses Zim¬
mer nur dieses Schmuckes harre, um vollendet zu werden. Am 21. März 1520
traf schließlich Pauluzzo mit Rafael zusammen und erhielt von Neuem Zusagen.
Allein dieselben blieben unerfüllt wie alle früheren; denn schon vierzehn Tage
darauf starb Rafael.

Ein Brief Pauluzzvs vom 7. April 1S20 berichtet, daß Rafael nach acht¬
tägigen Leiden einem anhaltenden akuten Fieber erlegen und in der Notunda
beerdigt worden sei.

Man sollte glauben, daß mit dem Ableben des großen Meisters Alfonzos
Anforderungen an ihn ihr Ende erreicht hätten. Aber wir finden hier, daß er
im Testament des Verstorbenen nachsuchen läßt, ob darin über die fünfzig
Dukaten Rechenschaft gegeben ist, und daß er auf deren Zurückerstattung besteht.
Im Januar 1S21 wird von dem Testamentsvollstrecker Giovanni Battista da
L'Aquila die- erforderliche Suma zurückbezahlt, aber wie um den Herzog noch
bis zum letzten Augenblick in dieser Angelegenheit zu ärgern, in so kleiner
Münze, daß der herzogliche Agent beim Einziehen des Wechsels einen Dukaten
Schaden erleidet.

Fragen wir uns nun, was diese Correspondenz uns lehrt, so sehen wir
in ihr zunächst das Verhältniß Rafaels zu dem Herzog von Ferrara ausgcsvro-


nicht zu ihm herunterkommen könne, da er durch dos Porträt Balthasars von
Casiiglione zu sehr in Anspruch genommen sei.

Der Herzog macht seiner Erbitterung über dieses ewige Fehlschlagen in
einer Antwort an Pauluzzo Luft und ertheilt den ausdrücklichen Befehl, Ra¬
ssel in aller Form aufzusuchen und ihm im Namen des Herzogs zu sagen, daß
?r nun drei Jahre hindurch mit leeren Versprechungen vertröstet worden, und
daß, wenn dieselben nicht gehalten würden, ein anderes Verfahren eingeschlagen
werden müsse, um Rafael zu zeigen, wie Unrecht er thue, immer von Neuem
zu täuschen. Gut würde es sein, so heißt es weiter, den Zorn des Herzogs
nicht zu reizen. Nach Erfüllung seines Versprechens könne Rafael auf große
Gunstbezeigungen rechnen, während er im entgegengesetzten Fall nur unange¬
nehme Folgen erleben würde.

Pauluzzo fand entweder den Herzog zu hart, oder fürchtete sich den Auf¬
trag zu vollziehen. Wenigstens schreibt er am 17. Dec. 1319, daß er noch
keine .Schritte gethan habe und daß er erst auf humanen Wege versuchen wolle
zum Ziel zu kommen. „Denn," sagt er, „Männer von solcher Bedeutung haben
alle einen empfindlichen Charakter."

Diese Ausrede Pauluzzvs besänftigte indessen Alfonzos Groll nicht, und er
wiederholt am 20. Januar 1S20 seinen Befehl mit der Anweisung, durch Car¬
dinal Cibo Rafael an seine Pflicht erinnern und zu sofortiger Ausführung des
versprochenen Bildes drängen zu lassen. Es müßten sonst Mittel gefunden
werden, dasselbe bei einem andern Künstler zu bestellen, da ein gewisses Zim¬
mer nur dieses Schmuckes harre, um vollendet zu werden. Am 21. März 1520
traf schließlich Pauluzzo mit Rafael zusammen und erhielt von Neuem Zusagen.
Allein dieselben blieben unerfüllt wie alle früheren; denn schon vierzehn Tage
darauf starb Rafael.

Ein Brief Pauluzzvs vom 7. April 1S20 berichtet, daß Rafael nach acht¬
tägigen Leiden einem anhaltenden akuten Fieber erlegen und in der Notunda
beerdigt worden sei.

Man sollte glauben, daß mit dem Ableben des großen Meisters Alfonzos
Anforderungen an ihn ihr Ende erreicht hätten. Aber wir finden hier, daß er
im Testament des Verstorbenen nachsuchen läßt, ob darin über die fünfzig
Dukaten Rechenschaft gegeben ist, und daß er auf deren Zurückerstattung besteht.
Im Januar 1S21 wird von dem Testamentsvollstrecker Giovanni Battista da
L'Aquila die- erforderliche Suma zurückbezahlt, aber wie um den Herzog noch
bis zum letzten Augenblick in dieser Angelegenheit zu ärgern, in so kleiner
Münze, daß der herzogliche Agent beim Einziehen des Wechsels einen Dukaten
Schaden erleidet.

Fragen wir uns nun, was diese Correspondenz uns lehrt, so sehen wir
in ihr zunächst das Verhältniß Rafaels zu dem Herzog von Ferrara ausgcsvro-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/34>, abgerufen am 15.05.2024.