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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Napoleon der Erste zog die besten Kräfte seiner Infanterie in die Garden,
welche er allen übrigen Truppen im Range voransetzte, möglichst schonte und
ihnen am Schlachttage die Ehre der Entscheidung überließ. Sein Neffe hat
dieses Beispiel getreulich nachgeahmt. Die preußische, russische und englische
Armee haben ihre Garden, Grenadiere und Leibregimenter und auch in Italien
scheint man an die Errichtung eines ähnlichen Elitecorps zu denken.

Wenn nun bei den Franzosen, deren Reiterei bekanntlich von jeher jeuer
der übrigen Großmächte nachstand und noch gegenwärtig nachsteht, die Infan¬
terie nicht den ihr gebührenden Rang einnimmt und noch nicht den ihr mög¬
lichen Grad der qualitativen Ausbildung besitzt, um wie viel mehr muß
dieser Fall in Oestreich eintreten, wo bekanntlich Artillerie und Cavallerie seit
alter Zeit mit besonderer Vorliebe gepflegt, dafür aber auch als ausgezeichnet
trefflich erklärt wurden, die Masse der Infanterie aber -- einzelne Regimenter
machten immer eine Ausnahme -- als der Infanterie der meisten ihrer Gegner
nachstehend anerkannt wurde.

Erst die neueste Zeit scheint hierin eine Aenderung, leider aber nur auf
Kosten der übrigen Truppentheile, anbahnen zu wollen.

Um die gegenwärtigen Zustände des östreichischen Fußvolkes übersichtlich
und verständlich darstellen zu tonnen, erscheint es nothwendig, einen kurzen
Blick auf den Gang seiner, Entwicklung seit dem Jahre 181S zu werfen.

Das östreichische Fußvolk bestand zu jener Zeit aus der Linien- und Grenz¬
infanterie, den Grenadieren der Linieninfanterie und den Jägern. Die Grenz¬
truppen, welche bereits früher ausführlich geschildert wurden, bedürfen keiner
weiteren Erwähnung. Außerdem gab es noch einige Garnisvnbataillone, und
die nach dem zweiten pariser Frieden aufgelöste Landwehr bildete eine nach
den damaligen Bestimmungen nur in dem Falle eines Krieges einzuberufende
Verstärkung der aus den deutschen Provinzen rekrutirten Regimenter. Ungarn
und Siebenbürgen sollten ihre Jnsurrectionsbanderien zu Fuß und zu Pferd
und Tirol seine freiwilligen Landesschützen aufstellen. Doch existirten von die¬
sen Truppen keine Cadres, ja es waren auch nur ungenügende oder gar keine
Anstalten zu ihrer schleunigen Einberufung und Ausrüstung vorhanden.

Die Linieninfanterie zählte 63 Regimcntsnummern, jedoch in Wirklichkeit
nur 58 Regimenter, die Jäger bestanden aus dem tiroler Kaiserjägerrregiment
zu vier Bataillonen und zwölf selbständigen Jägerbataillvnen, und die Garni-
sons- und Cordvnstruppen wurden durch sieben Bataillone repräsentirt. Die
Grenadiere formirter zwanzig Bataillone.

War das östreichische Fußvolk schon der Gattung nach hinlänglich ver¬
schiedenartig, so bestand selbst unter den einzelnen Regimentern einer und der¬
selben Jnfanteriegattung eine auffallende Ungleichheit in Bezug auf Kleidung,
Bewaffnung, Stärke und die Dienstzeit des Mannes.


Napoleon der Erste zog die besten Kräfte seiner Infanterie in die Garden,
welche er allen übrigen Truppen im Range voransetzte, möglichst schonte und
ihnen am Schlachttage die Ehre der Entscheidung überließ. Sein Neffe hat
dieses Beispiel getreulich nachgeahmt. Die preußische, russische und englische
Armee haben ihre Garden, Grenadiere und Leibregimenter und auch in Italien
scheint man an die Errichtung eines ähnlichen Elitecorps zu denken.

Wenn nun bei den Franzosen, deren Reiterei bekanntlich von jeher jeuer
der übrigen Großmächte nachstand und noch gegenwärtig nachsteht, die Infan¬
terie nicht den ihr gebührenden Rang einnimmt und noch nicht den ihr mög¬
lichen Grad der qualitativen Ausbildung besitzt, um wie viel mehr muß
dieser Fall in Oestreich eintreten, wo bekanntlich Artillerie und Cavallerie seit
alter Zeit mit besonderer Vorliebe gepflegt, dafür aber auch als ausgezeichnet
trefflich erklärt wurden, die Masse der Infanterie aber — einzelne Regimenter
machten immer eine Ausnahme — als der Infanterie der meisten ihrer Gegner
nachstehend anerkannt wurde.

Erst die neueste Zeit scheint hierin eine Aenderung, leider aber nur auf
Kosten der übrigen Truppentheile, anbahnen zu wollen.

Um die gegenwärtigen Zustände des östreichischen Fußvolkes übersichtlich
und verständlich darstellen zu tonnen, erscheint es nothwendig, einen kurzen
Blick auf den Gang seiner, Entwicklung seit dem Jahre 181S zu werfen.

Das östreichische Fußvolk bestand zu jener Zeit aus der Linien- und Grenz¬
infanterie, den Grenadieren der Linieninfanterie und den Jägern. Die Grenz¬
truppen, welche bereits früher ausführlich geschildert wurden, bedürfen keiner
weiteren Erwähnung. Außerdem gab es noch einige Garnisvnbataillone, und
die nach dem zweiten pariser Frieden aufgelöste Landwehr bildete eine nach
den damaligen Bestimmungen nur in dem Falle eines Krieges einzuberufende
Verstärkung der aus den deutschen Provinzen rekrutirten Regimenter. Ungarn
und Siebenbürgen sollten ihre Jnsurrectionsbanderien zu Fuß und zu Pferd
und Tirol seine freiwilligen Landesschützen aufstellen. Doch existirten von die¬
sen Truppen keine Cadres, ja es waren auch nur ungenügende oder gar keine
Anstalten zu ihrer schleunigen Einberufung und Ausrüstung vorhanden.

Die Linieninfanterie zählte 63 Regimcntsnummern, jedoch in Wirklichkeit
nur 58 Regimenter, die Jäger bestanden aus dem tiroler Kaiserjägerrregiment
zu vier Bataillonen und zwölf selbständigen Jägerbataillvnen, und die Garni-
sons- und Cordvnstruppen wurden durch sieben Bataillone repräsentirt. Die
Grenadiere formirter zwanzig Bataillone.

War das östreichische Fußvolk schon der Gattung nach hinlänglich ver¬
schiedenartig, so bestand selbst unter den einzelnen Regimentern einer und der¬
selben Jnfanteriegattung eine auffallende Ungleichheit in Bezug auf Kleidung,
Bewaffnung, Stärke und die Dienstzeit des Mannes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/343>, abgerufen am 16.05.2024.