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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Stücken Camporis. daß er auch das Talent eines Decorationsmalers besah.
Unsre Verwunderung über diese neue Eigenschaft wird indessen schwinden, wenn
wir bedenken, daß sich seine intimsten Freunde Bibiena und Castiglione per¬
sönlich mit der Composition und Darstellung von Schauspielen beschäftigten,
und zwar nicht blos in Rom, sondern auch in andern Theilen Italiens.
Daraus hin hat man vermuthet, daß Rafael schon im Jahr 1513 Castiglione
nach Urbino begleitet habe, wo die von Bibiena verfaßte Callandra mit neuen
Dekorationen gegeben wurde. Doch ist dies von Andern bezweifelt worden,
während wieder Andere meinten, daß bei dieser Gelegenheit die Decorationen
vonGenga, einem Zeitgenossen Rafaels, ausgeführt worden seien. Jetzt können
wir dreist annehmen, daß Rafael selbst damals Castiglione geholfen habe; denn
wir wissen nun aus bester Quelle, daß er bei der Aufführung eines Lust¬
spiels in Rom, unter der Oberaufsicht des Papstes Leo des Zehnten betheiligt
war und -- was von großem Interesse -- die Decorationen selbst dazu malte.
Pauluzzo erzählt dies in seinem Briefe vom 8. März 1S18 ausführlich, und
da seine Mittheilungen zugleich von Werth für das Verständniß der Persön¬
lichkeit und der Zeit Leos des Zehnten sind, so geben wir sie im Folgenden
nach ihrem Wortlaut:

"Am vergangenen Sonntag Abend wohnte ich dem Schauspiel bei, in das
ich durch Monsignor de Nangoni. eingeführt wurde. Ich fand dort unsern
Herrn den Papst mit den hochehrwürdigen Cardinälen in einem Vorzimmer
Cibos. Se. Heiligkeit war dort beschäftigt mit der Introduction der Personen,
die er geeignet fand, anwesend zu sein. Von da gingen wir an den Ort. wo
das Lustspiel ausgeführt werden sollte, und an dessen Eingang sich Se. Heiligkeit
aufstellte und stillschweigend die Vorübergehenden segnete, denen er die Erlaub¬
niß einzutreten gnädig ertheilt hatte.

So betraten wir den Saal, an dessen einer Seite sich die Bühne befand,
und aus dessen andrer eine Flucht von Treppen von der Decke bis zum Boden
führte, auf der die päpstliche Loge angebracht war. Als die Laien Platz ge¬
nommen, näherte sich der Papst und nahm den für ihn bestimmten Sitz ein.
der sich fünf Stufen über den Boden erhob, die begleitenden hochehrwürdigen
Cardinäle und Gesandten folgten je nach dem Rang. Unterdessen hatte auch
das Volk, in Allem zweitausend Seelen, Platz genommen. Unter Pfeifentöncn
fiel dann der Vorhang, auf dem Fra Mariano unter Teufeln, die zu beiden
Seiten spielen, abgebildet war. In der Mitte des Vorhangs befand sich eine
Rolle mit den Worten: "Huesti solo ki eaxrieei al,?ra> Narianv." Wäh¬
rend die Musik fortspielte, prüfte der Papst mittels seines Augenglases die von
Rafael gemalten Decorationen, welche Fernsichten und Perspectiven nach meiner
Ansicht sehr schön darstellten und vielfach applaudirt wurden. Auch der schöne
Himmel wurde sehr bewundert und die Candelaber, die in Form von Buch-


Stücken Camporis. daß er auch das Talent eines Decorationsmalers besah.
Unsre Verwunderung über diese neue Eigenschaft wird indessen schwinden, wenn
wir bedenken, daß sich seine intimsten Freunde Bibiena und Castiglione per¬
sönlich mit der Composition und Darstellung von Schauspielen beschäftigten,
und zwar nicht blos in Rom, sondern auch in andern Theilen Italiens.
Daraus hin hat man vermuthet, daß Rafael schon im Jahr 1513 Castiglione
nach Urbino begleitet habe, wo die von Bibiena verfaßte Callandra mit neuen
Dekorationen gegeben wurde. Doch ist dies von Andern bezweifelt worden,
während wieder Andere meinten, daß bei dieser Gelegenheit die Decorationen
vonGenga, einem Zeitgenossen Rafaels, ausgeführt worden seien. Jetzt können
wir dreist annehmen, daß Rafael selbst damals Castiglione geholfen habe; denn
wir wissen nun aus bester Quelle, daß er bei der Aufführung eines Lust¬
spiels in Rom, unter der Oberaufsicht des Papstes Leo des Zehnten betheiligt
war und — was von großem Interesse — die Decorationen selbst dazu malte.
Pauluzzo erzählt dies in seinem Briefe vom 8. März 1S18 ausführlich, und
da seine Mittheilungen zugleich von Werth für das Verständniß der Persön¬
lichkeit und der Zeit Leos des Zehnten sind, so geben wir sie im Folgenden
nach ihrem Wortlaut:

„Am vergangenen Sonntag Abend wohnte ich dem Schauspiel bei, in das
ich durch Monsignor de Nangoni. eingeführt wurde. Ich fand dort unsern
Herrn den Papst mit den hochehrwürdigen Cardinälen in einem Vorzimmer
Cibos. Se. Heiligkeit war dort beschäftigt mit der Introduction der Personen,
die er geeignet fand, anwesend zu sein. Von da gingen wir an den Ort. wo
das Lustspiel ausgeführt werden sollte, und an dessen Eingang sich Se. Heiligkeit
aufstellte und stillschweigend die Vorübergehenden segnete, denen er die Erlaub¬
niß einzutreten gnädig ertheilt hatte.

So betraten wir den Saal, an dessen einer Seite sich die Bühne befand,
und aus dessen andrer eine Flucht von Treppen von der Decke bis zum Boden
führte, auf der die päpstliche Loge angebracht war. Als die Laien Platz ge¬
nommen, näherte sich der Papst und nahm den für ihn bestimmten Sitz ein.
der sich fünf Stufen über den Boden erhob, die begleitenden hochehrwürdigen
Cardinäle und Gesandten folgten je nach dem Rang. Unterdessen hatte auch
das Volk, in Allem zweitausend Seelen, Platz genommen. Unter Pfeifentöncn
fiel dann der Vorhang, auf dem Fra Mariano unter Teufeln, die zu beiden
Seiten spielen, abgebildet war. In der Mitte des Vorhangs befand sich eine
Rolle mit den Worten: „Huesti solo ki eaxrieei al,?ra> Narianv." Wäh¬
rend die Musik fortspielte, prüfte der Papst mittels seines Augenglases die von
Rafael gemalten Decorationen, welche Fernsichten und Perspectiven nach meiner
Ansicht sehr schön darstellten und vielfach applaudirt wurden. Auch der schöne
Himmel wurde sehr bewundert und die Candelaber, die in Form von Buch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/37>, abgerufen am 15.05.2024.