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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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selten socialen Berufs keineswegs etwa blos die großen Grundbesitzer und Land¬
wirthe. Vielmehr gibt es ohne Zweifel unzählige Falle, in denen es sich für eine
Vereinigung mehrer kleinen ländlichen Arbeitsgeber, von denen jeder einzelne nicht
genug Tagelöhner beschäftigt, um an eine genossenschaftliche Ansiedelung derselben
denken zu tonnen, als vollkommen zweck- und sachgemäß erweisen würde, die Ge-
sammtzahl ihrer Tagelöhner in der Weise Gurdvns oder auf ähnliche Art --
etwa in eil'er centralen Lage -- anzusiedeln und so diesen Besserung ihrer Lage
und sich selbst die Vortheile eines Stammes ordentlicher und zuverlässiger Ar¬
beiter zu sichern. Wo, wie auf den großen Gütern im östlichen Holstein und
in Mecklenburg schon eine Art von Ansiedelung der sogenannten Kathenleute,
Drescher u. s. w, vorhanden ist, da sind wesentliche Grundlagen der Genossen¬
schaft schon gegeben, und es bedarf lediglich des guten Willens und der erfor¬
derlichen Intelligenz auf Seiten der Besitzer jener Güter, um vermöge einer
gründlichen Reform die oft himmelschreienden herkömmlichen Mißbräuche zu
beseitigen und aus jenen Grundlagen eine gesunde Entwickelung anzubahnen.

Huber äußert gegen den Schluß seiner Abhandlung die Vermuthung, man
werde aus seine Vorschläge mit einer Hinweisung darauf antworten, daß den
betheiligten Personen die von ihm vorausgesetzten Eigenschaften mangeln, und
entgegnet darauf:

"Allerdings liegt in dieser Hinweisung eine Schwierigkeit und sogar eine
noch in viel weiterem Maß begründete, als diese Weisen -des Landes selbst
ahnen dürsten. Man hat dabei meist nur die unteren Classen, die Arbeiter,
im Sinn und ignorirt die ebenso unläugvare Thatsache, daß die große Mehr¬
zahl der Arbeitgeber ebensowenig für die Erfüllung ihres socialen Berufs vor¬
bereitet ist als die Mehrzahl der Arbeiter. Die einzige praktische Folgerung,
die sich aus diesem leidigen Stand der Dinge ergeben dürfte, ist zunächst der
eigentlich selbstverständliche gute Rath: für die ersten Experimente in solchen
neuen Dingen die möglichst günstigen Verhältnisse, das möglichst tüchtige Ma¬
terial auszusuchen, um nur erst einmal das Präjudiz der gelungner That zu
gewinnen. Mit Sicherheit kann man darauf rechnen, daß jeder gelungene Schritt
auf dem rechten Wege den folgenden erleichtert. Auch hier gilt, was sich bei
den schon weiter entwickelten Zweigen des Genossenschaftswesens bewährt hat:
die 'Genossenschaft selbst ist die beste sittliche, intellectuelle und sociale Schule zur
Genossenschaft. Vor Allem aber versteht sich von selbst, daß an eine umfassende
und nachhaltige Entwickelung dieser zunächst volkswirthschaftUchen Reform nicht
zu denken ist, wenn nicht damit Hand in Hand geht die größtmögliche Verviel¬
fältigung und Steigerung aller gesunden und berechtigten Einwirkungen auf
die geistige und leibliche Bildung des Volkes in allen hier betheiligten Classen,
also keineswegs etwa blos bei den Arbeitern, sondern ebensosehr bei den Ar¬
beitgebern und Grundbesitzern, -- den Herrsch after."




selten socialen Berufs keineswegs etwa blos die großen Grundbesitzer und Land¬
wirthe. Vielmehr gibt es ohne Zweifel unzählige Falle, in denen es sich für eine
Vereinigung mehrer kleinen ländlichen Arbeitsgeber, von denen jeder einzelne nicht
genug Tagelöhner beschäftigt, um an eine genossenschaftliche Ansiedelung derselben
denken zu tonnen, als vollkommen zweck- und sachgemäß erweisen würde, die Ge-
sammtzahl ihrer Tagelöhner in der Weise Gurdvns oder auf ähnliche Art —
etwa in eil'er centralen Lage — anzusiedeln und so diesen Besserung ihrer Lage
und sich selbst die Vortheile eines Stammes ordentlicher und zuverlässiger Ar¬
beiter zu sichern. Wo, wie auf den großen Gütern im östlichen Holstein und
in Mecklenburg schon eine Art von Ansiedelung der sogenannten Kathenleute,
Drescher u. s. w, vorhanden ist, da sind wesentliche Grundlagen der Genossen¬
schaft schon gegeben, und es bedarf lediglich des guten Willens und der erfor¬
derlichen Intelligenz auf Seiten der Besitzer jener Güter, um vermöge einer
gründlichen Reform die oft himmelschreienden herkömmlichen Mißbräuche zu
beseitigen und aus jenen Grundlagen eine gesunde Entwickelung anzubahnen.

Huber äußert gegen den Schluß seiner Abhandlung die Vermuthung, man
werde aus seine Vorschläge mit einer Hinweisung darauf antworten, daß den
betheiligten Personen die von ihm vorausgesetzten Eigenschaften mangeln, und
entgegnet darauf:

„Allerdings liegt in dieser Hinweisung eine Schwierigkeit und sogar eine
noch in viel weiterem Maß begründete, als diese Weisen -des Landes selbst
ahnen dürsten. Man hat dabei meist nur die unteren Classen, die Arbeiter,
im Sinn und ignorirt die ebenso unläugvare Thatsache, daß die große Mehr¬
zahl der Arbeitgeber ebensowenig für die Erfüllung ihres socialen Berufs vor¬
bereitet ist als die Mehrzahl der Arbeiter. Die einzige praktische Folgerung,
die sich aus diesem leidigen Stand der Dinge ergeben dürfte, ist zunächst der
eigentlich selbstverständliche gute Rath: für die ersten Experimente in solchen
neuen Dingen die möglichst günstigen Verhältnisse, das möglichst tüchtige Ma¬
terial auszusuchen, um nur erst einmal das Präjudiz der gelungner That zu
gewinnen. Mit Sicherheit kann man darauf rechnen, daß jeder gelungene Schritt
auf dem rechten Wege den folgenden erleichtert. Auch hier gilt, was sich bei
den schon weiter entwickelten Zweigen des Genossenschaftswesens bewährt hat:
die 'Genossenschaft selbst ist die beste sittliche, intellectuelle und sociale Schule zur
Genossenschaft. Vor Allem aber versteht sich von selbst, daß an eine umfassende
und nachhaltige Entwickelung dieser zunächst volkswirthschaftUchen Reform nicht
zu denken ist, wenn nicht damit Hand in Hand geht die größtmögliche Verviel¬
fältigung und Steigerung aller gesunden und berechtigten Einwirkungen auf
die geistige und leibliche Bildung des Volkes in allen hier betheiligten Classen,
also keineswegs etwa blos bei den Arbeitern, sondern ebensosehr bei den Ar¬
beitgebern und Grundbesitzern, — den Herrsch after."




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/460>, abgerufen am 15.05.2024.