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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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wird "der Provinzial, wo die Staatsbehörde solches verlana.er sollte, seinen
Anstand nehmen, die erforderlichen Berichte über den Zustand der im Bereiche
seiner Ordensprovinz befindlichen Lehranstalten zu erstatten." Die Schulen der
Jesuiten stehe" also unter der ausschließenden Leitung und Aufsicht ihrer Ordcns-
obern. Niemand darf davon mehr erfahren als sie selbst gestatten, und über
ihre Leistungen berichtet Niemand als sie allein.

Es versteht sich von selbst, daß es bei einem unter dem strengsten mönchi¬
schen Gehorsam stehenden Lehrerpersonal nur den Obern überlassen bleibt, die
Nectoren, Präfecten und Lehrer nach ihrer Einsicht und Ueberzeugung aus den^
Ordensgliedern zu wählen, aber auch den "Lehrfähigkeitsprüfungen" dürfen
dieselben nicht unterzogen werden, denn dadurch "verlöre der Gehorsam seine Kraft
und die Ordensdisciplin wäre der Gefahr ihrer Auflösung Preis gegeben. Ein
nicht von seinen Ordensobern, sondern von der Regierung durch den Erfolg
einer amtlichen Lehrfähigkcitsprüfung angestellter Professor wäre nur mehr ein
halber Religiös, er hätte sich außer dem Ordenskörper gleichsam einen selb¬
ständigen Grund und Boden erworben und hätte einen Halt- und Stützpunkt
für manche Ausnahms-, Borzugs- und Unabhängigkeitsgclüste." Der Lehrer
darf in der Hand'seiner Obern nur ein blindes Werkzeug sein, etwa wie die
Ruthe, welche auch d.en Zöglingen Gehorsam lehrt, und was von solchen "Pro¬
fessoren" zu erwarten steht, sagt der Grundsatz, das; bei ihrer Wahl nicht so
sehr auf Gelehrsamkeit als auf die "Tugend eines Ordensmannes" zu sehen
sei. Ein competentes Urtheil darüber könnten nur die Ordensobern fällen,
"die das ganze Handeln und Wandeln ihrer Untergebenen während mehrer Jahre
in der nächsten Nähe zu überwachen, zu beobachten und zu prüfen die Pflicht
und Gelegenhert hatten." Nach den Ordcnsstatuten ist nämlich jeder Jesuit
zum Aufseher) Spion und Denuncianten seiner Mitbrüder bestellt, sie erstatten
von Zeit zu Zeit über einander dem Obern geheime Berichte, und wer glauben
möchte, daß hierdurch Heuchelei und Perstellungskunst ausgebildet werde, den
versichern die Jesuiten auf Ehre und Gewissen vom Gegentheil, sie erblicken in
dieser Geschmeidigkeit eben die beste Befähigung zur Erziehung der Jugend.
"Wenn dann der Ordensvbere," sagt Beckx, "einen seiner untergebenen
Ordensbrüder auf solche Weise für fähig und geeignet erklärt, so soll dies
Urtheil wohl ein größeres Gewicht haben als die amtliche Prüfung, die von
Männern vorgenommen wird, die den zu Prüfenden vielleicht nie gesehen oder
doch nicht in seinem gewöhnlichen alltäglichen Leben beobachten konnten."

Beckx gelangt nach diesen Erörterungen zum Schluß, daß "die eigenthüm¬
lichen Verhältnisse der Gesellschaft Jesu" sowohl die unbeschränkte Leitung der
ihnen anvertrauten Gymnasien als auch die ungehindert freie Anstellung und
Entlassung aller Directoren, Rectoren, Präfecten und Professoren ohne vorher¬
gehende Lehrerprüfung erheische denn ohne selbe kann von einer vollkommen


wird „der Provinzial, wo die Staatsbehörde solches verlana.er sollte, seinen
Anstand nehmen, die erforderlichen Berichte über den Zustand der im Bereiche
seiner Ordensprovinz befindlichen Lehranstalten zu erstatten." Die Schulen der
Jesuiten stehe» also unter der ausschließenden Leitung und Aufsicht ihrer Ordcns-
obern. Niemand darf davon mehr erfahren als sie selbst gestatten, und über
ihre Leistungen berichtet Niemand als sie allein.

Es versteht sich von selbst, daß es bei einem unter dem strengsten mönchi¬
schen Gehorsam stehenden Lehrerpersonal nur den Obern überlassen bleibt, die
Nectoren, Präfecten und Lehrer nach ihrer Einsicht und Ueberzeugung aus den^
Ordensgliedern zu wählen, aber auch den „Lehrfähigkeitsprüfungen" dürfen
dieselben nicht unterzogen werden, denn dadurch „verlöre der Gehorsam seine Kraft
und die Ordensdisciplin wäre der Gefahr ihrer Auflösung Preis gegeben. Ein
nicht von seinen Ordensobern, sondern von der Regierung durch den Erfolg
einer amtlichen Lehrfähigkcitsprüfung angestellter Professor wäre nur mehr ein
halber Religiös, er hätte sich außer dem Ordenskörper gleichsam einen selb¬
ständigen Grund und Boden erworben und hätte einen Halt- und Stützpunkt
für manche Ausnahms-, Borzugs- und Unabhängigkeitsgclüste." Der Lehrer
darf in der Hand'seiner Obern nur ein blindes Werkzeug sein, etwa wie die
Ruthe, welche auch d.en Zöglingen Gehorsam lehrt, und was von solchen „Pro¬
fessoren" zu erwarten steht, sagt der Grundsatz, das; bei ihrer Wahl nicht so
sehr auf Gelehrsamkeit als auf die „Tugend eines Ordensmannes" zu sehen
sei. Ein competentes Urtheil darüber könnten nur die Ordensobern fällen,
„die das ganze Handeln und Wandeln ihrer Untergebenen während mehrer Jahre
in der nächsten Nähe zu überwachen, zu beobachten und zu prüfen die Pflicht
und Gelegenhert hatten." Nach den Ordcnsstatuten ist nämlich jeder Jesuit
zum Aufseher) Spion und Denuncianten seiner Mitbrüder bestellt, sie erstatten
von Zeit zu Zeit über einander dem Obern geheime Berichte, und wer glauben
möchte, daß hierdurch Heuchelei und Perstellungskunst ausgebildet werde, den
versichern die Jesuiten auf Ehre und Gewissen vom Gegentheil, sie erblicken in
dieser Geschmeidigkeit eben die beste Befähigung zur Erziehung der Jugend.
„Wenn dann der Ordensvbere," sagt Beckx, „einen seiner untergebenen
Ordensbrüder auf solche Weise für fähig und geeignet erklärt, so soll dies
Urtheil wohl ein größeres Gewicht haben als die amtliche Prüfung, die von
Männern vorgenommen wird, die den zu Prüfenden vielleicht nie gesehen oder
doch nicht in seinem gewöhnlichen alltäglichen Leben beobachten konnten."

Beckx gelangt nach diesen Erörterungen zum Schluß, daß „die eigenthüm¬
lichen Verhältnisse der Gesellschaft Jesu" sowohl die unbeschränkte Leitung der
ihnen anvertrauten Gymnasien als auch die ungehindert freie Anstellung und
Entlassung aller Directoren, Rectoren, Präfecten und Professoren ohne vorher¬
gehende Lehrerprüfung erheische denn ohne selbe kann von einer vollkommen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/472>, abgerufen am 05.06.2024.