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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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widersprach ihm, als er den Schutz von zwei Thlr. pro Ctnr. für Baumwoll¬
garne von dreißig aufwärts und den Schutz von zehn Thlr. für Tuch- und
Wollengewebe für genügend erklärte, und dem Einwand, der aus der Einfüh¬
rung der Werthzölle für Baumwollgewebe hergeleitet wird, wenigstens damit
die Spitze abbrach, daß die Ausfuhr die Einfuhr um zehn Procent übersteige.
Nur daß die landwirtschaftliche Production im Vertrage ganz übergangen und
keine ausdrückliche Stipulation eine Erhöhung der bisherigen französischen Zölle
ausschließt, wurde als ein Mangel bezeichnet, welcher der Abhilfe bedürfe.
Dagegen wurde mit Berufung auf das Gutachten der Centralstelle für Handel
und Gewerbe eine ganze Reihe von Industriezweigen aufgeführt, die durch den
Vertrag wesentlich gewinnen werden. Ein anderer Redner widerlegte noch ins¬
besondere die Befürchtungen der würtembergischen Weinproducenten und die
Bedenken gegen den vielfach mißbrauchten Artikel 31. So kamen alle für
Würtemberg speciell belangreichen Positionen zur Sprache, allerdings nicht so
eingehend, wie dies der Fall gewesen wäre, wenn eine stärkere Opposition
sich eingefunden hätte. Allein gerade diese Einmütigkeit bewies nur, wie
sehr die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der schließlichen Annahme
des Handelsvertrags schon in weiten Kreisen Wurzel gefaßt hat. Fast
alle Redner erklärten einzelne Abänderungen für wünschenswert). Aber --
dies ist bezeichnend -- Niemand wußte solche Abänderungen im Einzelnen
namhaft zu machen, die als unerläßliche Bedingung der Annahme des Vertrags
zu bezeichnen seien, und deren Verweigerung die Ablehnung desselben recht¬
fertige. Auch Staatsrath Goppelt, der das größte Gewicht auf die Erlangung
solcher Abänderungen legte, enthielt sich eines detcullirtcn Nachweises, welche
Bestimmungen abgeändert werden müßten.

Die Rede Goppelts, der im Märzministerium von 1848 Chef des Finanz¬
departements war, bezeichnet einen in Würtemberg weit verbreiteten Stand¬
punkt, der, wäre er früher mit Nachdruck geltend gemacht worden, vielleicht auf
das Vorgehen der Regierung nicht ohne Einfluß gewesen wäre, jetzt aber, nach-
dem die Regierung die Brücke hinter sich abgebrochen hat, schwerlich mehr prak¬
tische Geltung hat. Auch jetzt noch, meinte Goppelt, wäre es möglich, einen
Weg zu finden, auf welchem die Regierung von ihrer schroffen Haltung wieder
umlenken könne, wie es auch der preußischen Regierung nur erwünscht sein
könne, wenn ihr die Brücke zu einer Verständigung geschlagen werde. Gerade
durch die jetzige Ablehnung besitze man eine Waffe, die man nicht ohne
Weiteres aus der Hand zu geben brauche. Schließlich müsse allerdings
der Vertrag angenommen werden, mit oder ohne Abänderungen. Allein es
könne Preußen nicht gleichgültig sein, ob Würtemberg jetzt schon beitrete oder
die Krisis des Zollvereins noch ins Ungewisse verlängere. Würde also Wür¬
temberg jetzt schon seine Geneigtheit aussprechen, den Vertrag im Princip an-


widersprach ihm, als er den Schutz von zwei Thlr. pro Ctnr. für Baumwoll¬
garne von dreißig aufwärts und den Schutz von zehn Thlr. für Tuch- und
Wollengewebe für genügend erklärte, und dem Einwand, der aus der Einfüh¬
rung der Werthzölle für Baumwollgewebe hergeleitet wird, wenigstens damit
die Spitze abbrach, daß die Ausfuhr die Einfuhr um zehn Procent übersteige.
Nur daß die landwirtschaftliche Production im Vertrage ganz übergangen und
keine ausdrückliche Stipulation eine Erhöhung der bisherigen französischen Zölle
ausschließt, wurde als ein Mangel bezeichnet, welcher der Abhilfe bedürfe.
Dagegen wurde mit Berufung auf das Gutachten der Centralstelle für Handel
und Gewerbe eine ganze Reihe von Industriezweigen aufgeführt, die durch den
Vertrag wesentlich gewinnen werden. Ein anderer Redner widerlegte noch ins¬
besondere die Befürchtungen der würtembergischen Weinproducenten und die
Bedenken gegen den vielfach mißbrauchten Artikel 31. So kamen alle für
Würtemberg speciell belangreichen Positionen zur Sprache, allerdings nicht so
eingehend, wie dies der Fall gewesen wäre, wenn eine stärkere Opposition
sich eingefunden hätte. Allein gerade diese Einmütigkeit bewies nur, wie
sehr die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der schließlichen Annahme
des Handelsvertrags schon in weiten Kreisen Wurzel gefaßt hat. Fast
alle Redner erklärten einzelne Abänderungen für wünschenswert). Aber —
dies ist bezeichnend — Niemand wußte solche Abänderungen im Einzelnen
namhaft zu machen, die als unerläßliche Bedingung der Annahme des Vertrags
zu bezeichnen seien, und deren Verweigerung die Ablehnung desselben recht¬
fertige. Auch Staatsrath Goppelt, der das größte Gewicht auf die Erlangung
solcher Abänderungen legte, enthielt sich eines detcullirtcn Nachweises, welche
Bestimmungen abgeändert werden müßten.

Die Rede Goppelts, der im Märzministerium von 1848 Chef des Finanz¬
departements war, bezeichnet einen in Würtemberg weit verbreiteten Stand¬
punkt, der, wäre er früher mit Nachdruck geltend gemacht worden, vielleicht auf
das Vorgehen der Regierung nicht ohne Einfluß gewesen wäre, jetzt aber, nach-
dem die Regierung die Brücke hinter sich abgebrochen hat, schwerlich mehr prak¬
tische Geltung hat. Auch jetzt noch, meinte Goppelt, wäre es möglich, einen
Weg zu finden, auf welchem die Regierung von ihrer schroffen Haltung wieder
umlenken könne, wie es auch der preußischen Regierung nur erwünscht sein
könne, wenn ihr die Brücke zu einer Verständigung geschlagen werde. Gerade
durch die jetzige Ablehnung besitze man eine Waffe, die man nicht ohne
Weiteres aus der Hand zu geben brauche. Schließlich müsse allerdings
der Vertrag angenommen werden, mit oder ohne Abänderungen. Allein es
könne Preußen nicht gleichgültig sein, ob Würtemberg jetzt schon beitrete oder
die Krisis des Zollvereins noch ins Ungewisse verlängere. Würde also Wür¬
temberg jetzt schon seine Geneigtheit aussprechen, den Vertrag im Princip an-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/106>, abgerufen am 15.05.2024.