Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durch den Sand fortschleppt, findet sich die ZZO hohe Anhöhe bei Exin, wäh¬
rend sich bei Dolzig und Moschin im Schlimmer Kreise, bei Luvin im Kostener,
bei Bomst und Wollstein sogar kleine Ketten lieblicher Anhöhen finden.

Was aber diesen Gegenden einen besonderen Neiz gibt, ist der große
Wasserreichthum unserer Provinz. Zwei mächtige Ströme bewerben sich um
unser Land und theilen sich in dasselbe; aber obgleich die Weichsel es nicht ver¬
schmäht, ihre Bewerbung durch persönliches Erscheinen und Locken von der Ost¬
grenze her zu unterstützen, so muß sie doch der schwächern Oder den bei weitem
größten Theil des Gebietes überlassen, und so geben auch die Ströme
ein Zeugniß dafür ab, wohin Posen durch seine natürliche Lage
gewiesen ist.

Den Süden der Provinz beherrscht die Barrsch, den Schlesiern übelberüchtigt
durch die großen Überschwemmungen, mit denen sie die Gegend von Guhrau
und Herrnstadt heimsucht. Sie entspringt im Adclnauer Kreise, den sie auch
fast seiner ganzen Breite nach durchschneidet, verläßt aber bald ihr Heimaths-
land, das ihr die Orla. den polnischen Landgraben, den Obersitztv, die faule
Obra und eine große Anzahl andrer Bäche und Flüßchen nachsendet. Wie
klein diese Gewässer sein mögen, richten sie doch bei heftigen Regengüssen und
plötzlichem Thauwetter erhebliche Verwüstungen an. Sowohl 18ö4 wie 1860 be¬
zeichneten zerstörte Brücken, zerrissene Wege, überschwemmte Felder die elf
Meilen des Weges der Orla. Mit.Ausnahme dieses kleinen Bartschgebietes
und des vielleicht noch kleineren der Weichsel, von dem wir zuletzt reden werden,
gehört alles Uebrige der Warthe mit der Netze.

Die Warthe, die vornehmste unter den Vasallen der Oder, hat bei ihrem
Eintritt in die preußische Monarchie schon eine reiche Vergangenheit. Sie hat
einen Lauf von 70 Meilen zurückgelegt, ist schiffbar geworden und nimmt eine
Breite von 2S0' ein. Gleich an der Grenze, zwischen dem russischen Peisern
und dem preußischen Pogorzelica nimmt sie die Prosna auf, den Grenzfluß
zwischen Preußisch- und Russisch-Polen, dessen Schissbarkeit dem Handel noch
größeren Gewinn bringen würde, wenn die russischen Behörden stark genug
wären, die preußischen Flößer und Schiffer vor den Neckereien der polnischen
Anwohner zu schützen. Weiterhin mündet die Lutynia, welche gleich der
Prosna von Süden nach Norden geht, in die Warthe. In jener Gegend haben
wir das Wasserbad Dembno und das Städtchen ^erkvw zwischen Wald und
Hügelland zu suchen, Plätze, die anderwärts eine Frequenz erreicht hätten.
Bei uns nicht. Der patriotische Pole fühlt keinen Drang, sei es Heilung,
sei es Vergnügen in seiner nächsten Heimath zu suchen. Bei Neustadt geht
die Warthe zum ersten Male unter das Joch einer Brücke, das sie während
ihres 33 Meilen langen Weges durch Posen noch etwa zehnmal zu tragen
hat. Die Neustädter eiserne Brücke ist die jüngste; sie wurde erst 18S9 vollendet.


durch den Sand fortschleppt, findet sich die ZZO hohe Anhöhe bei Exin, wäh¬
rend sich bei Dolzig und Moschin im Schlimmer Kreise, bei Luvin im Kostener,
bei Bomst und Wollstein sogar kleine Ketten lieblicher Anhöhen finden.

Was aber diesen Gegenden einen besonderen Neiz gibt, ist der große
Wasserreichthum unserer Provinz. Zwei mächtige Ströme bewerben sich um
unser Land und theilen sich in dasselbe; aber obgleich die Weichsel es nicht ver¬
schmäht, ihre Bewerbung durch persönliches Erscheinen und Locken von der Ost¬
grenze her zu unterstützen, so muß sie doch der schwächern Oder den bei weitem
größten Theil des Gebietes überlassen, und so geben auch die Ströme
ein Zeugniß dafür ab, wohin Posen durch seine natürliche Lage
gewiesen ist.

Den Süden der Provinz beherrscht die Barrsch, den Schlesiern übelberüchtigt
durch die großen Überschwemmungen, mit denen sie die Gegend von Guhrau
und Herrnstadt heimsucht. Sie entspringt im Adclnauer Kreise, den sie auch
fast seiner ganzen Breite nach durchschneidet, verläßt aber bald ihr Heimaths-
land, das ihr die Orla. den polnischen Landgraben, den Obersitztv, die faule
Obra und eine große Anzahl andrer Bäche und Flüßchen nachsendet. Wie
klein diese Gewässer sein mögen, richten sie doch bei heftigen Regengüssen und
plötzlichem Thauwetter erhebliche Verwüstungen an. Sowohl 18ö4 wie 1860 be¬
zeichneten zerstörte Brücken, zerrissene Wege, überschwemmte Felder die elf
Meilen des Weges der Orla. Mit.Ausnahme dieses kleinen Bartschgebietes
und des vielleicht noch kleineren der Weichsel, von dem wir zuletzt reden werden,
gehört alles Uebrige der Warthe mit der Netze.

Die Warthe, die vornehmste unter den Vasallen der Oder, hat bei ihrem
Eintritt in die preußische Monarchie schon eine reiche Vergangenheit. Sie hat
einen Lauf von 70 Meilen zurückgelegt, ist schiffbar geworden und nimmt eine
Breite von 2S0' ein. Gleich an der Grenze, zwischen dem russischen Peisern
und dem preußischen Pogorzelica nimmt sie die Prosna auf, den Grenzfluß
zwischen Preußisch- und Russisch-Polen, dessen Schissbarkeit dem Handel noch
größeren Gewinn bringen würde, wenn die russischen Behörden stark genug
wären, die preußischen Flößer und Schiffer vor den Neckereien der polnischen
Anwohner zu schützen. Weiterhin mündet die Lutynia, welche gleich der
Prosna von Süden nach Norden geht, in die Warthe. In jener Gegend haben
wir das Wasserbad Dembno und das Städtchen ^erkvw zwischen Wald und
Hügelland zu suchen, Plätze, die anderwärts eine Frequenz erreicht hätten.
Bei uns nicht. Der patriotische Pole fühlt keinen Drang, sei es Heilung,
sei es Vergnügen in seiner nächsten Heimath zu suchen. Bei Neustadt geht
die Warthe zum ersten Male unter das Joch einer Brücke, das sie während
ihres 33 Meilen langen Weges durch Posen noch etwa zehnmal zu tragen
hat. Die Neustädter eiserne Brücke ist die jüngste; sie wurde erst 18S9 vollendet.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187626"/>
            <p xml:id="ID_505" prev="#ID_504"> durch den Sand fortschleppt, findet sich die ZZO hohe Anhöhe bei Exin, wäh¬<lb/>
rend sich bei Dolzig und Moschin im Schlimmer Kreise, bei Luvin im Kostener,<lb/>
bei Bomst und Wollstein sogar kleine Ketten lieblicher Anhöhen finden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_506"> Was aber diesen Gegenden einen besonderen Neiz gibt, ist der große<lb/>
Wasserreichthum unserer Provinz. Zwei mächtige Ströme bewerben sich um<lb/>
unser Land und theilen sich in dasselbe; aber obgleich die Weichsel es nicht ver¬<lb/>
schmäht, ihre Bewerbung durch persönliches Erscheinen und Locken von der Ost¬<lb/>
grenze her zu unterstützen, so muß sie doch der schwächern Oder den bei weitem<lb/>
größten Theil des Gebietes überlassen, und so geben auch die Ströme<lb/>
ein Zeugniß dafür ab, wohin Posen durch seine natürliche Lage<lb/>
gewiesen ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_507"> Den Süden der Provinz beherrscht die Barrsch, den Schlesiern übelberüchtigt<lb/>
durch die großen Überschwemmungen, mit denen sie die Gegend von Guhrau<lb/>
und Herrnstadt heimsucht. Sie entspringt im Adclnauer Kreise, den sie auch<lb/>
fast seiner ganzen Breite nach durchschneidet, verläßt aber bald ihr Heimaths-<lb/>
land, das ihr die Orla. den polnischen Landgraben, den Obersitztv, die faule<lb/>
Obra und eine große Anzahl andrer Bäche und Flüßchen nachsendet. Wie<lb/>
klein diese Gewässer sein mögen, richten sie doch bei heftigen Regengüssen und<lb/>
plötzlichem Thauwetter erhebliche Verwüstungen an. Sowohl 18ö4 wie 1860 be¬<lb/>
zeichneten zerstörte Brücken, zerrissene Wege, überschwemmte Felder die elf<lb/>
Meilen des Weges der Orla. Mit.Ausnahme dieses kleinen Bartschgebietes<lb/>
und des vielleicht noch kleineren der Weichsel, von dem wir zuletzt reden werden,<lb/>
gehört alles Uebrige der Warthe mit der Netze.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_508"> Die Warthe, die vornehmste unter den Vasallen der Oder, hat bei ihrem<lb/>
Eintritt in die preußische Monarchie schon eine reiche Vergangenheit. Sie hat<lb/>
einen Lauf von 70 Meilen zurückgelegt, ist schiffbar geworden und nimmt eine<lb/>
Breite von 2S0' ein. Gleich an der Grenze, zwischen dem russischen Peisern<lb/>
und dem preußischen Pogorzelica nimmt sie die Prosna auf, den Grenzfluß<lb/>
zwischen Preußisch- und Russisch-Polen, dessen Schissbarkeit dem Handel noch<lb/>
größeren Gewinn bringen würde, wenn die russischen Behörden stark genug<lb/>
wären, die preußischen Flößer und Schiffer vor den Neckereien der polnischen<lb/>
Anwohner zu schützen. Weiterhin mündet die Lutynia, welche gleich der<lb/>
Prosna von Süden nach Norden geht, in die Warthe. In jener Gegend haben<lb/>
wir das Wasserbad Dembno und das Städtchen ^erkvw zwischen Wald und<lb/>
Hügelland zu suchen, Plätze, die anderwärts eine Frequenz erreicht hätten.<lb/>
Bei uns nicht. Der patriotische Pole fühlt keinen Drang, sei es Heilung,<lb/>
sei es Vergnügen in seiner nächsten Heimath zu suchen. Bei Neustadt geht<lb/>
die Warthe zum ersten Male unter das Joch einer Brücke, das sie während<lb/>
ihres 33 Meilen langen Weges durch Posen noch etwa zehnmal zu tragen<lb/>
hat. Die Neustädter eiserne Brücke ist die jüngste; sie wurde erst 18S9 vollendet.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0132] durch den Sand fortschleppt, findet sich die ZZO hohe Anhöhe bei Exin, wäh¬ rend sich bei Dolzig und Moschin im Schlimmer Kreise, bei Luvin im Kostener, bei Bomst und Wollstein sogar kleine Ketten lieblicher Anhöhen finden. Was aber diesen Gegenden einen besonderen Neiz gibt, ist der große Wasserreichthum unserer Provinz. Zwei mächtige Ströme bewerben sich um unser Land und theilen sich in dasselbe; aber obgleich die Weichsel es nicht ver¬ schmäht, ihre Bewerbung durch persönliches Erscheinen und Locken von der Ost¬ grenze her zu unterstützen, so muß sie doch der schwächern Oder den bei weitem größten Theil des Gebietes überlassen, und so geben auch die Ströme ein Zeugniß dafür ab, wohin Posen durch seine natürliche Lage gewiesen ist. Den Süden der Provinz beherrscht die Barrsch, den Schlesiern übelberüchtigt durch die großen Überschwemmungen, mit denen sie die Gegend von Guhrau und Herrnstadt heimsucht. Sie entspringt im Adclnauer Kreise, den sie auch fast seiner ganzen Breite nach durchschneidet, verläßt aber bald ihr Heimaths- land, das ihr die Orla. den polnischen Landgraben, den Obersitztv, die faule Obra und eine große Anzahl andrer Bäche und Flüßchen nachsendet. Wie klein diese Gewässer sein mögen, richten sie doch bei heftigen Regengüssen und plötzlichem Thauwetter erhebliche Verwüstungen an. Sowohl 18ö4 wie 1860 be¬ zeichneten zerstörte Brücken, zerrissene Wege, überschwemmte Felder die elf Meilen des Weges der Orla. Mit.Ausnahme dieses kleinen Bartschgebietes und des vielleicht noch kleineren der Weichsel, von dem wir zuletzt reden werden, gehört alles Uebrige der Warthe mit der Netze. Die Warthe, die vornehmste unter den Vasallen der Oder, hat bei ihrem Eintritt in die preußische Monarchie schon eine reiche Vergangenheit. Sie hat einen Lauf von 70 Meilen zurückgelegt, ist schiffbar geworden und nimmt eine Breite von 2S0' ein. Gleich an der Grenze, zwischen dem russischen Peisern und dem preußischen Pogorzelica nimmt sie die Prosna auf, den Grenzfluß zwischen Preußisch- und Russisch-Polen, dessen Schissbarkeit dem Handel noch größeren Gewinn bringen würde, wenn die russischen Behörden stark genug wären, die preußischen Flößer und Schiffer vor den Neckereien der polnischen Anwohner zu schützen. Weiterhin mündet die Lutynia, welche gleich der Prosna von Süden nach Norden geht, in die Warthe. In jener Gegend haben wir das Wasserbad Dembno und das Städtchen ^erkvw zwischen Wald und Hügelland zu suchen, Plätze, die anderwärts eine Frequenz erreicht hätten. Bei uns nicht. Der patriotische Pole fühlt keinen Drang, sei es Heilung, sei es Vergnügen in seiner nächsten Heimath zu suchen. Bei Neustadt geht die Warthe zum ersten Male unter das Joch einer Brücke, das sie während ihres 33 Meilen langen Weges durch Posen noch etwa zehnmal zu tragen hat. Die Neustädter eiserne Brücke ist die jüngste; sie wurde erst 18S9 vollendet.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/132
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/132>, abgerufen am 15.05.2024.