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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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ligionsfreiheit zu zieren, mußten 1,000 polnische Gulden (damals 10 Sgr.,
jetzt 5 Sgr.) an die römisch-katholische Kirche zu Bärsdorf gezahlt werden. Die
Erlaubniß zu jeder Reparatur wurde theuer erkauft und an so kurze Fristen für
den Bau geknüpft, nach deren Ablauf die Zahlungen erneuert werden mußten,
daß die Bürger ihre Werkstätten verließen und jeder nach dem Maß seiner Kraft
mit Hand ans Werk legte. Die Concessionen waren theuer; für die zur
Unterschwellung der Kirche erhielt Bischof Hosius hundert Dukaten; seine
Schreiber, Capläne u. s. w. fünfundfunfzig Dukaten. Fürstbischof Czartorysk
nahm für die Revision der evangelischen Kirche 1756 achtzig Dukaten. Im
Ganzen erpreßten die katholischen Polen von den evangelischen Deutschen dieser
einen Stadt zwischen 1733 und 1756 1,120 Thaler. Noch mehr. Bei einer
Inspection glaubte der Jnstigator des römischen Consistvriums zu Posen in dem
Bilde vom jüngsten Gerichte an der nördlichen Gallerie des Thores unter den
Verdammten einen Jesuiten zu erkennen und drohte mit Klage wegen Lästerung
der katholischen Kirche. "Obgleich man nichts sparte," wurde sein Zorn erst
besänftigt, als der vermeintliche Jesuit noch vor seinen Augen in einen Juden
verwandelt wurde. Die evangelischen Handwerker mußten die zahllosen katho¬
lische" Feiertage einhalten. Der (katholische) Organist von Bcusdorf ging
spähend durch die Häuser. Am Kreuzerfindungstage 1741 wurden die Tuchi
nacher bei der Arbeit überrascht; die aufgezogenen Wersten wurden ihnen zer¬
schnitten, das Garn, in dem sie gearbeitet, ward weggenommen und noch eine
Geldstrafe eingefordert.

Noch Traurigeres erfahren wir aus Lissa. 1658 huldigte Lissa, wie das
übrige Polen (außer Polnisch - Preußen) dem Könige Karl Gustav und blieb
ihm auf Rath des Amos Comerius noch treu, als die Andern von ihm abfielen.
Zur Strafe dafür ward die Stadt von polnischen Rotten überfallen, und da
sie der schon vorher zum Katholicismus abgefallene Grundherr Graf Boguslaw
v. Leszczynski verlassen hatte, leicht genommen.

Viele machten sich weg und die Schweden (in der Stadt) konnten nicht hindern,
daß am 28. (April 1756) früh 300 Wagen sich entfernten. Nachmittags wurde
die Stadt unter dem Versprechen der Gnade zur Uebergabe aufgefordert. So¬
fort begann die Flucht, besonders aber in der folgenden Nacht zogen sie in den
Bruch an der schlesischen Grenze, nach Tarlang, Kraschen und Tschirnau;
auch die Schweden zogen nach Fraustadt ab. die Stadt war recht menschenarm
geworden. Desselben Tages Nachmittags erschienen die Polen, unter ihnen
viele Adelige am Posener Thor, wo ein Bürger, Namens Kölich herantrat und
anzeigte, die Stadt sei leer, die Thore geöffnet, die Schweden abgezogen. Die
polnischen Adeligen, an ihrer Spitze ein gewisser Grzymultawski zogen ein, aßen,
tranken, waren lustig und guter Dinge, aber übernachteten nicht' in der Stadt.
Am andern Tage, den 29. April, brachen die Polen in die Stadt von Neuem


ligionsfreiheit zu zieren, mußten 1,000 polnische Gulden (damals 10 Sgr.,
jetzt 5 Sgr.) an die römisch-katholische Kirche zu Bärsdorf gezahlt werden. Die
Erlaubniß zu jeder Reparatur wurde theuer erkauft und an so kurze Fristen für
den Bau geknüpft, nach deren Ablauf die Zahlungen erneuert werden mußten,
daß die Bürger ihre Werkstätten verließen und jeder nach dem Maß seiner Kraft
mit Hand ans Werk legte. Die Concessionen waren theuer; für die zur
Unterschwellung der Kirche erhielt Bischof Hosius hundert Dukaten; seine
Schreiber, Capläne u. s. w. fünfundfunfzig Dukaten. Fürstbischof Czartorysk
nahm für die Revision der evangelischen Kirche 1756 achtzig Dukaten. Im
Ganzen erpreßten die katholischen Polen von den evangelischen Deutschen dieser
einen Stadt zwischen 1733 und 1756 1,120 Thaler. Noch mehr. Bei einer
Inspection glaubte der Jnstigator des römischen Consistvriums zu Posen in dem
Bilde vom jüngsten Gerichte an der nördlichen Gallerie des Thores unter den
Verdammten einen Jesuiten zu erkennen und drohte mit Klage wegen Lästerung
der katholischen Kirche. „Obgleich man nichts sparte," wurde sein Zorn erst
besänftigt, als der vermeintliche Jesuit noch vor seinen Augen in einen Juden
verwandelt wurde. Die evangelischen Handwerker mußten die zahllosen katho¬
lische» Feiertage einhalten. Der (katholische) Organist von Bcusdorf ging
spähend durch die Häuser. Am Kreuzerfindungstage 1741 wurden die Tuchi
nacher bei der Arbeit überrascht; die aufgezogenen Wersten wurden ihnen zer¬
schnitten, das Garn, in dem sie gearbeitet, ward weggenommen und noch eine
Geldstrafe eingefordert.

Noch Traurigeres erfahren wir aus Lissa. 1658 huldigte Lissa, wie das
übrige Polen (außer Polnisch - Preußen) dem Könige Karl Gustav und blieb
ihm auf Rath des Amos Comerius noch treu, als die Andern von ihm abfielen.
Zur Strafe dafür ward die Stadt von polnischen Rotten überfallen, und da
sie der schon vorher zum Katholicismus abgefallene Grundherr Graf Boguslaw
v. Leszczynski verlassen hatte, leicht genommen.

Viele machten sich weg und die Schweden (in der Stadt) konnten nicht hindern,
daß am 28. (April 1756) früh 300 Wagen sich entfernten. Nachmittags wurde
die Stadt unter dem Versprechen der Gnade zur Uebergabe aufgefordert. So¬
fort begann die Flucht, besonders aber in der folgenden Nacht zogen sie in den
Bruch an der schlesischen Grenze, nach Tarlang, Kraschen und Tschirnau;
auch die Schweden zogen nach Fraustadt ab. die Stadt war recht menschenarm
geworden. Desselben Tages Nachmittags erschienen die Polen, unter ihnen
viele Adelige am Posener Thor, wo ein Bürger, Namens Kölich herantrat und
anzeigte, die Stadt sei leer, die Thore geöffnet, die Schweden abgezogen. Die
polnischen Adeligen, an ihrer Spitze ein gewisser Grzymultawski zogen ein, aßen,
tranken, waren lustig und guter Dinge, aber übernachteten nicht' in der Stadt.
Am andern Tage, den 29. April, brachen die Polen in die Stadt von Neuem


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[0274] ligionsfreiheit zu zieren, mußten 1,000 polnische Gulden (damals 10 Sgr., jetzt 5 Sgr.) an die römisch-katholische Kirche zu Bärsdorf gezahlt werden. Die Erlaubniß zu jeder Reparatur wurde theuer erkauft und an so kurze Fristen für den Bau geknüpft, nach deren Ablauf die Zahlungen erneuert werden mußten, daß die Bürger ihre Werkstätten verließen und jeder nach dem Maß seiner Kraft mit Hand ans Werk legte. Die Concessionen waren theuer; für die zur Unterschwellung der Kirche erhielt Bischof Hosius hundert Dukaten; seine Schreiber, Capläne u. s. w. fünfundfunfzig Dukaten. Fürstbischof Czartorysk nahm für die Revision der evangelischen Kirche 1756 achtzig Dukaten. Im Ganzen erpreßten die katholischen Polen von den evangelischen Deutschen dieser einen Stadt zwischen 1733 und 1756 1,120 Thaler. Noch mehr. Bei einer Inspection glaubte der Jnstigator des römischen Consistvriums zu Posen in dem Bilde vom jüngsten Gerichte an der nördlichen Gallerie des Thores unter den Verdammten einen Jesuiten zu erkennen und drohte mit Klage wegen Lästerung der katholischen Kirche. „Obgleich man nichts sparte," wurde sein Zorn erst besänftigt, als der vermeintliche Jesuit noch vor seinen Augen in einen Juden verwandelt wurde. Die evangelischen Handwerker mußten die zahllosen katho¬ lische» Feiertage einhalten. Der (katholische) Organist von Bcusdorf ging spähend durch die Häuser. Am Kreuzerfindungstage 1741 wurden die Tuchi nacher bei der Arbeit überrascht; die aufgezogenen Wersten wurden ihnen zer¬ schnitten, das Garn, in dem sie gearbeitet, ward weggenommen und noch eine Geldstrafe eingefordert. Noch Traurigeres erfahren wir aus Lissa. 1658 huldigte Lissa, wie das übrige Polen (außer Polnisch - Preußen) dem Könige Karl Gustav und blieb ihm auf Rath des Amos Comerius noch treu, als die Andern von ihm abfielen. Zur Strafe dafür ward die Stadt von polnischen Rotten überfallen, und da sie der schon vorher zum Katholicismus abgefallene Grundherr Graf Boguslaw v. Leszczynski verlassen hatte, leicht genommen. Viele machten sich weg und die Schweden (in der Stadt) konnten nicht hindern, daß am 28. (April 1756) früh 300 Wagen sich entfernten. Nachmittags wurde die Stadt unter dem Versprechen der Gnade zur Uebergabe aufgefordert. So¬ fort begann die Flucht, besonders aber in der folgenden Nacht zogen sie in den Bruch an der schlesischen Grenze, nach Tarlang, Kraschen und Tschirnau; auch die Schweden zogen nach Fraustadt ab. die Stadt war recht menschenarm geworden. Desselben Tages Nachmittags erschienen die Polen, unter ihnen viele Adelige am Posener Thor, wo ein Bürger, Namens Kölich herantrat und anzeigte, die Stadt sei leer, die Thore geöffnet, die Schweden abgezogen. Die polnischen Adeligen, an ihrer Spitze ein gewisser Grzymultawski zogen ein, aßen, tranken, waren lustig und guter Dinge, aber übernachteten nicht' in der Stadt. Am andern Tage, den 29. April, brachen die Polen in die Stadt von Neuem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/274>, abgerufen am 08.06.2024.