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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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(Vgl. den ersten Brief.) Es ist zu bedauern, daß der vorjährige Antrag des
Dr. v. Niegvlcwski nach dieser Richtung hin ein Kleid angelegt hatte, das ihn
von den Verhandlungen unseres Landtages ausschloß.

Zweitens hat die Behörde gefehlt und fehlt noch darin, daß sie nicht in
den ander" Landestheilen, wenigstens in den Nachbarprovinzen. Sorge getragen
hat, Gelegenheit zur Erlernung der polnischen Sprache zu bieten. Die prager
"Studenten" lernen italienisch, die tandsdcrgcr Gymnasiasten kein polnisch
Wort. Doch ist dies allerdings ein etwas weitgehendes Axiom*).

Drittens kommen bei jeder Verwaltung Menschlichkeiten und Schwachheiten
vor; dieselben werden aber da, wo der Behörde Mißtrauen entgegenkommt,
doppelt empfindlich. Darin liegt einerseits ein Grund dafür, daß von hier
aus so viel Beschwerden laut werden, andrerseits hätte darin Veranlassung ge¬
legen, bei der Auswahl der Beamten für unsre Provinz dreifache Vorsicht an¬
zuwenden. In alten Zeiten machte ihnen das pioeul a ^ope xroeul g, tut-
wiiuz ihre Wirksamkeit zu leicht.

Das ist Alles, worüber geklagt oder genörgelt werden kann. Germanisirt
hat die Regierung hier (leider! D. Red.) niemals. Wiedcrhvlentlich bot sich ihr
Gelegenheit dazu. So bald nach der Besitzergreifung, da die durch die napoleo-
nischen Zeiten erschöpfte Provinz durch wiederholte Mißernten in tiefste Ver¬
armung gerathen war. Damals wäre es der Verwaltung ein Kleines gewesen,
mit verhältnißmäßig geringen Summen den Händen der polnischen Edelleute
die Hälfte ihres Grundbesitzes zu entwinden. Sie zog vor, dieselben in ihrem
Eigenthum zu befestigen, indem sie ihnen durch die Errichtung einer Credit¬
anstalt der Posener Landschaft kräftige Unterstützung schuf. Zu diesem Be¬
hufe gab der Fiscus nicht nur, was in jener Zeit ein erhebliches Opfer war,
200.000 Thlr. auf etwa ein halbes Jahrhundert zinsfrei her, sondern es wur¬
den dem so ins Leben gerufenen Pfandbriefsinstitut auch Vergünstigungen ge¬
stattet, deren sich in den andern Provinzen keines erfreute. Die Beleihung der
Güter wurde an keine politische Bedingung geknüpft. Am allerwenigsten trat
bei derselben eine Bevorzugung der deutschen Nationalität hervor. Unter den
Gutsbesitzern, welche das landschaftliche Reglement vollzogen, mit denen dasselbe
berathen und festgestellt war. befanden sich siebenundsechzig Polen und nur sieben
Deutsche. Die Verwaltung der Landschaft ward dem von den Interessenten selbst
gewählten Vorstände überlassen, und dieser war exclusiv polnisch. Selbst durch
die Vorgänge von 1830 fand sich der Staat nicht bewogen, an diesem Ver-



Auch General v, Grolniann sagt, wenn die 1848 bei Flemming i" Glogau unter
seinem Namen erschienenen "Bemerkungen über das Großherzogthum Posen" ächt sind: "Dagegen
wäre es sehr wünschenswert^, wenn in den angrenzenden deutschen Provinzen auf den Gym¬
nasien und selbst auf "essern Bürgerschulen die polnische Sprache gründlich gelehrt würde, um
treue und zuverlässige Subject" für die Provinz Posen heranzuziehn."

(Vgl. den ersten Brief.) Es ist zu bedauern, daß der vorjährige Antrag des
Dr. v. Niegvlcwski nach dieser Richtung hin ein Kleid angelegt hatte, das ihn
von den Verhandlungen unseres Landtages ausschloß.

Zweitens hat die Behörde gefehlt und fehlt noch darin, daß sie nicht in
den ander» Landestheilen, wenigstens in den Nachbarprovinzen. Sorge getragen
hat, Gelegenheit zur Erlernung der polnischen Sprache zu bieten. Die prager
„Studenten" lernen italienisch, die tandsdcrgcr Gymnasiasten kein polnisch
Wort. Doch ist dies allerdings ein etwas weitgehendes Axiom*).

Drittens kommen bei jeder Verwaltung Menschlichkeiten und Schwachheiten
vor; dieselben werden aber da, wo der Behörde Mißtrauen entgegenkommt,
doppelt empfindlich. Darin liegt einerseits ein Grund dafür, daß von hier
aus so viel Beschwerden laut werden, andrerseits hätte darin Veranlassung ge¬
legen, bei der Auswahl der Beamten für unsre Provinz dreifache Vorsicht an¬
zuwenden. In alten Zeiten machte ihnen das pioeul a ^ope xroeul g, tut-
wiiuz ihre Wirksamkeit zu leicht.

Das ist Alles, worüber geklagt oder genörgelt werden kann. Germanisirt
hat die Regierung hier (leider! D. Red.) niemals. Wiedcrhvlentlich bot sich ihr
Gelegenheit dazu. So bald nach der Besitzergreifung, da die durch die napoleo-
nischen Zeiten erschöpfte Provinz durch wiederholte Mißernten in tiefste Ver¬
armung gerathen war. Damals wäre es der Verwaltung ein Kleines gewesen,
mit verhältnißmäßig geringen Summen den Händen der polnischen Edelleute
die Hälfte ihres Grundbesitzes zu entwinden. Sie zog vor, dieselben in ihrem
Eigenthum zu befestigen, indem sie ihnen durch die Errichtung einer Credit¬
anstalt der Posener Landschaft kräftige Unterstützung schuf. Zu diesem Be¬
hufe gab der Fiscus nicht nur, was in jener Zeit ein erhebliches Opfer war,
200.000 Thlr. auf etwa ein halbes Jahrhundert zinsfrei her, sondern es wur¬
den dem so ins Leben gerufenen Pfandbriefsinstitut auch Vergünstigungen ge¬
stattet, deren sich in den andern Provinzen keines erfreute. Die Beleihung der
Güter wurde an keine politische Bedingung geknüpft. Am allerwenigsten trat
bei derselben eine Bevorzugung der deutschen Nationalität hervor. Unter den
Gutsbesitzern, welche das landschaftliche Reglement vollzogen, mit denen dasselbe
berathen und festgestellt war. befanden sich siebenundsechzig Polen und nur sieben
Deutsche. Die Verwaltung der Landschaft ward dem von den Interessenten selbst
gewählten Vorstände überlassen, und dieser war exclusiv polnisch. Selbst durch
die Vorgänge von 1830 fand sich der Staat nicht bewogen, an diesem Ver-



Auch General v, Grolniann sagt, wenn die 1848 bei Flemming i» Glogau unter
seinem Namen erschienenen „Bemerkungen über das Großherzogthum Posen" ächt sind: „Dagegen
wäre es sehr wünschenswert^, wenn in den angrenzenden deutschen Provinzen auf den Gym¬
nasien und selbst auf »essern Bürgerschulen die polnische Sprache gründlich gelehrt würde, um
treue und zuverlässige Subject« für die Provinz Posen heranzuziehn."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/380>, abgerufen am 30.05.2024.