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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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gefundenen, mit Werthaufschriften in verschiedenen Sprachen versehenen uralten
Königsgewichte. Dieses System dreht sich durchaus um das Ganze von sechzig
Theilen. Manche Stücke dieses Systems sind uns Allen wohlbekannt und
heute noch geläufig: wenn wir die Ekliptik in 360 Grade, wenn wir die Stunde
in 60 Minuten, die Minute wieder in 60 Secunden theilen, wenn unsere Zeit¬
ordnung, so viel irgend andre Rücksichten es zulassen, um die Ziffern 12, 60
und 360 sich bewegt, so ist das eben altererbte Wissenschaft von den Usern
des Euphrat, die Weisheit der Chaldäer des alten Testaments, die hierin heute
noch die Welt regiert. Ganz ebenso war einst auch das Gewicht getheilt: das
große Gewicht -- das Talent der Griechen -- zerfiel in 60 Manahs oder
Minen, die Mine in 60 kleine Einheiten; und diese letzte Einheit, von der
3600 auf das Talent gingen, ist nichts Andres als jenes große Goldstück, der
phokaische stäter vom dreifachen Gewicht unseres Friedrichsdor. Es war
also das Guldensystcm, wie wir es heute noch Alle kennen, das hier zu Grunde
lag; und ganz wie unserem Gulden, unserer Rechnung von sechzig Kleinmünzcn
auf die Großmünze, heutzutage das Stück von hundert Sons, der französische
Fünfsrankenthaler Concurrenz macht und dasselbe bedrängt und verdrängt,
ganz ebenso ist es im Alterthum gewesen. Aus die asiatische Mine gehen
sechzig Münzstücke, auf die griechische fünfzig Münzstücke oder hundert Münz¬
einheiten, hundert Drachmen. Der Kampf des decimalen Systems also mit
dem duodecimalcn, wie er heute noch unter unsern Augen geführt wird, ist nun
bereits 3000 Jahre alt; und das Recht darin, so weit man von einem solchen
hier sprechen kann, möchte wohl sich finden auf Seiten der alten Chaldäer und
ihrer heutigen Nachfolger, unserer .lieben Brüder in Schwaben. Denn hinsichtlich
der praktischen Bequemlichkeit für den täglichen Verkehr kommt der Zahl 60 in der
That keine andere gleich, da sie für alle Zahlen bis 6 sowie für 10 und 12 gleiche
Theile ergibt.

Auch der Gedanke, der heute noch wesentlich unsre Münzordnungcn be¬
herrscht und zerrüttet, der Versuch zwischen Gold und Silber ein festes Verhältniß
zu finden und gesetzlich festzuhalten, schreibt sich her aus den Stcuerpatenten der
uralten Sultane des Ostens. Die Goldmünze ist älter als die silberne und steht
darum auch zu dem Gewichtssystem in einem einfacheren Verhältniß; aber auch
die Silbermünze ist nicht viel jünger und, was besonders beachtenswerth ist, sie
steht von Anfang an nicht selbständig da, sondern neben und unter der Goldmünze.
Die älteste Ordnung, die die Münzen offenbaren, ist die des persischen Reiches;
nach ihr wird das Silberstück etwas leichter geschlagen als das Goldstück, so
daß jenes den neunzigsten, dieses den sechzigsten Theil der Mine wiegt; es
gelten dann zwanzig dieser leichteren Silberstücke so viel wie ein Goldstück. Dies
ergibt ein Verhältniß der beiden Metalle wie 3:40 oder ungefähr 1: 13; und
merkwürdig ist es, daß trotz aller Wechselfälle der Weltgeschichte, trotz Peru,


gefundenen, mit Werthaufschriften in verschiedenen Sprachen versehenen uralten
Königsgewichte. Dieses System dreht sich durchaus um das Ganze von sechzig
Theilen. Manche Stücke dieses Systems sind uns Allen wohlbekannt und
heute noch geläufig: wenn wir die Ekliptik in 360 Grade, wenn wir die Stunde
in 60 Minuten, die Minute wieder in 60 Secunden theilen, wenn unsere Zeit¬
ordnung, so viel irgend andre Rücksichten es zulassen, um die Ziffern 12, 60
und 360 sich bewegt, so ist das eben altererbte Wissenschaft von den Usern
des Euphrat, die Weisheit der Chaldäer des alten Testaments, die hierin heute
noch die Welt regiert. Ganz ebenso war einst auch das Gewicht getheilt: das
große Gewicht — das Talent der Griechen — zerfiel in 60 Manahs oder
Minen, die Mine in 60 kleine Einheiten; und diese letzte Einheit, von der
3600 auf das Talent gingen, ist nichts Andres als jenes große Goldstück, der
phokaische stäter vom dreifachen Gewicht unseres Friedrichsdor. Es war
also das Guldensystcm, wie wir es heute noch Alle kennen, das hier zu Grunde
lag; und ganz wie unserem Gulden, unserer Rechnung von sechzig Kleinmünzcn
auf die Großmünze, heutzutage das Stück von hundert Sons, der französische
Fünfsrankenthaler Concurrenz macht und dasselbe bedrängt und verdrängt,
ganz ebenso ist es im Alterthum gewesen. Aus die asiatische Mine gehen
sechzig Münzstücke, auf die griechische fünfzig Münzstücke oder hundert Münz¬
einheiten, hundert Drachmen. Der Kampf des decimalen Systems also mit
dem duodecimalcn, wie er heute noch unter unsern Augen geführt wird, ist nun
bereits 3000 Jahre alt; und das Recht darin, so weit man von einem solchen
hier sprechen kann, möchte wohl sich finden auf Seiten der alten Chaldäer und
ihrer heutigen Nachfolger, unserer .lieben Brüder in Schwaben. Denn hinsichtlich
der praktischen Bequemlichkeit für den täglichen Verkehr kommt der Zahl 60 in der
That keine andere gleich, da sie für alle Zahlen bis 6 sowie für 10 und 12 gleiche
Theile ergibt.

Auch der Gedanke, der heute noch wesentlich unsre Münzordnungcn be¬
herrscht und zerrüttet, der Versuch zwischen Gold und Silber ein festes Verhältniß
zu finden und gesetzlich festzuhalten, schreibt sich her aus den Stcuerpatenten der
uralten Sultane des Ostens. Die Goldmünze ist älter als die silberne und steht
darum auch zu dem Gewichtssystem in einem einfacheren Verhältniß; aber auch
die Silbermünze ist nicht viel jünger und, was besonders beachtenswerth ist, sie
steht von Anfang an nicht selbständig da, sondern neben und unter der Goldmünze.
Die älteste Ordnung, die die Münzen offenbaren, ist die des persischen Reiches;
nach ihr wird das Silberstück etwas leichter geschlagen als das Goldstück, so
daß jenes den neunzigsten, dieses den sechzigsten Theil der Mine wiegt; es
gelten dann zwanzig dieser leichteren Silberstücke so viel wie ein Goldstück. Dies
ergibt ein Verhältniß der beiden Metalle wie 3:40 oder ungefähr 1: 13; und
merkwürdig ist es, daß trotz aller Wechselfälle der Weltgeschichte, trotz Peru,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/398>, abgerufen am 28.05.2024.