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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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bin verurtheilt, es auszusprechen, seit dieses Deutschland in seinem Herzen Von
dem Teufel der Demokratie und der Einheitsbestrebungen berührt worden ist.
findet man bei ihm von jener edlen Theilnahme. die es dem polnischen Auf.
stände von 1831 so reichlich entgegenbrachte, keine Spur mehr. Ich muß hm-
Mügnn diese Feindschaft ist gegenseitig. Jeder aufmerksame Beobachter
wird' anerkennen, daß die preußischen Polen bitterer und deftiger
über ihr Joch klagen, als ihre Nachbarn über das moskowitische.
Sie geben zu. daß sie für ihre Person mehr Freiheit haben, aber
sie fügen hinzu, daß sie als Nation mehr bedroht sind").

Meine Freunde an der Warthe wollen mir verzeihen: hatte ich die Ehre
Pole zu sein, ich möchte es lieber in Preußen als in Rußland sein. S. 36.

Es ist indeß gewiß, daß Preußen in den seinen Gesetzen unterworfenen
Polnischen Provinzen die polnische Nationalität durch Mittel, welche die Russen
nicht oder nicht mehr anwenden, verfolgt. Es arbeitet systematisch darauf, die
Polen von allen Aemtern auszuschließen, die polnische Sprache zu vernichten,
den Protestantismus einzuführen, den Grundbesitz in deutsche Hände zu
bringen. Alle Richter-, Verwaltungs- und Kassenstellen werden den Deutschen
gegeben." S. 37.

Nachher erzählt er von den evangelischen Kirchensystemen für fünf oder
sechs Deutsche in einem polnischen Dorfe, und dann bringt er em hübsch
erfundenes Märchen von der neuen Landschaft. Durch Kriege, unentgeltliche
Verwaltung der großen Staatsämter haben sich die Polen in Schulden gestürzt,
die Bauernbefreiung hat die Armuth vergrößert. Sofort hat die Regierung
den Deutschen große Summen zum Ankauf polnischen Landes gegeben. Tue
Geängsteten haben nur die neue Landschaft gegründet, welche ihnen große
Dienste geleistet hat. "Durch eine Maßregel, welche es schwer ist, nicht als
Willkür oder Bosheit anzusehen, bat d,e Verwaltung die Fortführung dieser
Einrichtung, die schon anhob den Boden zu entlasten, untersagt. Sie borgt
selbst den Deutschen Geld und verbietet den Polen, sich gegenseitig solches zu
leihen. Alle Quellen des Credites werden also für den Polen verschlossen und
den Deutschen geöffnet." S. 38. (vgl. unsern fünften Brief.)

Es ist wohl nicht gut denkbar, daß Graf Montalembert Europa wider
besseres Wissen mit solchen kolossalen Unwahrheiten unterhält. Welches ist.'
also das Gewissen der Männer, die ihm das Material gaben?!

Lasse" wir ihn schließen: "Lebe wohl, du theures, edles Polen, Wenn



") Aehnlich schriebe" die viaclvwosei schon Im Großherzogthum Posen ist
Lage des polnischen Bewohners, wenn man ihn als Mensch und als Bürger betrachtet, freier
und sicherer als in Galizien und im Königreich; wen" man ihn aber als Polen betrachtet,
°>e schwierigste und unerträglichste.die
freier
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bin verurtheilt, es auszusprechen, seit dieses Deutschland in seinem Herzen Von
dem Teufel der Demokratie und der Einheitsbestrebungen berührt worden ist.
findet man bei ihm von jener edlen Theilnahme. die es dem polnischen Auf.
stände von 1831 so reichlich entgegenbrachte, keine Spur mehr. Ich muß hm-
Mügnn diese Feindschaft ist gegenseitig. Jeder aufmerksame Beobachter
wird' anerkennen, daß die preußischen Polen bitterer und deftiger
über ihr Joch klagen, als ihre Nachbarn über das moskowitische.
Sie geben zu. daß sie für ihre Person mehr Freiheit haben, aber
sie fügen hinzu, daß sie als Nation mehr bedroht sind").

Meine Freunde an der Warthe wollen mir verzeihen: hatte ich die Ehre
Pole zu sein, ich möchte es lieber in Preußen als in Rußland sein. S. 36.

Es ist indeß gewiß, daß Preußen in den seinen Gesetzen unterworfenen
Polnischen Provinzen die polnische Nationalität durch Mittel, welche die Russen
nicht oder nicht mehr anwenden, verfolgt. Es arbeitet systematisch darauf, die
Polen von allen Aemtern auszuschließen, die polnische Sprache zu vernichten,
den Protestantismus einzuführen, den Grundbesitz in deutsche Hände zu
bringen. Alle Richter-, Verwaltungs- und Kassenstellen werden den Deutschen
gegeben." S. 37.

Nachher erzählt er von den evangelischen Kirchensystemen für fünf oder
sechs Deutsche in einem polnischen Dorfe, und dann bringt er em hübsch
erfundenes Märchen von der neuen Landschaft. Durch Kriege, unentgeltliche
Verwaltung der großen Staatsämter haben sich die Polen in Schulden gestürzt,
die Bauernbefreiung hat die Armuth vergrößert. Sofort hat die Regierung
den Deutschen große Summen zum Ankauf polnischen Landes gegeben. Tue
Geängsteten haben nur die neue Landschaft gegründet, welche ihnen große
Dienste geleistet hat. „Durch eine Maßregel, welche es schwer ist, nicht als
Willkür oder Bosheit anzusehen, bat d,e Verwaltung die Fortführung dieser
Einrichtung, die schon anhob den Boden zu entlasten, untersagt. Sie borgt
selbst den Deutschen Geld und verbietet den Polen, sich gegenseitig solches zu
leihen. Alle Quellen des Credites werden also für den Polen verschlossen und
den Deutschen geöffnet." S. 38. (vgl. unsern fünften Brief.)

Es ist wohl nicht gut denkbar, daß Graf Montalembert Europa wider
besseres Wissen mit solchen kolossalen Unwahrheiten unterhält. Welches ist.'
also das Gewissen der Männer, die ihm das Material gaben?!

Lasse» wir ihn schließen: „Lebe wohl, du theures, edles Polen, Wenn



") Aehnlich schriebe» die viaclvwosei schon Im Großherzogthum Posen ist
Lage des polnischen Bewohners, wenn man ihn als Mensch und als Bürger betrachtet, freier
und sicherer als in Galizien und im Königreich; wen» man ihn aber als Polen betrachtet,
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[0427] bin verurtheilt, es auszusprechen, seit dieses Deutschland in seinem Herzen Von dem Teufel der Demokratie und der Einheitsbestrebungen berührt worden ist. findet man bei ihm von jener edlen Theilnahme. die es dem polnischen Auf. stände von 1831 so reichlich entgegenbrachte, keine Spur mehr. Ich muß hm- Mügnn diese Feindschaft ist gegenseitig. Jeder aufmerksame Beobachter wird' anerkennen, daß die preußischen Polen bitterer und deftiger über ihr Joch klagen, als ihre Nachbarn über das moskowitische. Sie geben zu. daß sie für ihre Person mehr Freiheit haben, aber sie fügen hinzu, daß sie als Nation mehr bedroht sind"). Meine Freunde an der Warthe wollen mir verzeihen: hatte ich die Ehre Pole zu sein, ich möchte es lieber in Preußen als in Rußland sein. S. 36. Es ist indeß gewiß, daß Preußen in den seinen Gesetzen unterworfenen Polnischen Provinzen die polnische Nationalität durch Mittel, welche die Russen nicht oder nicht mehr anwenden, verfolgt. Es arbeitet systematisch darauf, die Polen von allen Aemtern auszuschließen, die polnische Sprache zu vernichten, den Protestantismus einzuführen, den Grundbesitz in deutsche Hände zu bringen. Alle Richter-, Verwaltungs- und Kassenstellen werden den Deutschen gegeben." S. 37. Nachher erzählt er von den evangelischen Kirchensystemen für fünf oder sechs Deutsche in einem polnischen Dorfe, und dann bringt er em hübsch erfundenes Märchen von der neuen Landschaft. Durch Kriege, unentgeltliche Verwaltung der großen Staatsämter haben sich die Polen in Schulden gestürzt, die Bauernbefreiung hat die Armuth vergrößert. Sofort hat die Regierung den Deutschen große Summen zum Ankauf polnischen Landes gegeben. Tue Geängsteten haben nur die neue Landschaft gegründet, welche ihnen große Dienste geleistet hat. „Durch eine Maßregel, welche es schwer ist, nicht als Willkür oder Bosheit anzusehen, bat d,e Verwaltung die Fortführung dieser Einrichtung, die schon anhob den Boden zu entlasten, untersagt. Sie borgt selbst den Deutschen Geld und verbietet den Polen, sich gegenseitig solches zu leihen. Alle Quellen des Credites werden also für den Polen verschlossen und den Deutschen geöffnet." S. 38. (vgl. unsern fünften Brief.) Es ist wohl nicht gut denkbar, daß Graf Montalembert Europa wider besseres Wissen mit solchen kolossalen Unwahrheiten unterhält. Welches ist.' also das Gewissen der Männer, die ihm das Material gaben?! Lasse» wir ihn schließen: „Lebe wohl, du theures, edles Polen, Wenn ") Aehnlich schriebe» die viaclvwosei schon Im Großherzogthum Posen ist Lage des polnischen Bewohners, wenn man ihn als Mensch und als Bürger betrachtet, freier und sicherer als in Galizien und im Königreich; wen» man ihn aber als Polen betrachtet, °>e schwierigste und unerträglichste.die freier 53'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/427>, abgerufen am 29.05.2024.