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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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tinöes überhaupt von seinem Sohn erhielt, dieser wie viele Andere sich auf
seiner Reise eine Abschrift der längst und vielfach gedruckten und auch hand¬
schriftlich vielfach verbreiteten Schrift aufhängen ließ, und daß Bater und Sohn
lange in dem angenehmen Gefühle lebten, eine große Merkwürdigkeit zu besitzen.

Doch genug von der buffonschen Handschrift. In Betreff der des Herrn
Acton können wir uns kürzer fassen.

Hier beruht Alles auf der dürftigen Angabe, welche uns Herr Acton selbst
über die Entstehung derselben bietet:

"Als Napoleon," sagt er, "im Jahre 1806 in Berlin war, fand sein Privat-
secrctär, Baron Mencval, das Manuscript der Natirivos in Sanssouci. Er
war der Ansicht, daß es von der Hand des Königs sei, mit der er bekannt
sein mußte, und nahm eine Abschrift, welche die Grundlage dieser Ausgabe ist."

Das ist Alles. Wir erfahren nicht, woher Herr Acton weiß, daß Mene-
val überhaupt ein Manuscript fand, ob aus einer Aussage desselben, ob aus
einer Tradition, ob aus Schlußfolgerungen, deren Werth wir eben gesehen haben.
Wir erfahren nichts davon, an welcher Stelle und wie er das merkwürdige Ma¬
nuscript fand, und woran er die Echtheit der Handschrift erkannte? Herr Acton
erzählt uns nicht, ob die Handschrift die fast von jedem schriftstellerischen Manus¬
cript unzertrennlichen Correcturen, ob sie die eigenthümliche unorthographische
Schreibweise des großen Königs hatte? Er klärt nicht auf, wo das Original blieb,
weshalb er nicht Napoleon den merkwürdigen Fund zeigte und dieser denselben
nicht nach Paris schaffen ließ, eine Handschrist, die den unumstößlichen Beweis
der tiefen Verderbtheit des Siegers von Roßbach kundgab? Und die Franzosen
waren damals in Berlin in Betreff des Eigenthumspunktes gar nicht übermäßig
gewissenhaft. Wer das Münzcabinet ausplündern ließ und den Degen Frie¬
drich des Großen mit andern Reliquien desselben nach Paris anführte, sollte
die merkwürdige Selbstanklage des Königs liegen gelassen haben?

Ueber alle diese Punkte hören wir von Herrn Acton kein Wort. Derselbe
möge uns aber die Bemerkung verzeihen, daß wir uns zu der Forderung einer
klaren Mittheilung über die Geschichte der von ihm herausgegebenen Handschrift
sehr berechtigt halren. Denn wir können seiner bloßen Behauptung durchaus
keinen Werth beilegen, nachdem wir gesehen haben, daß er die tollen Conjec-
turen über die buffonsche Handschrift für baare Münze ausgibt. Oder wäre
Herr Acton nicht im Stande, irgend eine jener Fragen genügend zu beant¬
worten, und wäre jene Behauptung nichts als eine in dem Gewand einer
Thatsache einhergehende Hypothese?

Und so ist es in der That. Denn nachdem Herr Acton an einer andern
Stelle seines Aufsatzes davon gesprochen hat. daß der bekannte Grimm dem
Könige zwei Abschriften der in Paris circulirenden Ng,t,in6"8 eingesandt habe, fügt
er hinzu, er könne nicht glauben, daß Meneval sich die Mühe genommen


tinöes überhaupt von seinem Sohn erhielt, dieser wie viele Andere sich auf
seiner Reise eine Abschrift der längst und vielfach gedruckten und auch hand¬
schriftlich vielfach verbreiteten Schrift aufhängen ließ, und daß Bater und Sohn
lange in dem angenehmen Gefühle lebten, eine große Merkwürdigkeit zu besitzen.

Doch genug von der buffonschen Handschrift. In Betreff der des Herrn
Acton können wir uns kürzer fassen.

Hier beruht Alles auf der dürftigen Angabe, welche uns Herr Acton selbst
über die Entstehung derselben bietet:

„Als Napoleon," sagt er, „im Jahre 1806 in Berlin war, fand sein Privat-
secrctär, Baron Mencval, das Manuscript der Natirivos in Sanssouci. Er
war der Ansicht, daß es von der Hand des Königs sei, mit der er bekannt
sein mußte, und nahm eine Abschrift, welche die Grundlage dieser Ausgabe ist."

Das ist Alles. Wir erfahren nicht, woher Herr Acton weiß, daß Mene-
val überhaupt ein Manuscript fand, ob aus einer Aussage desselben, ob aus
einer Tradition, ob aus Schlußfolgerungen, deren Werth wir eben gesehen haben.
Wir erfahren nichts davon, an welcher Stelle und wie er das merkwürdige Ma¬
nuscript fand, und woran er die Echtheit der Handschrift erkannte? Herr Acton
erzählt uns nicht, ob die Handschrift die fast von jedem schriftstellerischen Manus¬
cript unzertrennlichen Correcturen, ob sie die eigenthümliche unorthographische
Schreibweise des großen Königs hatte? Er klärt nicht auf, wo das Original blieb,
weshalb er nicht Napoleon den merkwürdigen Fund zeigte und dieser denselben
nicht nach Paris schaffen ließ, eine Handschrist, die den unumstößlichen Beweis
der tiefen Verderbtheit des Siegers von Roßbach kundgab? Und die Franzosen
waren damals in Berlin in Betreff des Eigenthumspunktes gar nicht übermäßig
gewissenhaft. Wer das Münzcabinet ausplündern ließ und den Degen Frie¬
drich des Großen mit andern Reliquien desselben nach Paris anführte, sollte
die merkwürdige Selbstanklage des Königs liegen gelassen haben?

Ueber alle diese Punkte hören wir von Herrn Acton kein Wort. Derselbe
möge uns aber die Bemerkung verzeihen, daß wir uns zu der Forderung einer
klaren Mittheilung über die Geschichte der von ihm herausgegebenen Handschrift
sehr berechtigt halren. Denn wir können seiner bloßen Behauptung durchaus
keinen Werth beilegen, nachdem wir gesehen haben, daß er die tollen Conjec-
turen über die buffonsche Handschrift für baare Münze ausgibt. Oder wäre
Herr Acton nicht im Stande, irgend eine jener Fragen genügend zu beant¬
worten, und wäre jene Behauptung nichts als eine in dem Gewand einer
Thatsache einhergehende Hypothese?

Und so ist es in der That. Denn nachdem Herr Acton an einer andern
Stelle seines Aufsatzes davon gesprochen hat. daß der bekannte Grimm dem
Könige zwei Abschriften der in Paris circulirenden Ng,t,in6«8 eingesandt habe, fügt
er hinzu, er könne nicht glauben, daß Meneval sich die Mühe genommen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/488>, abgerufen am 29.05.2024.