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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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nebst Veritas und endlich die mythischen Entdecker Meneval und Savary geglaubt
haben, diese Schrift sei ein Werk Friedrich des Großen.

Das Gewicht dieser Thatsache aber wird ein wenig verringert, wenn wir sehen,
wie diese Personen, vielleicht mit einziger Ausnahme von Hr. Acton, zu ihrer Ansicht
gekommen sind. Sie glauben sämmtlich, daß das ihnen vorliegende Manu-
script, wenn nicht Unicum, jedenfalls ungedruckt sei. Sie lesen mit Erstaunen,
was der Held des achtzehnten Jahrhunderts hier von sich erzählt, was er
für die wahre Regierungsweisheit erklärt. Sie fühlen, daß hier ein poli¬
tischer, jedenfalls ein historischer Schatz vorliegt, sie nehmen zum Theil Ab¬
schriften; was sie in ihrer Entdeckerwonne als vage Vermuthung über die Her¬
kunft der gefundenen Handschrift aussprechen, erbt sich mit den Abschriften in
dem Gewand thatsächlicher Behauptungen fort, oder sie sind kühn genug, diese
Umkleidung selbst vorzunehmen.

Die Hauptsache ist, daß sie keine Ahnung davon hatten, daß ein von jeher
von der Kritik verworfenes, längstund vielfach gedrucktes Werk vor ihnen lag.

Nur in letzterer Beziehung macht das Verfahren des Hrn. Acton entschieden
eine Ausnahme" Herr Acton mag vielleicht ursprünglich in ähnlicher Weise zu
seiner Ansicht gekommen sein, aber er hat sich dann doch über den Gegenstand,
wenn auch nur im Allgemeinen, unterrichtet.

Und obwohl er weiß, daß diese Schrift vielfach gedruckt ist, gibt er sie
mit der Bezeichnung "vxuseule irMit" auf dem Titel heraus. Wie würde
Herr Acton über einen Mann urtheilen, der hundertundsechzig Jahre nach
Bentley die Briefe des Phalaris, von denen er eine neue Handschrift gefunden
hätte, mit dem Beisatze "Oxuseulum inväitum" veröffentlichte?

Wir können indeß nicht daran zweifeln: unsere Kinder, wenn nicht wir
selbst, werden bald wieder eine neue Ausgabe der NirtiinZss als "Opuseuw
in6An" erhalten. Haben uns doch zuletzt in kurzen Zwischenräumen die Jahre
1844, 1860 und 1863 mit solchen Abdrücken beschenkt.

Die Persönlichkeit Friedrichs ist dazu interessant genug, und da es an
Handschriften nicht fehlt, so werden auch Entdcckerfreude. Leichtfertigkeit oder
Fanatismus wieder dieselben Wirkungen hervorbringen.

Wer weiß, wenn Buffon, Meneval und Savary von der Bühne verschwunden
sind, ob nicht noch eine von Napoleon dem Ersten selbst gemachte Abschrift auf¬
taucht. Jedenfalls wird es daher einiges Interesse haben die Frage zu erörtern,
ob es überhaupt möglich ist, daß die Nadir^W von Friedrich dem Großen ver¬
saßt seien? Wir werden versuchen, dieselbe im nächsten Heft dieser Blätter zu
beantworten und daran eine Erörterung über den wahrscheinlichen Ursprung
K. Samwer. - der Radin66L knüpfen.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Herbig. -- Druck von C. E, Elbert in Leipzig.

nebst Veritas und endlich die mythischen Entdecker Meneval und Savary geglaubt
haben, diese Schrift sei ein Werk Friedrich des Großen.

Das Gewicht dieser Thatsache aber wird ein wenig verringert, wenn wir sehen,
wie diese Personen, vielleicht mit einziger Ausnahme von Hr. Acton, zu ihrer Ansicht
gekommen sind. Sie glauben sämmtlich, daß das ihnen vorliegende Manu-
script, wenn nicht Unicum, jedenfalls ungedruckt sei. Sie lesen mit Erstaunen,
was der Held des achtzehnten Jahrhunderts hier von sich erzählt, was er
für die wahre Regierungsweisheit erklärt. Sie fühlen, daß hier ein poli¬
tischer, jedenfalls ein historischer Schatz vorliegt, sie nehmen zum Theil Ab¬
schriften; was sie in ihrer Entdeckerwonne als vage Vermuthung über die Her¬
kunft der gefundenen Handschrift aussprechen, erbt sich mit den Abschriften in
dem Gewand thatsächlicher Behauptungen fort, oder sie sind kühn genug, diese
Umkleidung selbst vorzunehmen.

Die Hauptsache ist, daß sie keine Ahnung davon hatten, daß ein von jeher
von der Kritik verworfenes, längstund vielfach gedrucktes Werk vor ihnen lag.

Nur in letzterer Beziehung macht das Verfahren des Hrn. Acton entschieden
eine Ausnahme» Herr Acton mag vielleicht ursprünglich in ähnlicher Weise zu
seiner Ansicht gekommen sein, aber er hat sich dann doch über den Gegenstand,
wenn auch nur im Allgemeinen, unterrichtet.

Und obwohl er weiß, daß diese Schrift vielfach gedruckt ist, gibt er sie
mit der Bezeichnung „vxuseule irMit" auf dem Titel heraus. Wie würde
Herr Acton über einen Mann urtheilen, der hundertundsechzig Jahre nach
Bentley die Briefe des Phalaris, von denen er eine neue Handschrift gefunden
hätte, mit dem Beisatze „Oxuseulum inväitum" veröffentlichte?

Wir können indeß nicht daran zweifeln: unsere Kinder, wenn nicht wir
selbst, werden bald wieder eine neue Ausgabe der NirtiinZss als „Opuseuw
in6An" erhalten. Haben uns doch zuletzt in kurzen Zwischenräumen die Jahre
1844, 1860 und 1863 mit solchen Abdrücken beschenkt.

Die Persönlichkeit Friedrichs ist dazu interessant genug, und da es an
Handschriften nicht fehlt, so werden auch Entdcckerfreude. Leichtfertigkeit oder
Fanatismus wieder dieselben Wirkungen hervorbringen.

Wer weiß, wenn Buffon, Meneval und Savary von der Bühne verschwunden
sind, ob nicht noch eine von Napoleon dem Ersten selbst gemachte Abschrift auf¬
taucht. Jedenfalls wird es daher einiges Interesse haben die Frage zu erörtern,
ob es überhaupt möglich ist, daß die Nadir^W von Friedrich dem Großen ver¬
saßt seien? Wir werden versuchen, dieselbe im nächsten Heft dieser Blätter zu
beantworten und daran eine Erörterung über den wahrscheinlichen Ursprung
K. Samwer. - der Radin66L knüpfen.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Herbig. — Druck von C. E, Elbert in Leipzig.
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[0492] nebst Veritas und endlich die mythischen Entdecker Meneval und Savary geglaubt haben, diese Schrift sei ein Werk Friedrich des Großen. Das Gewicht dieser Thatsache aber wird ein wenig verringert, wenn wir sehen, wie diese Personen, vielleicht mit einziger Ausnahme von Hr. Acton, zu ihrer Ansicht gekommen sind. Sie glauben sämmtlich, daß das ihnen vorliegende Manu- script, wenn nicht Unicum, jedenfalls ungedruckt sei. Sie lesen mit Erstaunen, was der Held des achtzehnten Jahrhunderts hier von sich erzählt, was er für die wahre Regierungsweisheit erklärt. Sie fühlen, daß hier ein poli¬ tischer, jedenfalls ein historischer Schatz vorliegt, sie nehmen zum Theil Ab¬ schriften; was sie in ihrer Entdeckerwonne als vage Vermuthung über die Her¬ kunft der gefundenen Handschrift aussprechen, erbt sich mit den Abschriften in dem Gewand thatsächlicher Behauptungen fort, oder sie sind kühn genug, diese Umkleidung selbst vorzunehmen. Die Hauptsache ist, daß sie keine Ahnung davon hatten, daß ein von jeher von der Kritik verworfenes, längstund vielfach gedrucktes Werk vor ihnen lag. Nur in letzterer Beziehung macht das Verfahren des Hrn. Acton entschieden eine Ausnahme» Herr Acton mag vielleicht ursprünglich in ähnlicher Weise zu seiner Ansicht gekommen sein, aber er hat sich dann doch über den Gegenstand, wenn auch nur im Allgemeinen, unterrichtet. Und obwohl er weiß, daß diese Schrift vielfach gedruckt ist, gibt er sie mit der Bezeichnung „vxuseule irMit" auf dem Titel heraus. Wie würde Herr Acton über einen Mann urtheilen, der hundertundsechzig Jahre nach Bentley die Briefe des Phalaris, von denen er eine neue Handschrift gefunden hätte, mit dem Beisatze „Oxuseulum inväitum" veröffentlichte? Wir können indeß nicht daran zweifeln: unsere Kinder, wenn nicht wir selbst, werden bald wieder eine neue Ausgabe der NirtiinZss als „Opuseuw in6An" erhalten. Haben uns doch zuletzt in kurzen Zwischenräumen die Jahre 1844, 1860 und 1863 mit solchen Abdrücken beschenkt. Die Persönlichkeit Friedrichs ist dazu interessant genug, und da es an Handschriften nicht fehlt, so werden auch Entdcckerfreude. Leichtfertigkeit oder Fanatismus wieder dieselben Wirkungen hervorbringen. Wer weiß, wenn Buffon, Meneval und Savary von der Bühne verschwunden sind, ob nicht noch eine von Napoleon dem Ersten selbst gemachte Abschrift auf¬ taucht. Jedenfalls wird es daher einiges Interesse haben die Frage zu erörtern, ob es überhaupt möglich ist, daß die Nadir^W von Friedrich dem Großen ver¬ saßt seien? Wir werden versuchen, dieselbe im nächsten Heft dieser Blätter zu beantworten und daran eine Erörterung über den wahrscheinlichen Ursprung K. Samwer. - der Radin66L knüpfen. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch. Verlag von F. L, Herbig. — Druck von C. E, Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/492>, abgerufen am 06.05.2024.