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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Cabinet aufs dringendste aufgefordert, den auf den 6. März einberufenen Ständen
von Holstein das Budget vorzulegen, um auf diese Weise einer Bundesexecution
vorzubeugen. In Folge einer Jnterpellation, die Lord Ellenborough in der
Sitzung des Oberhauses vom 18. März stellte, machte Lord Wodehouse die
Mittheilung, daß zufolge einer officiellen Nachricht, die die Regierung I. M.
erhalten, das Budget den Ständen vorgelegt sei. Die Nachricht erregte in
Itzehoe ein nicht geringes Erstaunen; Niemand wußte dort etwas von der
Vorlage eines Budgets. Der Minister für Holstein, Herr Raaslöff, der als
königlicher Commissär den Verhandlungen der Stände beiwohnte, antwortete
auf die wiederholt an ihn gerichtete Jnterpellation, ob den Ständen ein Bud¬
get vorgelegt sei, daß er keine Antwort auf die Frage geben könne. Am
4. April erfuhren die Stände endlich, daß der Leiter der dänischen Regierung
die beiläufige, in einem Gesetzentwurfe angebrachte Erwähnung einer vor
anderthalb Jahren ohne ständische Zustimmung emanirten königlichen Verord¬
nung als Vorlage eines Budgets angesehen wissen wollte. Es sei ihnen un¬
benommen, hieß es, an diese -- übrigens vom Bunde für rechtswidrig er¬
klärte, von der dänischen Negierung aber nicht aufgehobene --> Verordnung Be¬
rathungen zu knüpfen, Aufklärungen nachzusuchen und auf Abänderung der
dort enthaltenen Bestimmungen "anzutragen", über welche Anträge die Negie¬
rung sich indessen ihre Entscheidung vorbehalten müßte. Die Stände erwiderten
darauf Sr, Maj. dem Könige, "es sei nicht der Wahrheit gemäß", wenn Von
dem Ministerium behauptet wer^ve, daß ihnen ein Budget vorgelegt sei. Auch
Herr Raaslöff, der nicht länger in Itzehoe als königlicher Commissär fungiren
mochte und aus dem Cabinete auftrat, gab, indem er den Conseilprästdenten
der Zweizüngigteit beschuldigte, öffentlich die Erklärung ab, daß bei den
Verhandlungen im Geheimen Staatsrathe von der Vorlage des Budgets nicht
die Rede gewesen sei.

So schien also nach dem Schlüsse der Ständesessivn die Bundesexecution
unvermeidlich, als Lord Loftus die Aufmerksamkeit des Berliner Cabinets
auf eine in der dänischen Depesche vom 22. März enthaltene Auslassung
hinlenkte.

Der dänische Staatshaushalt besteht nämlich in einem octroyirtcn als fest¬
stehend angesehenen Normalbudget, welches die für die Führung der Geschäfte
unentbehrlichen Einnahmen und Ausgaben ausführt, und aus den über das
Normalbudget hinaus von der Negierung beantragten weiteren Einnahmen
und Ausgaben. Das Normalbudget wird der constitutionellen Bewilligung
nicht unterworfen, dagegen wird die Zustimmung zu den über das Nvrmal-
budget hinausgehenden Forderungen in Dänemark als Vertrauenssache auf¬
gefaßt. Fände die Regierung für ihre Politik nicht mehr die Unterstützung der
parlamentarischen Majorität, so würde dieselbe ihr die Bewilligung zu den


Cabinet aufs dringendste aufgefordert, den auf den 6. März einberufenen Ständen
von Holstein das Budget vorzulegen, um auf diese Weise einer Bundesexecution
vorzubeugen. In Folge einer Jnterpellation, die Lord Ellenborough in der
Sitzung des Oberhauses vom 18. März stellte, machte Lord Wodehouse die
Mittheilung, daß zufolge einer officiellen Nachricht, die die Regierung I. M.
erhalten, das Budget den Ständen vorgelegt sei. Die Nachricht erregte in
Itzehoe ein nicht geringes Erstaunen; Niemand wußte dort etwas von der
Vorlage eines Budgets. Der Minister für Holstein, Herr Raaslöff, der als
königlicher Commissär den Verhandlungen der Stände beiwohnte, antwortete
auf die wiederholt an ihn gerichtete Jnterpellation, ob den Ständen ein Bud¬
get vorgelegt sei, daß er keine Antwort auf die Frage geben könne. Am
4. April erfuhren die Stände endlich, daß der Leiter der dänischen Regierung
die beiläufige, in einem Gesetzentwurfe angebrachte Erwähnung einer vor
anderthalb Jahren ohne ständische Zustimmung emanirten königlichen Verord¬
nung als Vorlage eines Budgets angesehen wissen wollte. Es sei ihnen un¬
benommen, hieß es, an diese — übrigens vom Bunde für rechtswidrig er¬
klärte, von der dänischen Negierung aber nicht aufgehobene —> Verordnung Be¬
rathungen zu knüpfen, Aufklärungen nachzusuchen und auf Abänderung der
dort enthaltenen Bestimmungen „anzutragen", über welche Anträge die Negie¬
rung sich indessen ihre Entscheidung vorbehalten müßte. Die Stände erwiderten
darauf Sr, Maj. dem Könige, „es sei nicht der Wahrheit gemäß", wenn Von
dem Ministerium behauptet wer^ve, daß ihnen ein Budget vorgelegt sei. Auch
Herr Raaslöff, der nicht länger in Itzehoe als königlicher Commissär fungiren
mochte und aus dem Cabinete auftrat, gab, indem er den Conseilprästdenten
der Zweizüngigteit beschuldigte, öffentlich die Erklärung ab, daß bei den
Verhandlungen im Geheimen Staatsrathe von der Vorlage des Budgets nicht
die Rede gewesen sei.

So schien also nach dem Schlüsse der Ständesessivn die Bundesexecution
unvermeidlich, als Lord Loftus die Aufmerksamkeit des Berliner Cabinets
auf eine in der dänischen Depesche vom 22. März enthaltene Auslassung
hinlenkte.

Der dänische Staatshaushalt besteht nämlich in einem octroyirtcn als fest¬
stehend angesehenen Normalbudget, welches die für die Führung der Geschäfte
unentbehrlichen Einnahmen und Ausgaben ausführt, und aus den über das
Normalbudget hinaus von der Negierung beantragten weiteren Einnahmen
und Ausgaben. Das Normalbudget wird der constitutionellen Bewilligung
nicht unterworfen, dagegen wird die Zustimmung zu den über das Nvrmal-
budget hinausgehenden Forderungen in Dänemark als Vertrauenssache auf¬
gefaßt. Fände die Regierung für ihre Politik nicht mehr die Unterstützung der
parlamentarischen Majorität, so würde dieselbe ihr die Bewilligung zu den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/50>, abgerufen am 29.04.2024.