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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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bildete sich selbst am Hofe eine Partei gegen ihn und im April 1764 verlor
er in der Pompadour eine starke Stütze.

Der Haß gegen Friedrich den Großen konnte nach diesem Frieden nicht
geringer werden. Es ist nicht einmal zu einem Friedensschluß zwischen Frank¬
reich und Preußen gekommen. Auch nach dem Frieden hielten noch französische
Truppen das preußische Cleve besetzt. Friedrich ließ ein kleines Corps auf¬
brechen, um sie zu vertreiben. Sie räumten Cleve auf gute Manier.

Die diplomatischen Beziehungen wurden zwischen Frankreich und Preußen
nicht wiederhergestellt, noch in der Mitte 1765 war kein französischer Gesandter
für Berlin, kein preußischer für Paris ernannt. Es ist vielleicht nicht ohne
Beziehung, daß Grimm in jenem zweiten Briefe über die Rätin^Sö vom
7. Juni 1765 auch über diese andauernde Entfremdung der beiden Höfe klagt
und den Plan entwirft, die Wiederherstellung wenigstens der gewöhnlichen
Beziehungen zu vermitteln. Er sagt, er wisse längst, daß Friedrich den Herzog
v. Prasum achte, und habe seitdem erfahren, daß er den Herzog v. Choiseul
werthschätze. Grimm äußert sich aber nicht über die Gesinnung des Herzogs
v. Choiseul oder der andern französischen Machthaber gegen den König. Die
Politik war Von den persönlichen Verhältnissen beherrscht, es ist nicht Preußen,
sondern der König von Preußen, den man in Versailles haßt.

Auf diesem politischen Hintergrunde erscheinen plötzlich zu Anfang des
Jahres 1765 zu Paris die handschriftlichen Rat-necs,

Fragt man, wem die Natw^of am meisten nützen konnten, so war es
ohne Zweifel die am versailler Hofe herrschende Partei. Denn diese Schrift
zeigte, daß man es mit einem an sich unbedeutenden, aber in teuflischer Weise
denkenden und handelnden, kein Mittel verschmähenden Feinde zu thun gehabt
habe; die Niederlage, welche Frankreich erlitten hatte, war die, welche die
Tugend von dem Laster erleidet. Der vom pariser Publicum bewunderte Frie¬
drich war verabscheuungswürdig, er war zugleich lächerlich und verächtlich
gemacht.

Interessant ist es zu sehen, wie in den Radii^of nichts gegen die fran¬
zösische Regierung und Frankreich vorkommt. Eine Stelle am Schluß des Ab'
Schritts über Kleidung, wo von den in Vergnügungen, Bällen und Ausschwei¬
fungen lebenden Fürsten die Rede ist, welche sich ausschließlich mit den Frauen
beschäftigen, läßt sich allerdings auf Ludwig den Fünfzehnten beziehen, fehlt
aber in den Handschriften von 1765.

Ebenso ist es auffallend, wie in den Natmvös für die Tüchtigkeit der
Armee Friedrichs sich nirgend ein Wort, dagegen stets die Hindeutung findet,
daß es ihm nur gelungen sei, seinen Truppen einen Anstrich von Ueberlegen-
heit zu geben. In der sechsten Ng,den6ö ist dieses noch viel auffallender, dem
preußischen Offizier wird hier ein Leben voll Schande zugeschrieben, mit den


bildete sich selbst am Hofe eine Partei gegen ihn und im April 1764 verlor
er in der Pompadour eine starke Stütze.

Der Haß gegen Friedrich den Großen konnte nach diesem Frieden nicht
geringer werden. Es ist nicht einmal zu einem Friedensschluß zwischen Frank¬
reich und Preußen gekommen. Auch nach dem Frieden hielten noch französische
Truppen das preußische Cleve besetzt. Friedrich ließ ein kleines Corps auf¬
brechen, um sie zu vertreiben. Sie räumten Cleve auf gute Manier.

Die diplomatischen Beziehungen wurden zwischen Frankreich und Preußen
nicht wiederhergestellt, noch in der Mitte 1765 war kein französischer Gesandter
für Berlin, kein preußischer für Paris ernannt. Es ist vielleicht nicht ohne
Beziehung, daß Grimm in jenem zweiten Briefe über die Rätin^Sö vom
7. Juni 1765 auch über diese andauernde Entfremdung der beiden Höfe klagt
und den Plan entwirft, die Wiederherstellung wenigstens der gewöhnlichen
Beziehungen zu vermitteln. Er sagt, er wisse längst, daß Friedrich den Herzog
v. Prasum achte, und habe seitdem erfahren, daß er den Herzog v. Choiseul
werthschätze. Grimm äußert sich aber nicht über die Gesinnung des Herzogs
v. Choiseul oder der andern französischen Machthaber gegen den König. Die
Politik war Von den persönlichen Verhältnissen beherrscht, es ist nicht Preußen,
sondern der König von Preußen, den man in Versailles haßt.

Auf diesem politischen Hintergrunde erscheinen plötzlich zu Anfang des
Jahres 1765 zu Paris die handschriftlichen Rat-necs,

Fragt man, wem die Natw^of am meisten nützen konnten, so war es
ohne Zweifel die am versailler Hofe herrschende Partei. Denn diese Schrift
zeigte, daß man es mit einem an sich unbedeutenden, aber in teuflischer Weise
denkenden und handelnden, kein Mittel verschmähenden Feinde zu thun gehabt
habe; die Niederlage, welche Frankreich erlitten hatte, war die, welche die
Tugend von dem Laster erleidet. Der vom pariser Publicum bewunderte Frie¬
drich war verabscheuungswürdig, er war zugleich lächerlich und verächtlich
gemacht.

Interessant ist es zu sehen, wie in den Radii^of nichts gegen die fran¬
zösische Regierung und Frankreich vorkommt. Eine Stelle am Schluß des Ab'
Schritts über Kleidung, wo von den in Vergnügungen, Bällen und Ausschwei¬
fungen lebenden Fürsten die Rede ist, welche sich ausschließlich mit den Frauen
beschäftigen, läßt sich allerdings auf Ludwig den Fünfzehnten beziehen, fehlt
aber in den Handschriften von 1765.

Ebenso ist es auffallend, wie in den Natmvös für die Tüchtigkeit der
Armee Friedrichs sich nirgend ein Wort, dagegen stets die Hindeutung findet,
daß es ihm nur gelungen sei, seinen Truppen einen Anstrich von Ueberlegen-
heit zu geben. In der sechsten Ng,den6ö ist dieses noch viel auffallender, dem
preußischen Offizier wird hier ein Leben voll Schande zugeschrieben, mit den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/526>, abgerufen am 06.05.2024.