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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Graf Russell ist nun zwar allerdings allein in der Lage positiv sagen zu
tonnen, ob das dänische Eabinet während der betreffenden Unterhandlungen
ihm "deutlich zu verstehen gegeben, daß das dänische Zugeständniß in Wahr¬
heit auf nichts, auf eine bloße Formalität hinauslause;" doch kann der wahre
Sachverhalt darum gleichwohl keinen Augenblick zweifelhaft sein. Wenn wir
auch davon absehen, daß der britische Staatssecretär die Gesandten I. Maje¬
stät in Berlin und Kopenhagen wohl kaum in Bewegung gesetzt haben würde,
um sie wegen einer dänischen "Buchhaltcreifrage" d. h. über eine "Umbuchung
einiger Posten in den Büchern des dänischen Finanzministeriums" diplomatische
Unterhandlungen pflegen zu lassen, -- so liegt doch in der Circularbepesche
des Grasen Bernstorff vom 27. Juni 1862 ein Zeugniß dafür vor, daß das
preußische Cabinet von der wahren Beschaffenheit des dänischen Zugeständnisses
durch England nicht unterrichtet worden sein kann. Und wer könnte von einem
englischen Gentleman, insbesondere von dem Grafen Russell, auch nur einen
Augenblick glauben, daß er sich zu der Rolle habe brauchen lassen, als Ver¬
mittler zwischen zwei freundschaftlichen Mächten zu dienen, um der einen von
ihnen ein werthloses Stück Papier als ein scWenswerthes "Zugeständniß" zu
übermitteln?

Selbstverständlich konnte ja keinem Menschen das Geringste daran gelegen
sein, mit der dänischen Negierung darüber zu transigiren, ob sie den Beitrag
Holsteins ohne Genehmigung der Stände, aus dem besondern Kassenbehalt
Holsteins, oder aus seinem Antheile an dem gemeinschaftlichen Kassenbehalt
entnehmen solle. Am wenigsten konnte man von den deutschen Mächten glau¬
ben, daß sie sich auch nur einen Augenblick in eine Transaction über die Art
und Weise der Belastung Holsteins einlassen würden. Sie hätten damit ihrer¬
seits ja das Princip, daß Holstein nicht ohne Genehmigung der Stände zu
Abgaben herbeigezogen werden dürfe, welche die Grenzen des Normalbudgets über¬
steigen, geradezu über den Haufen geworfen. Und wie erwähnt, hatte der
Bund in dem Beschlusse vom 7. Februar 1861 ja eben von der dänischen Ne¬
gierung nicht blos die Einhaltung dieses Princips ausdrücklich gefordert, son¬
dern ihr bei etwaigem Zuwiderhandeln die Execution angekündigt. Wie wäre
es möglich gewesen Iwru", nac von den deutschen Mächten, die ihrerseits ja für
die Beschlüsse deS Bundes einzustehen hatten, anzunehmen, daß sie eine offen¬
bare Verletzung eines solchen Beschlusses freundschaftlich gutheißen, empfehle",
ja sogar als ein befriedigendes "Zugeständniß" hinnehmen würden?

Freilich auf der andern Seite dürfte es wohl zu den selbst in den schlech¬
testen Zeiten der Diplomatie ziemlich unerhörten Vvrkommenheitcn gezählt
werden müssen, daß der Minister eines kleinen nach Freundschaft und Unter¬
stützung umhcrsuchenden Staats sich herausnimmt, das Vertrauendes britischen
Staatssecretairs in solcher Weise zu mißbrauchen, um ihn wider sein Wissen


Graf Russell ist nun zwar allerdings allein in der Lage positiv sagen zu
tonnen, ob das dänische Eabinet während der betreffenden Unterhandlungen
ihm „deutlich zu verstehen gegeben, daß das dänische Zugeständniß in Wahr¬
heit auf nichts, auf eine bloße Formalität hinauslause;" doch kann der wahre
Sachverhalt darum gleichwohl keinen Augenblick zweifelhaft sein. Wenn wir
auch davon absehen, daß der britische Staatssecretär die Gesandten I. Maje¬
stät in Berlin und Kopenhagen wohl kaum in Bewegung gesetzt haben würde,
um sie wegen einer dänischen „Buchhaltcreifrage" d. h. über eine „Umbuchung
einiger Posten in den Büchern des dänischen Finanzministeriums" diplomatische
Unterhandlungen pflegen zu lassen, — so liegt doch in der Circularbepesche
des Grasen Bernstorff vom 27. Juni 1862 ein Zeugniß dafür vor, daß das
preußische Cabinet von der wahren Beschaffenheit des dänischen Zugeständnisses
durch England nicht unterrichtet worden sein kann. Und wer könnte von einem
englischen Gentleman, insbesondere von dem Grafen Russell, auch nur einen
Augenblick glauben, daß er sich zu der Rolle habe brauchen lassen, als Ver¬
mittler zwischen zwei freundschaftlichen Mächten zu dienen, um der einen von
ihnen ein werthloses Stück Papier als ein scWenswerthes „Zugeständniß" zu
übermitteln?

Selbstverständlich konnte ja keinem Menschen das Geringste daran gelegen
sein, mit der dänischen Negierung darüber zu transigiren, ob sie den Beitrag
Holsteins ohne Genehmigung der Stände, aus dem besondern Kassenbehalt
Holsteins, oder aus seinem Antheile an dem gemeinschaftlichen Kassenbehalt
entnehmen solle. Am wenigsten konnte man von den deutschen Mächten glau¬
ben, daß sie sich auch nur einen Augenblick in eine Transaction über die Art
und Weise der Belastung Holsteins einlassen würden. Sie hätten damit ihrer¬
seits ja das Princip, daß Holstein nicht ohne Genehmigung der Stände zu
Abgaben herbeigezogen werden dürfe, welche die Grenzen des Normalbudgets über¬
steigen, geradezu über den Haufen geworfen. Und wie erwähnt, hatte der
Bund in dem Beschlusse vom 7. Februar 1861 ja eben von der dänischen Ne¬
gierung nicht blos die Einhaltung dieses Princips ausdrücklich gefordert, son¬
dern ihr bei etwaigem Zuwiderhandeln die Execution angekündigt. Wie wäre
es möglich gewesen Iwru», nac von den deutschen Mächten, die ihrerseits ja für
die Beschlüsse deS Bundes einzustehen hatten, anzunehmen, daß sie eine offen¬
bare Verletzung eines solchen Beschlusses freundschaftlich gutheißen, empfehle»,
ja sogar als ein befriedigendes „Zugeständniß" hinnehmen würden?

Freilich auf der andern Seite dürfte es wohl zu den selbst in den schlech¬
testen Zeiten der Diplomatie ziemlich unerhörten Vvrkommenheitcn gezählt
werden müssen, daß der Minister eines kleinen nach Freundschaft und Unter¬
stützung umhcrsuchenden Staats sich herausnimmt, das Vertrauendes britischen
Staatssecretairs in solcher Weise zu mißbrauchen, um ihn wider sein Wissen


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[0054] Graf Russell ist nun zwar allerdings allein in der Lage positiv sagen zu tonnen, ob das dänische Eabinet während der betreffenden Unterhandlungen ihm „deutlich zu verstehen gegeben, daß das dänische Zugeständniß in Wahr¬ heit auf nichts, auf eine bloße Formalität hinauslause;" doch kann der wahre Sachverhalt darum gleichwohl keinen Augenblick zweifelhaft sein. Wenn wir auch davon absehen, daß der britische Staatssecretär die Gesandten I. Maje¬ stät in Berlin und Kopenhagen wohl kaum in Bewegung gesetzt haben würde, um sie wegen einer dänischen „Buchhaltcreifrage" d. h. über eine „Umbuchung einiger Posten in den Büchern des dänischen Finanzministeriums" diplomatische Unterhandlungen pflegen zu lassen, — so liegt doch in der Circularbepesche des Grasen Bernstorff vom 27. Juni 1862 ein Zeugniß dafür vor, daß das preußische Cabinet von der wahren Beschaffenheit des dänischen Zugeständnisses durch England nicht unterrichtet worden sein kann. Und wer könnte von einem englischen Gentleman, insbesondere von dem Grafen Russell, auch nur einen Augenblick glauben, daß er sich zu der Rolle habe brauchen lassen, als Ver¬ mittler zwischen zwei freundschaftlichen Mächten zu dienen, um der einen von ihnen ein werthloses Stück Papier als ein scWenswerthes „Zugeständniß" zu übermitteln? Selbstverständlich konnte ja keinem Menschen das Geringste daran gelegen sein, mit der dänischen Negierung darüber zu transigiren, ob sie den Beitrag Holsteins ohne Genehmigung der Stände, aus dem besondern Kassenbehalt Holsteins, oder aus seinem Antheile an dem gemeinschaftlichen Kassenbehalt entnehmen solle. Am wenigsten konnte man von den deutschen Mächten glau¬ ben, daß sie sich auch nur einen Augenblick in eine Transaction über die Art und Weise der Belastung Holsteins einlassen würden. Sie hätten damit ihrer¬ seits ja das Princip, daß Holstein nicht ohne Genehmigung der Stände zu Abgaben herbeigezogen werden dürfe, welche die Grenzen des Normalbudgets über¬ steigen, geradezu über den Haufen geworfen. Und wie erwähnt, hatte der Bund in dem Beschlusse vom 7. Februar 1861 ja eben von der dänischen Ne¬ gierung nicht blos die Einhaltung dieses Princips ausdrücklich gefordert, son¬ dern ihr bei etwaigem Zuwiderhandeln die Execution angekündigt. Wie wäre es möglich gewesen Iwru», nac von den deutschen Mächten, die ihrerseits ja für die Beschlüsse deS Bundes einzustehen hatten, anzunehmen, daß sie eine offen¬ bare Verletzung eines solchen Beschlusses freundschaftlich gutheißen, empfehle», ja sogar als ein befriedigendes „Zugeständniß" hinnehmen würden? Freilich auf der andern Seite dürfte es wohl zu den selbst in den schlech¬ testen Zeiten der Diplomatie ziemlich unerhörten Vvrkommenheitcn gezählt werden müssen, daß der Minister eines kleinen nach Freundschaft und Unter¬ stützung umhcrsuchenden Staats sich herausnimmt, das Vertrauendes britischen Staatssecretairs in solcher Weise zu mißbrauchen, um ihn wider sein Wissen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/54>, abgerufen am 15.05.2024.