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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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sich verpflichtet, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln für eine möglichst
beschleunigte Beendigung dieses Provisoriums zu wirken. Allein die mattherziger
und ganz ziellosen Versuche, welche von Herrn v. Schröter im ersten Jahre
seiner Amtsführung in dieser Richtung unternommen wurden, konnten nicht
einmal den Schein retten. Es ist gewiß, daß gar nichts geschah, um das bei
der Restauration erneuerte Versprechen der Einführung Mecklenburgs in die
Reihe der constitutionellen Staaten zu erfüllen.

Man würde sich jedoch im Irrthum befinden, wenn man diese Unthätig-
keit des Herrn v. Schröter in Erfüllung der verpflichtenden Verheißungen aus
einer besonderen Vorliebe desselben für die alte Verfassung und das stän¬
dische Princip erklären wollte. Daß er von einer solchen Vorliebe weit ent¬
fernt war, zeigte sich gleich anfangs in einer Vorlage des Restaurationsmini¬
steriums in Betreff eines Wahlgesetzes für die städtische Gemeindevertretung.
Dieses Wahlgesetz hatte sich das preußische Censuswahlsystcm mit drei Wähler¬
classen zum Muster genommen und stand also in einem gründlichen Gegensatz
zu dem Princip ständischer Vertretung, weshalb es auch aus dem Landtage
mit Entschiedenheit verworfen ward. Die Tendenz v. Schröters ist eine we¬
sentlich bureaukratisch-absolutistische, und dabei zugleich auf Verhütung von
Conflicten gerichtet, welche seinem Amte und Einfluß gefährlich werden möchten.
Der Absolutismus seines Regiments ward durch die feudalen Stände nicht
merklich beeinträchtigt. Die Bürgermeister waren, wie immer, so auch nach
der Restauration, in die sie willenlos mit hineingezogen waren, vollkommen
abhängige Leute. Die Ritter aber hatten das Bewußtsein mitgebracht, daß
sie ihre Wiederherstellung nicht ihrer eigenen Kraft, sondern nur der Nachgiebig¬
keit des Großherzogs zu verdanken hatten, und daß sie der Negierung irgend
einen nachhaltigen Widerstand nicht leisten können, weil sie im Volke keine
Wurzel und bei der fortwährenden Möglichkeit, daß an entscheidender Stelle
die durch die Beschreidung der Compromißinstanz begangene Rechtsverletzung
zum Bewußtsein kommt, ein höchst precäres politisches Dasein haben. Die
Staatsregierung hat die künstlich wiedererweckten Stände völlig in ihrer Hand,
wie ein Gespenst, gegen welches sie nur einige Morgenluft spielen zu lassen
braucht, um es zu verscheuchen. Ist ein etwaiger Widerstand der Stände ihr
unbequem, so ignorirt sie ihn einfach und thut in verhüllter oder unverhüllter
Form ihren absolutistischen Willen, vor welchem die Stände als die schon im
Schattenreich wandelnden vixvuiv c^t^v" x^^v" ausweichen und sich zurück¬
ziehen müssen.

Dieser Stand der Dinge ward auch dadurch nicht wesentlich geändert, daß
im Jahre 18S8 zwei Mitglieder des Restaurationsministeriums ausschieden und
ihre Stellen durch zwei "eingeborene" Ritter wieder besetzt wurden. Der eine
der ausscheidenden Minister war der Graf v. Bülow. Er zog sich mit der


sich verpflichtet, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln für eine möglichst
beschleunigte Beendigung dieses Provisoriums zu wirken. Allein die mattherziger
und ganz ziellosen Versuche, welche von Herrn v. Schröter im ersten Jahre
seiner Amtsführung in dieser Richtung unternommen wurden, konnten nicht
einmal den Schein retten. Es ist gewiß, daß gar nichts geschah, um das bei
der Restauration erneuerte Versprechen der Einführung Mecklenburgs in die
Reihe der constitutionellen Staaten zu erfüllen.

Man würde sich jedoch im Irrthum befinden, wenn man diese Unthätig-
keit des Herrn v. Schröter in Erfüllung der verpflichtenden Verheißungen aus
einer besonderen Vorliebe desselben für die alte Verfassung und das stän¬
dische Princip erklären wollte. Daß er von einer solchen Vorliebe weit ent¬
fernt war, zeigte sich gleich anfangs in einer Vorlage des Restaurationsmini¬
steriums in Betreff eines Wahlgesetzes für die städtische Gemeindevertretung.
Dieses Wahlgesetz hatte sich das preußische Censuswahlsystcm mit drei Wähler¬
classen zum Muster genommen und stand also in einem gründlichen Gegensatz
zu dem Princip ständischer Vertretung, weshalb es auch aus dem Landtage
mit Entschiedenheit verworfen ward. Die Tendenz v. Schröters ist eine we¬
sentlich bureaukratisch-absolutistische, und dabei zugleich auf Verhütung von
Conflicten gerichtet, welche seinem Amte und Einfluß gefährlich werden möchten.
Der Absolutismus seines Regiments ward durch die feudalen Stände nicht
merklich beeinträchtigt. Die Bürgermeister waren, wie immer, so auch nach
der Restauration, in die sie willenlos mit hineingezogen waren, vollkommen
abhängige Leute. Die Ritter aber hatten das Bewußtsein mitgebracht, daß
sie ihre Wiederherstellung nicht ihrer eigenen Kraft, sondern nur der Nachgiebig¬
keit des Großherzogs zu verdanken hatten, und daß sie der Negierung irgend
einen nachhaltigen Widerstand nicht leisten können, weil sie im Volke keine
Wurzel und bei der fortwährenden Möglichkeit, daß an entscheidender Stelle
die durch die Beschreidung der Compromißinstanz begangene Rechtsverletzung
zum Bewußtsein kommt, ein höchst precäres politisches Dasein haben. Die
Staatsregierung hat die künstlich wiedererweckten Stände völlig in ihrer Hand,
wie ein Gespenst, gegen welches sie nur einige Morgenluft spielen zu lassen
braucht, um es zu verscheuchen. Ist ein etwaiger Widerstand der Stände ihr
unbequem, so ignorirt sie ihn einfach und thut in verhüllter oder unverhüllter
Form ihren absolutistischen Willen, vor welchem die Stände als die schon im
Schattenreich wandelnden vixvuiv c^t^v» x^^v« ausweichen und sich zurück¬
ziehen müssen.

Dieser Stand der Dinge ward auch dadurch nicht wesentlich geändert, daß
im Jahre 18S8 zwei Mitglieder des Restaurationsministeriums ausschieden und
ihre Stellen durch zwei „eingeborene" Ritter wieder besetzt wurden. Der eine
der ausscheidenden Minister war der Graf v. Bülow. Er zog sich mit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/300>, abgerufen am 30.05.2024.