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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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niger beachten läßt. Nach seiner Anschauung hatte es auch damit lange nicht
so viel auf sich, als wir bisher glaubten; ja er findet es nöthig, dem Vorwurf
zu großen Freisinns in kirchlichen Dingen allen Ernstes entgegenzutreten. Im¬
mer habe er durch Beseitigung dessen, was zu Conflicten Anlaß gegeben, und
durch eine mildere Auslegung solcher politischer Vorschriften, welche vom kirch¬
lichen Standpunkte vorzüglich als anstößig erkannt wurden, vermittelnd und be¬
ruhigend eingewirkt. "Nur da, wo klare politische Gesetze einen anderen Vor¬
gang nicht verstatteten oder andere Confessionen aus den ihnen ertheilten Zu¬
geständnissen unzweifelhafte Rechte ableiteten, mußte solchen Begehren Rechnung
getragen werden," ja selbst dem im Jahre 1848 gegen zwei geistliche Korpo¬
rationen eingeschlagenen Verfahren dürfe "kein definitiver Charakter beigelegt
werden," da es nur dazu dienen sollte "der gegen diese Korporationen entstan¬
denen Aufregung Anlaß oder Vorwand zu entziehen, von der durch den Zwie¬
spalt und die Parteiungen in der Bevölkerung selbst bedrohten Ordnung und
Ruhe eine der Gefahren abzuwenden und die Mitglieder jeuer Korporationen
selbst, wider welche die öffentliche Meinung aufgestachelt wurde, gegen Verun¬
glimpfungen und Gewaltthätigkeiten zu schützen."

Das Gesetz, wodurch die Jesuiten in Oestreich aufgehoben wurden, war
also blos ein zeitgemäßer Handstreich, sie sollten nur ruhig abwarten, bis sich
der Sturm gelegt und die Sonne der Gunst wieder aus der augenblick¬
lichen Umhüllung hervortreten werde. Ueberhaupt sei Lauigkeit oder Gleich-
giltigkeit gegen die Interessen der katholischen Kirche nie seine Sache gewesen.
Auch die der obersten Studienbehörde, an deren Verhandlungen er theilgenom¬
men, vorgeworfenen Gebrechen, als Vernachlässigung des Unterrichts und der
Ausbildung von Lehrern, Festhalten an veralteten Methoden, mangelhafte Lese¬
bücher und Unterdrückung der Selbständigkeit der Schüler seien von ihr er¬
kannt und alle Vorbereitungen zur Abhilfe getroffen worden, als eben das
Revolutionsjahr der Ausführung der schon beschlossenen Reformen zuvor¬
gekommen.

Wenn jene Behörde schon zur bloßen Erkenntniß der Mängel des Unter¬
richts so vieler Menschenalter bedürfte, wie lange würde sie erst zur Ausführung
der Verbesserungen gebraucht haben! Auf die Beförderung der Geistesentwick-
lung, die durch eine zu strenge Handhabung der Censur gehemmt wurde, nahm
Pillersdorff zwar nie Einfluß, allein er war immer der Ansicht, "daß der un¬
mittelbare Uebergang von einer strengen Ueberwachung der Presse ebenso ge¬
wagt und zu mißbilligen wäre, wie eine mildere Handhabung der Censur und
die Zulassung freimüthiger Besprechungen öffentlicher Angelegenheiten innerhalb
der Grenzen des Anstandes und der Mäßigung der Regierung selbst zum Vor¬
theil gereichen würde." Also immer noch Censur, wie man denn überhaupt
selbst noch zur Zeit des Ministeriums Schmerling sich ohne die im Februar 1862


niger beachten läßt. Nach seiner Anschauung hatte es auch damit lange nicht
so viel auf sich, als wir bisher glaubten; ja er findet es nöthig, dem Vorwurf
zu großen Freisinns in kirchlichen Dingen allen Ernstes entgegenzutreten. Im¬
mer habe er durch Beseitigung dessen, was zu Conflicten Anlaß gegeben, und
durch eine mildere Auslegung solcher politischer Vorschriften, welche vom kirch¬
lichen Standpunkte vorzüglich als anstößig erkannt wurden, vermittelnd und be¬
ruhigend eingewirkt. „Nur da, wo klare politische Gesetze einen anderen Vor¬
gang nicht verstatteten oder andere Confessionen aus den ihnen ertheilten Zu¬
geständnissen unzweifelhafte Rechte ableiteten, mußte solchen Begehren Rechnung
getragen werden," ja selbst dem im Jahre 1848 gegen zwei geistliche Korpo¬
rationen eingeschlagenen Verfahren dürfe „kein definitiver Charakter beigelegt
werden," da es nur dazu dienen sollte „der gegen diese Korporationen entstan¬
denen Aufregung Anlaß oder Vorwand zu entziehen, von der durch den Zwie¬
spalt und die Parteiungen in der Bevölkerung selbst bedrohten Ordnung und
Ruhe eine der Gefahren abzuwenden und die Mitglieder jeuer Korporationen
selbst, wider welche die öffentliche Meinung aufgestachelt wurde, gegen Verun¬
glimpfungen und Gewaltthätigkeiten zu schützen."

Das Gesetz, wodurch die Jesuiten in Oestreich aufgehoben wurden, war
also blos ein zeitgemäßer Handstreich, sie sollten nur ruhig abwarten, bis sich
der Sturm gelegt und die Sonne der Gunst wieder aus der augenblick¬
lichen Umhüllung hervortreten werde. Ueberhaupt sei Lauigkeit oder Gleich-
giltigkeit gegen die Interessen der katholischen Kirche nie seine Sache gewesen.
Auch die der obersten Studienbehörde, an deren Verhandlungen er theilgenom¬
men, vorgeworfenen Gebrechen, als Vernachlässigung des Unterrichts und der
Ausbildung von Lehrern, Festhalten an veralteten Methoden, mangelhafte Lese¬
bücher und Unterdrückung der Selbständigkeit der Schüler seien von ihr er¬
kannt und alle Vorbereitungen zur Abhilfe getroffen worden, als eben das
Revolutionsjahr der Ausführung der schon beschlossenen Reformen zuvor¬
gekommen.

Wenn jene Behörde schon zur bloßen Erkenntniß der Mängel des Unter¬
richts so vieler Menschenalter bedürfte, wie lange würde sie erst zur Ausführung
der Verbesserungen gebraucht haben! Auf die Beförderung der Geistesentwick-
lung, die durch eine zu strenge Handhabung der Censur gehemmt wurde, nahm
Pillersdorff zwar nie Einfluß, allein er war immer der Ansicht, „daß der un¬
mittelbare Uebergang von einer strengen Ueberwachung der Presse ebenso ge¬
wagt und zu mißbilligen wäre, wie eine mildere Handhabung der Censur und
die Zulassung freimüthiger Besprechungen öffentlicher Angelegenheiten innerhalb
der Grenzen des Anstandes und der Mäßigung der Regierung selbst zum Vor¬
theil gereichen würde." Also immer noch Censur, wie man denn überhaupt
selbst noch zur Zeit des Ministeriums Schmerling sich ohne die im Februar 1862


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[0032] niger beachten läßt. Nach seiner Anschauung hatte es auch damit lange nicht so viel auf sich, als wir bisher glaubten; ja er findet es nöthig, dem Vorwurf zu großen Freisinns in kirchlichen Dingen allen Ernstes entgegenzutreten. Im¬ mer habe er durch Beseitigung dessen, was zu Conflicten Anlaß gegeben, und durch eine mildere Auslegung solcher politischer Vorschriften, welche vom kirch¬ lichen Standpunkte vorzüglich als anstößig erkannt wurden, vermittelnd und be¬ ruhigend eingewirkt. „Nur da, wo klare politische Gesetze einen anderen Vor¬ gang nicht verstatteten oder andere Confessionen aus den ihnen ertheilten Zu¬ geständnissen unzweifelhafte Rechte ableiteten, mußte solchen Begehren Rechnung getragen werden," ja selbst dem im Jahre 1848 gegen zwei geistliche Korpo¬ rationen eingeschlagenen Verfahren dürfe „kein definitiver Charakter beigelegt werden," da es nur dazu dienen sollte „der gegen diese Korporationen entstan¬ denen Aufregung Anlaß oder Vorwand zu entziehen, von der durch den Zwie¬ spalt und die Parteiungen in der Bevölkerung selbst bedrohten Ordnung und Ruhe eine der Gefahren abzuwenden und die Mitglieder jeuer Korporationen selbst, wider welche die öffentliche Meinung aufgestachelt wurde, gegen Verun¬ glimpfungen und Gewaltthätigkeiten zu schützen." Das Gesetz, wodurch die Jesuiten in Oestreich aufgehoben wurden, war also blos ein zeitgemäßer Handstreich, sie sollten nur ruhig abwarten, bis sich der Sturm gelegt und die Sonne der Gunst wieder aus der augenblick¬ lichen Umhüllung hervortreten werde. Ueberhaupt sei Lauigkeit oder Gleich- giltigkeit gegen die Interessen der katholischen Kirche nie seine Sache gewesen. Auch die der obersten Studienbehörde, an deren Verhandlungen er theilgenom¬ men, vorgeworfenen Gebrechen, als Vernachlässigung des Unterrichts und der Ausbildung von Lehrern, Festhalten an veralteten Methoden, mangelhafte Lese¬ bücher und Unterdrückung der Selbständigkeit der Schüler seien von ihr er¬ kannt und alle Vorbereitungen zur Abhilfe getroffen worden, als eben das Revolutionsjahr der Ausführung der schon beschlossenen Reformen zuvor¬ gekommen. Wenn jene Behörde schon zur bloßen Erkenntniß der Mängel des Unter¬ richts so vieler Menschenalter bedürfte, wie lange würde sie erst zur Ausführung der Verbesserungen gebraucht haben! Auf die Beförderung der Geistesentwick- lung, die durch eine zu strenge Handhabung der Censur gehemmt wurde, nahm Pillersdorff zwar nie Einfluß, allein er war immer der Ansicht, „daß der un¬ mittelbare Uebergang von einer strengen Ueberwachung der Presse ebenso ge¬ wagt und zu mißbilligen wäre, wie eine mildere Handhabung der Censur und die Zulassung freimüthiger Besprechungen öffentlicher Angelegenheiten innerhalb der Grenzen des Anstandes und der Mäßigung der Regierung selbst zum Vor¬ theil gereichen würde." Also immer noch Censur, wie man denn überhaupt selbst noch zur Zeit des Ministeriums Schmerling sich ohne die im Februar 1862

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/32>, abgerufen am 29.05.2024.