Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Literatur.
Reisen und Forschungen in Griechenland. Von H. N, Ulrichs.
Zweiter Theil. -- Herausgegeben von A. Passow. Berlin, Weidmannsche Buch¬
handlung. 1863. 313 S.

Eine Sammlung der kleineren topographischen und archäologischen Aufsätze und
Abhandlungen des leider zu früh für die Wissenschaft verstorbenen Forschers, welche
mit Ausnahme der Untersuchung über die Inschriften von Krissn und dem Beige
Ptoon alles enthält, was derselbe in gelehrten Zeitschriften veröffentlicht hat. Die
gelehrte Welt, für welche das Buch vorzugsweise Interesse hat, kennt die Sorgfalt
und Gewissenhaftigkeit des Verewigten zur Genüge. Für weitere Kreise, soweit sie
an eingehenden archäologischen Untersuchungen Interesse nehmen, möchte besonders
die Reise in Böotien (S. 1 bis 113), die auch manches Landschaftliche enthält,
der Versuch, die verstümmelten Bildwerke am Pronaos des Thcseustcmvels zu Athen zu-
erklären (S, 135 bis 147), die Topographie der Häfen von Athen (S. 156 bis
183) und die zuerst im Rheinischen Museum veröffentlichte Abhandlung über die Lage
Trojas, dessen Stätte Ulrichs im Juli 1843 besuchte, zu empfehlen sein. Die bci-
gegebnen, vier Kupfertafeln enthalten einen Plan des alten Theben, die Bildwerke am
Pronaos des Theseums, die Häfen und die langen Mauern von Athen und die Ab¬
bildung eines auf Delos gefundenen bleierne" Weihgeschcnks, welches Ulrichs von kre¬
tischen Bogenschützen dem Apollo dargebracht sein läßt.


Das heutige Spanien, seine geistige und äußerliche Entwickelung im neun¬
zehnten Jahrhundert von Fernando Garrido. Deutsch von Arnold Rüge. Leip¬
zig, Verlag von Eduard Kummer. 1863. 325 S.

Indem wir uns vorbehalten, später einen ausführlichen Auszug aus diesem
Buche zu gebe", bemerken wir hier vorläufig, daß es mancherlei werthvolle stati¬
stische Mittheilungen über das heutige Spanien enthält, und daß auch die geschicht¬
lichen Capitel von nicht gewöhnlichem Interesse sind, wenn dabei auch unzweifelhaft
große Illusionen und schiefe Auffassungen mit unterlaufen. Garrido ist ein spani¬
scher Republikaner, der als Flüchtling in England lebt, und i" dessen Darstellung
der Geschichte seiner Heimath wir eben nur belehrt werden, wie ein spanischer Repu¬
blikaner, der überdies im Ausland sich aufhält und in den Kreisen von Mazzini,
Ledru Nolli" und Victor Hugo verkehrt, die letzte Vergangenheit. die Gegenwart
und die Zukunft Spaniens auffaßt. Denken wir uns, daß Rüge eine Geschichte
Deutschlands in den letzten dreißig Jahren schriebe, so haben wir eine Vorstellung
von der Arbeit seines Freundes. Ruges Buch würde sicher ein interessantes Stück
Literatur und selbst nicht ohne Werth für die Geschichte, ebenso sicher aber selbst
keine Geschichte sein. Schließlich zur weiteren Charakteristik unseres Historikers eine
Notiz aus Ruges Vorwort. Im Jahre 1861 machte Garrido bei Ruge einen Besuch
und legte ihm "ein allerliebstes theoretisches Manifest" vor. "Ich habe es vor mir
liegen: die Frage der europäischen Conföderation (des Bundes der in Republiken ver¬
wandelten europäischen Staaten), der Aufhebung der Armeen, der Emancipation der


Vermischte Literatur.
Reisen und Forschungen in Griechenland. Von H. N, Ulrichs.
Zweiter Theil. — Herausgegeben von A. Passow. Berlin, Weidmannsche Buch¬
handlung. 1863. 313 S.

Eine Sammlung der kleineren topographischen und archäologischen Aufsätze und
Abhandlungen des leider zu früh für die Wissenschaft verstorbenen Forschers, welche
mit Ausnahme der Untersuchung über die Inschriften von Krissn und dem Beige
Ptoon alles enthält, was derselbe in gelehrten Zeitschriften veröffentlicht hat. Die
gelehrte Welt, für welche das Buch vorzugsweise Interesse hat, kennt die Sorgfalt
und Gewissenhaftigkeit des Verewigten zur Genüge. Für weitere Kreise, soweit sie
an eingehenden archäologischen Untersuchungen Interesse nehmen, möchte besonders
die Reise in Böotien (S. 1 bis 113), die auch manches Landschaftliche enthält,
der Versuch, die verstümmelten Bildwerke am Pronaos des Thcseustcmvels zu Athen zu-
erklären (S, 135 bis 147), die Topographie der Häfen von Athen (S. 156 bis
183) und die zuerst im Rheinischen Museum veröffentlichte Abhandlung über die Lage
Trojas, dessen Stätte Ulrichs im Juli 1843 besuchte, zu empfehlen sein. Die bci-
gegebnen, vier Kupfertafeln enthalten einen Plan des alten Theben, die Bildwerke am
Pronaos des Theseums, die Häfen und die langen Mauern von Athen und die Ab¬
bildung eines auf Delos gefundenen bleierne» Weihgeschcnks, welches Ulrichs von kre¬
tischen Bogenschützen dem Apollo dargebracht sein läßt.


Das heutige Spanien, seine geistige und äußerliche Entwickelung im neun¬
zehnten Jahrhundert von Fernando Garrido. Deutsch von Arnold Rüge. Leip¬
zig, Verlag von Eduard Kummer. 1863. 325 S.

Indem wir uns vorbehalten, später einen ausführlichen Auszug aus diesem
Buche zu gebe», bemerken wir hier vorläufig, daß es mancherlei werthvolle stati¬
stische Mittheilungen über das heutige Spanien enthält, und daß auch die geschicht¬
lichen Capitel von nicht gewöhnlichem Interesse sind, wenn dabei auch unzweifelhaft
große Illusionen und schiefe Auffassungen mit unterlaufen. Garrido ist ein spani¬
scher Republikaner, der als Flüchtling in England lebt, und i» dessen Darstellung
der Geschichte seiner Heimath wir eben nur belehrt werden, wie ein spanischer Repu¬
blikaner, der überdies im Ausland sich aufhält und in den Kreisen von Mazzini,
Ledru Nolli» und Victor Hugo verkehrt, die letzte Vergangenheit. die Gegenwart
und die Zukunft Spaniens auffaßt. Denken wir uns, daß Rüge eine Geschichte
Deutschlands in den letzten dreißig Jahren schriebe, so haben wir eine Vorstellung
von der Arbeit seines Freundes. Ruges Buch würde sicher ein interessantes Stück
Literatur und selbst nicht ohne Werth für die Geschichte, ebenso sicher aber selbst
keine Geschichte sein. Schließlich zur weiteren Charakteristik unseres Historikers eine
Notiz aus Ruges Vorwort. Im Jahre 1861 machte Garrido bei Ruge einen Besuch
und legte ihm „ein allerliebstes theoretisches Manifest" vor. „Ich habe es vor mir
liegen: die Frage der europäischen Conföderation (des Bundes der in Republiken ver¬
wandelten europäischen Staaten), der Aufhebung der Armeen, der Emancipation der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0521" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188548"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vermischte Literatur.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Reisen und Forschungen in Griechenland. Von H. N, Ulrichs.<lb/>
Zweiter Theil. &#x2014; Herausgegeben von A. Passow. Berlin, Weidmannsche Buch¬<lb/>
handlung.  1863.  313 S.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1756"> Eine Sammlung der kleineren topographischen und archäologischen Aufsätze und<lb/>
Abhandlungen des leider zu früh für die Wissenschaft verstorbenen Forschers, welche<lb/>
mit Ausnahme der Untersuchung über die Inschriften von Krissn und dem Beige<lb/>
Ptoon alles enthält, was derselbe in gelehrten Zeitschriften veröffentlicht hat. Die<lb/>
gelehrte Welt, für welche das Buch vorzugsweise Interesse hat, kennt die Sorgfalt<lb/>
und Gewissenhaftigkeit des Verewigten zur Genüge. Für weitere Kreise, soweit sie<lb/>
an eingehenden archäologischen Untersuchungen Interesse nehmen, möchte besonders<lb/>
die Reise in Böotien (S. 1 bis 113), die auch manches Landschaftliche enthält,<lb/>
der Versuch, die verstümmelten Bildwerke am Pronaos des Thcseustcmvels zu Athen zu-<lb/>
erklären (S, 135 bis 147), die Topographie der Häfen von Athen (S. 156 bis<lb/>
183) und die zuerst im Rheinischen Museum veröffentlichte Abhandlung über die Lage<lb/>
Trojas, dessen Stätte Ulrichs im Juli 1843 besuchte, zu empfehlen sein. Die bci-<lb/>
gegebnen, vier Kupfertafeln enthalten einen Plan des alten Theben, die Bildwerke am<lb/>
Pronaos des Theseums, die Häfen und die langen Mauern von Athen und die Ab¬<lb/>
bildung eines auf Delos gefundenen bleierne» Weihgeschcnks, welches Ulrichs von kre¬<lb/>
tischen Bogenschützen dem Apollo dargebracht sein läßt.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Das heutige Spanien, seine geistige und äußerliche Entwickelung im neun¬<lb/>
zehnten Jahrhundert von Fernando Garrido. Deutsch von Arnold Rüge. Leip¬<lb/>
zig, Verlag von Eduard Kummer.  1863.  325 S.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1757" next="#ID_1758"> Indem wir uns vorbehalten, später einen ausführlichen Auszug aus diesem<lb/>
Buche zu gebe», bemerken wir hier vorläufig, daß es mancherlei werthvolle stati¬<lb/>
stische Mittheilungen über das heutige Spanien enthält, und daß auch die geschicht¬<lb/>
lichen Capitel von nicht gewöhnlichem Interesse sind, wenn dabei auch unzweifelhaft<lb/>
große Illusionen und schiefe Auffassungen mit unterlaufen. Garrido ist ein spani¬<lb/>
scher Republikaner, der als Flüchtling in England lebt, und i» dessen Darstellung<lb/>
der Geschichte seiner Heimath wir eben nur belehrt werden, wie ein spanischer Repu¬<lb/>
blikaner, der überdies im Ausland sich aufhält und in den Kreisen von Mazzini,<lb/>
Ledru Nolli» und Victor Hugo verkehrt, die letzte Vergangenheit. die Gegenwart<lb/>
und die Zukunft Spaniens auffaßt. Denken wir uns, daß Rüge eine Geschichte<lb/>
Deutschlands in den letzten dreißig Jahren schriebe, so haben wir eine Vorstellung<lb/>
von der Arbeit seines Freundes. Ruges Buch würde sicher ein interessantes Stück<lb/>
Literatur und selbst nicht ohne Werth für die Geschichte, ebenso sicher aber selbst<lb/>
keine Geschichte sein. Schließlich zur weiteren Charakteristik unseres Historikers eine<lb/>
Notiz aus Ruges Vorwort. Im Jahre 1861 machte Garrido bei Ruge einen Besuch<lb/>
und legte ihm &#x201E;ein allerliebstes theoretisches Manifest" vor. &#x201E;Ich habe es vor mir<lb/>
liegen: die Frage der europäischen Conföderation (des Bundes der in Republiken ver¬<lb/>
wandelten europäischen Staaten), der Aufhebung der Armeen, der Emancipation der</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0521] Vermischte Literatur. Reisen und Forschungen in Griechenland. Von H. N, Ulrichs. Zweiter Theil. — Herausgegeben von A. Passow. Berlin, Weidmannsche Buch¬ handlung. 1863. 313 S. Eine Sammlung der kleineren topographischen und archäologischen Aufsätze und Abhandlungen des leider zu früh für die Wissenschaft verstorbenen Forschers, welche mit Ausnahme der Untersuchung über die Inschriften von Krissn und dem Beige Ptoon alles enthält, was derselbe in gelehrten Zeitschriften veröffentlicht hat. Die gelehrte Welt, für welche das Buch vorzugsweise Interesse hat, kennt die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Verewigten zur Genüge. Für weitere Kreise, soweit sie an eingehenden archäologischen Untersuchungen Interesse nehmen, möchte besonders die Reise in Böotien (S. 1 bis 113), die auch manches Landschaftliche enthält, der Versuch, die verstümmelten Bildwerke am Pronaos des Thcseustcmvels zu Athen zu- erklären (S, 135 bis 147), die Topographie der Häfen von Athen (S. 156 bis 183) und die zuerst im Rheinischen Museum veröffentlichte Abhandlung über die Lage Trojas, dessen Stätte Ulrichs im Juli 1843 besuchte, zu empfehlen sein. Die bci- gegebnen, vier Kupfertafeln enthalten einen Plan des alten Theben, die Bildwerke am Pronaos des Theseums, die Häfen und die langen Mauern von Athen und die Ab¬ bildung eines auf Delos gefundenen bleierne» Weihgeschcnks, welches Ulrichs von kre¬ tischen Bogenschützen dem Apollo dargebracht sein läßt. Das heutige Spanien, seine geistige und äußerliche Entwickelung im neun¬ zehnten Jahrhundert von Fernando Garrido. Deutsch von Arnold Rüge. Leip¬ zig, Verlag von Eduard Kummer. 1863. 325 S. Indem wir uns vorbehalten, später einen ausführlichen Auszug aus diesem Buche zu gebe», bemerken wir hier vorläufig, daß es mancherlei werthvolle stati¬ stische Mittheilungen über das heutige Spanien enthält, und daß auch die geschicht¬ lichen Capitel von nicht gewöhnlichem Interesse sind, wenn dabei auch unzweifelhaft große Illusionen und schiefe Auffassungen mit unterlaufen. Garrido ist ein spani¬ scher Republikaner, der als Flüchtling in England lebt, und i» dessen Darstellung der Geschichte seiner Heimath wir eben nur belehrt werden, wie ein spanischer Repu¬ blikaner, der überdies im Ausland sich aufhält und in den Kreisen von Mazzini, Ledru Nolli» und Victor Hugo verkehrt, die letzte Vergangenheit. die Gegenwart und die Zukunft Spaniens auffaßt. Denken wir uns, daß Rüge eine Geschichte Deutschlands in den letzten dreißig Jahren schriebe, so haben wir eine Vorstellung von der Arbeit seines Freundes. Ruges Buch würde sicher ein interessantes Stück Literatur und selbst nicht ohne Werth für die Geschichte, ebenso sicher aber selbst keine Geschichte sein. Schließlich zur weiteren Charakteristik unseres Historikers eine Notiz aus Ruges Vorwort. Im Jahre 1861 machte Garrido bei Ruge einen Besuch und legte ihm „ein allerliebstes theoretisches Manifest" vor. „Ich habe es vor mir liegen: die Frage der europäischen Conföderation (des Bundes der in Republiken ver¬ wandelten europäischen Staaten), der Aufhebung der Armeen, der Emancipation der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/521
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/521>, abgerufen am 11.06.2024.