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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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So waren auch die Offiziere der Garnisonsartilleric, welche bekanntlich
die Verwaltung und theilweise auch die Aufbewahrung des Artilleriemateriais
über sich hatten, eventuell, nämlich bei der Vertheidigung der Festungen, zum
activen Dienste bestimmt, was bei den Offizieren der jetzigen technischen Artillerie
nicht der Fall ist. Obschon die Zahl dieser Offiziere an sich scheu übermäßig
groß ist, so hat man noch eine eigene Branche, die sogenannten Artilleriebeamten
oder Werkführer creirt und dieselben mit der speciellen technischen Leitung der
Artilleriewertstättcn beauftragt. Wie überflüssig, ja wie absurd diese Einrichtung
ist, braucht nicht erst näher erörtert zu werden Die in den Werkstätten be¬
schäftigten Arbeiter, fast ausschließlich Soldaten, stehen in diöciplinarischer Hin¬
sicht nur unter dem neben dem Wert'führer amtircnden Offizier. Wenn nun
z. B. der Werkführer irgendeine Nachlässigkeit abstellen will und, was auch
schon vorgekommen ist, keinen Gehorsam findet, so muß er sich erst bittend an
den eben anwesenden Offizier, vielleicht einen jungen Lieutenant, wenden, damit
ihm dieser mit seiner Autorität unter die Arme greife. Auch hat man kürzlich
einen eigenen Custos für das Artilleriemuseum in Wien ernannt. Diesem Custos
so wie den Werkführern hat man das früher besessene Recht zum Tragen der
Offiziersuniform entzogen, weil sie angeblich -- die Standesehre verletzt hätten,
indem sie vielleicht einmal bei einer besonders wichtigen Gelegenheit, etwa bei
der Leitung einer Maschine Hand angelegt haben mochten! Die Begriffe von
Ehre sind eben sehr verschieden.

Auch auf die Spitäler hat sich die Thätigkeit der unermüdlichen System-
schaffer erstreckt. Nicht zufrieden mit dem ohnedem so zahlreichen feldärztlichen
Personal, mit den Sanitätsc'ompagnien*) und den von den Truppen nach Be¬
darf entnommenen Krankenwärtern hat man auch noch "Spitalsuntervfsiziere"
und schließlich ein eigenes Krankenwärtercorps errichtet, welches letztere ebenfalls
mit zahlreichen Unteroffizieren versehen ist. Ist nun der Gesundheitszustand der
Truppen befriedigend und stehen also die Spitäler leer, so sind alle diese Leute
fast ohne Beschäftigung. Soll nun an irgendeinem andern Orte für kurze
Zeit ein Spital errichtet werden, so muß das hierzu nöthige Personal doch
wieder nur von der Truppe genommen werden.

Aehnlich verhält es sich mit mehren andern Anstalten, welche trotz aller



Berechnung seiner berühmten Logarithmentafeln so eifrig beschäftigt, daß er nicht einmal das
Zerplatzen einer wenige Schritte neben ihm niedergefallenen großen Ronda bemerkte. Wer
denkt da nicht an Archimedes bei der Erstürmung von Syrakus? --
Diese Sanitätscompagnicn sind ebenfalls eine Schöpfung der neueren Zeit und haben
nachdem auch sie mehre Organisationen in rascher Folge durchgemacht, einen bedeutenden
Grad der Vollkommenheit erlangt. Schade nur, daß sie gewöhnlich nicht dort sind, wo man
sie eben braucht, und, wenn dieses ausnahmsweise einmal der Fall ist, ihre geringe Zahl
nicht ausreicht.

So waren auch die Offiziere der Garnisonsartilleric, welche bekanntlich
die Verwaltung und theilweise auch die Aufbewahrung des Artilleriemateriais
über sich hatten, eventuell, nämlich bei der Vertheidigung der Festungen, zum
activen Dienste bestimmt, was bei den Offizieren der jetzigen technischen Artillerie
nicht der Fall ist. Obschon die Zahl dieser Offiziere an sich scheu übermäßig
groß ist, so hat man noch eine eigene Branche, die sogenannten Artilleriebeamten
oder Werkführer creirt und dieselben mit der speciellen technischen Leitung der
Artilleriewertstättcn beauftragt. Wie überflüssig, ja wie absurd diese Einrichtung
ist, braucht nicht erst näher erörtert zu werden Die in den Werkstätten be¬
schäftigten Arbeiter, fast ausschließlich Soldaten, stehen in diöciplinarischer Hin¬
sicht nur unter dem neben dem Wert'führer amtircnden Offizier. Wenn nun
z. B. der Werkführer irgendeine Nachlässigkeit abstellen will und, was auch
schon vorgekommen ist, keinen Gehorsam findet, so muß er sich erst bittend an
den eben anwesenden Offizier, vielleicht einen jungen Lieutenant, wenden, damit
ihm dieser mit seiner Autorität unter die Arme greife. Auch hat man kürzlich
einen eigenen Custos für das Artilleriemuseum in Wien ernannt. Diesem Custos
so wie den Werkführern hat man das früher besessene Recht zum Tragen der
Offiziersuniform entzogen, weil sie angeblich — die Standesehre verletzt hätten,
indem sie vielleicht einmal bei einer besonders wichtigen Gelegenheit, etwa bei
der Leitung einer Maschine Hand angelegt haben mochten! Die Begriffe von
Ehre sind eben sehr verschieden.

Auch auf die Spitäler hat sich die Thätigkeit der unermüdlichen System-
schaffer erstreckt. Nicht zufrieden mit dem ohnedem so zahlreichen feldärztlichen
Personal, mit den Sanitätsc'ompagnien*) und den von den Truppen nach Be¬
darf entnommenen Krankenwärtern hat man auch noch „Spitalsuntervfsiziere"
und schließlich ein eigenes Krankenwärtercorps errichtet, welches letztere ebenfalls
mit zahlreichen Unteroffizieren versehen ist. Ist nun der Gesundheitszustand der
Truppen befriedigend und stehen also die Spitäler leer, so sind alle diese Leute
fast ohne Beschäftigung. Soll nun an irgendeinem andern Orte für kurze
Zeit ein Spital errichtet werden, so muß das hierzu nöthige Personal doch
wieder nur von der Truppe genommen werden.

Aehnlich verhält es sich mit mehren andern Anstalten, welche trotz aller



Berechnung seiner berühmten Logarithmentafeln so eifrig beschäftigt, daß er nicht einmal das
Zerplatzen einer wenige Schritte neben ihm niedergefallenen großen Ronda bemerkte. Wer
denkt da nicht an Archimedes bei der Erstürmung von Syrakus? —
Diese Sanitätscompagnicn sind ebenfalls eine Schöpfung der neueren Zeit und haben
nachdem auch sie mehre Organisationen in rascher Folge durchgemacht, einen bedeutenden
Grad der Vollkommenheit erlangt. Schade nur, daß sie gewöhnlich nicht dort sind, wo man
sie eben braucht, und, wenn dieses ausnahmsweise einmal der Fall ist, ihre geringe Zahl
nicht ausreicht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/435>, abgerufen am 22.05.2024.