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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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schichte hinter sich, ein Umstand, der ihre freiwillige Verbindung nur um so
verheißungsrcicher erscheinen läßt.

Die Zollrischcn haben ihre erste politische Schule auf einem Boden durch¬
gemacht, welcher nicht blos seiner Lage nach das Herzland des deutschen Reiches
war. Der salische Kaiser Heinrich der Vierte hatte diese Heimath seines Hauses,
Franken, dem getreuen Geschlechte der Hohenstaufen anvertraut, und als das
schwäbische Haus dann selber das Reich antrat, galt es, dort einen Haupthalter
des Principes zu bestellen, welches ihr Regiment leitete. Denn dieser Kernpunkt
des Reiches mußte vor allen gegen die einreißende Tcrritorialabschließung sicher
gestellt, in ihm mußte ein Vorbild der mittelbaren Statur des Ursprungs fürst¬
licher Macht aufgestellt werden. Das war die Absicht, als die Hohenstaufen den
Zollern die Vurggrafschaft von Nürnberg verliehen. Sie traten so in ein Land
ein, welches überall die Fußspuren der hehren Gestalten auswies, in denen die
höchsten Erinnerungen unseres Volkes sich vereinigten; vermöge des geistigen
Erbganges, in den sie hincinberufen wurden, übertrug sich auf sie das Kleinod
der Kaiserpolitik, und sie haben gut ghibellinisch damit Haus gehalten.

Es genüge, über die Stellung des burggräflichen Amtes, welche Droysen
eingehend erörtert, nur das Wichtigste hervorzuheben. Ehemals war das Ver¬
hältniß der Burggrafen zum Markgebict -- hier Ostfrankens -- so ausgedrückt
worden, daß jener zum Markgrafen sich verhalte wie der Pfalzgraf zum Könige.
Der nürnberger Graf jedoch war anders gestellt. Von den Befugnissen der
Mark- und Burggrafen alten Stils hatte er sozusagen das Durchschnittsmaß.
Er war oberster Beamter in der fränkischen Krondomäne, aber zugleich kaiser¬
licher Regent und militärischer Statthalter innerhalb des Sprengels der Land-
gcrichtsbarkcit, die er zu hegen hatte. Auf diese Weise nicht unumschränkt und
nicht mächtig genug, um volle Landesherrlichkeit mit Erfolg anstreben zu kön¬
nen, war er in eigenem Interesse darauf bedacht, die selbstherrischen Gelüste
anderer Großen zu vereiteln und in dem Maße als er solchergestalt die
kaiserliche und römisch-königliche Autorität wahrte, steigerte sich seine Bedeutung,
welche in ihrem Amtscharaktcr eben ihre Kraft besaß. Sie sollte sich bald
als letzter Hort der Kaiserpolitik bewähren, ja es blieb auf ihr noch ein Abglanz
der alten Herrlichkeit haften, als ihr Gestirn bereits hinabgesunken war. In
der Mittagshöhe des staufischen Glanzes wie in den bösen Tagen Friedrichs
des Zweiten und Konradins haben die Zollern des Reiches Sturmfahne ge¬
tragen. Dem Reiche als solchem, nicht blos jenem Hause gehörte ihr Eifer,
ihre Hingabe; wo beide nicht in demselben Lager waren, haben sie sich frei zu
jenem bekannt.

Bei ihnen und dem geringen Häuflein der Kaisertreuen, die nicht mit in
die Schuld des Verrathes an den Staufen verwickelt waren, stand das Reich
in der furchtbaren Krisis der herrenlosen Zeit. Das Haupt der Partei, die


schichte hinter sich, ein Umstand, der ihre freiwillige Verbindung nur um so
verheißungsrcicher erscheinen läßt.

Die Zollrischcn haben ihre erste politische Schule auf einem Boden durch¬
gemacht, welcher nicht blos seiner Lage nach das Herzland des deutschen Reiches
war. Der salische Kaiser Heinrich der Vierte hatte diese Heimath seines Hauses,
Franken, dem getreuen Geschlechte der Hohenstaufen anvertraut, und als das
schwäbische Haus dann selber das Reich antrat, galt es, dort einen Haupthalter
des Principes zu bestellen, welches ihr Regiment leitete. Denn dieser Kernpunkt
des Reiches mußte vor allen gegen die einreißende Tcrritorialabschließung sicher
gestellt, in ihm mußte ein Vorbild der mittelbaren Statur des Ursprungs fürst¬
licher Macht aufgestellt werden. Das war die Absicht, als die Hohenstaufen den
Zollern die Vurggrafschaft von Nürnberg verliehen. Sie traten so in ein Land
ein, welches überall die Fußspuren der hehren Gestalten auswies, in denen die
höchsten Erinnerungen unseres Volkes sich vereinigten; vermöge des geistigen
Erbganges, in den sie hincinberufen wurden, übertrug sich auf sie das Kleinod
der Kaiserpolitik, und sie haben gut ghibellinisch damit Haus gehalten.

Es genüge, über die Stellung des burggräflichen Amtes, welche Droysen
eingehend erörtert, nur das Wichtigste hervorzuheben. Ehemals war das Ver¬
hältniß der Burggrafen zum Markgebict — hier Ostfrankens — so ausgedrückt
worden, daß jener zum Markgrafen sich verhalte wie der Pfalzgraf zum Könige.
Der nürnberger Graf jedoch war anders gestellt. Von den Befugnissen der
Mark- und Burggrafen alten Stils hatte er sozusagen das Durchschnittsmaß.
Er war oberster Beamter in der fränkischen Krondomäne, aber zugleich kaiser¬
licher Regent und militärischer Statthalter innerhalb des Sprengels der Land-
gcrichtsbarkcit, die er zu hegen hatte. Auf diese Weise nicht unumschränkt und
nicht mächtig genug, um volle Landesherrlichkeit mit Erfolg anstreben zu kön¬
nen, war er in eigenem Interesse darauf bedacht, die selbstherrischen Gelüste
anderer Großen zu vereiteln und in dem Maße als er solchergestalt die
kaiserliche und römisch-königliche Autorität wahrte, steigerte sich seine Bedeutung,
welche in ihrem Amtscharaktcr eben ihre Kraft besaß. Sie sollte sich bald
als letzter Hort der Kaiserpolitik bewähren, ja es blieb auf ihr noch ein Abglanz
der alten Herrlichkeit haften, als ihr Gestirn bereits hinabgesunken war. In
der Mittagshöhe des staufischen Glanzes wie in den bösen Tagen Friedrichs
des Zweiten und Konradins haben die Zollern des Reiches Sturmfahne ge¬
tragen. Dem Reiche als solchem, nicht blos jenem Hause gehörte ihr Eifer,
ihre Hingabe; wo beide nicht in demselben Lager waren, haben sie sich frei zu
jenem bekannt.

Bei ihnen und dem geringen Häuflein der Kaisertreuen, die nicht mit in
die Schuld des Verrathes an den Staufen verwickelt waren, stand das Reich
in der furchtbaren Krisis der herrenlosen Zeit. Das Haupt der Partei, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/16>, abgerufen am 27.05.2024.