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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Auftrag, daß wir uns daselbst vorstellen sollten. Wir gaben Antwort, ohne
vor ihren harten Worten zu erschrecken, und wir wiesen sogleich die Familien
nach und ncichsidein. noch elf Herrschaften. Darauf mußten wir uns unter¬
schreiben, und es ging wieder zurück nach Wien zu dem Herrn Kaiser. Und
so kam uns gleich darauf das Toleranzpatent, daß uns unsre Religion gestattet
sei und daß wir unsre Lehrer bekommen sollten, wo sich hundert Familien auf¬
finden werden.

Da war eine sehr große Freude und Frohlocken, allein diese Freude ver¬
wandelte sich in ein Herzensleid. Denn es starb bei uns eine Nachbarin Namens
Theresia, Gemahlin des Johann Pohanka. Sie ließen uns dieselbe nirgends
begraben"), außer auf dem Hutweidewege! wir wollten aber nicht anders, als
auf den Zbor -- (die Schuttstätte eines einstigen Versammlungsplatzes der
Brüder). -- Wir erhielten das Recht und es war jenes Begräbnis; feierlich für
Gott, für uns jedoch sehr beklagenswerth. Als wir den Leichnam auf die
Bahre legten, schickten die katholischen Nachbarn ihr Gesinde, auf der Bahre
und dem Sarge machten sie mit Kreide Kreuze und spotteten unsers Gesanges.
Dann, als wir den Leichnam trugen, da gab es was zu sehen l der Eine
meckerte, der Andere brummte, der Dritte brüllte, der Vierte jauchzete und so
mehr, was und welcher das Aergste machen konnte, denn es kamen mehre
Hunderte des Volkes zusammen. Sie machten sich ein Strohkreuz und banden
es auf eine Stange, machten sich einen Weihwedel von Stroh und besprengten
uns mit Spülicht. Zweimal verschütteten sie uns das Grab, warfen mit
Erdschollen und streckten ihre Zungen aus, ja, brachten sogar das Crucifix uyd
häuften so allen Gram auf uns. Sie luden viele Angriffswaffen, aus den
Thurm stellten sie eine Wache, um Sturm zu läuten, wenn wir mit ihnen
anbinden möchten. Denn zu Schlenov und Cerhov.gaben sie es zu wissen, damit
sie gleich kommen sollten, wenn Sturm geläutet werden würde. Uns gab Gott
jedoch solche Geduld, daß wir niemandem Leid thaten.

Als die Beerdigung vollbracht war, gingen wir zum Herrn Oberamtmann
Klage zu führen. Der Herr Oberamtmann bestrafte die am ärgsten gethan
hatten und es war wieder Friede.

Soweit der Wortlaut der Aufzeichnung. Daß die evangelischen Brüder von
Oels einen Hauptantheil an dern berühmten Toleranzpatent hatten, welches im
Jahre 1781 vom Kaiser Joseph dem Zweiten erlassen wurde, wird auch in
andern kirchlichen Aufzeichnungen der Gegend berichtet, welche melden, daß
Georg Jakubetz auch einer von denen war, welche 1781 in dem Lager von
Turan in der Nähe von Brünn dem Kaiser persönlich ihre flehentlichen Bitten
vortrugen..''



"!> M >w?>r "ach hundertfunfzig Jahren daß erste KejzerbegMniiß.

Auftrag, daß wir uns daselbst vorstellen sollten. Wir gaben Antwort, ohne
vor ihren harten Worten zu erschrecken, und wir wiesen sogleich die Familien
nach und ncichsidein. noch elf Herrschaften. Darauf mußten wir uns unter¬
schreiben, und es ging wieder zurück nach Wien zu dem Herrn Kaiser. Und
so kam uns gleich darauf das Toleranzpatent, daß uns unsre Religion gestattet
sei und daß wir unsre Lehrer bekommen sollten, wo sich hundert Familien auf¬
finden werden.

Da war eine sehr große Freude und Frohlocken, allein diese Freude ver¬
wandelte sich in ein Herzensleid. Denn es starb bei uns eine Nachbarin Namens
Theresia, Gemahlin des Johann Pohanka. Sie ließen uns dieselbe nirgends
begraben"), außer auf dem Hutweidewege! wir wollten aber nicht anders, als
auf den Zbor — (die Schuttstätte eines einstigen Versammlungsplatzes der
Brüder). — Wir erhielten das Recht und es war jenes Begräbnis; feierlich für
Gott, für uns jedoch sehr beklagenswerth. Als wir den Leichnam auf die
Bahre legten, schickten die katholischen Nachbarn ihr Gesinde, auf der Bahre
und dem Sarge machten sie mit Kreide Kreuze und spotteten unsers Gesanges.
Dann, als wir den Leichnam trugen, da gab es was zu sehen l der Eine
meckerte, der Andere brummte, der Dritte brüllte, der Vierte jauchzete und so
mehr, was und welcher das Aergste machen konnte, denn es kamen mehre
Hunderte des Volkes zusammen. Sie machten sich ein Strohkreuz und banden
es auf eine Stange, machten sich einen Weihwedel von Stroh und besprengten
uns mit Spülicht. Zweimal verschütteten sie uns das Grab, warfen mit
Erdschollen und streckten ihre Zungen aus, ja, brachten sogar das Crucifix uyd
häuften so allen Gram auf uns. Sie luden viele Angriffswaffen, aus den
Thurm stellten sie eine Wache, um Sturm zu läuten, wenn wir mit ihnen
anbinden möchten. Denn zu Schlenov und Cerhov.gaben sie es zu wissen, damit
sie gleich kommen sollten, wenn Sturm geläutet werden würde. Uns gab Gott
jedoch solche Geduld, daß wir niemandem Leid thaten.

Als die Beerdigung vollbracht war, gingen wir zum Herrn Oberamtmann
Klage zu führen. Der Herr Oberamtmann bestrafte die am ärgsten gethan
hatten und es war wieder Friede.

Soweit der Wortlaut der Aufzeichnung. Daß die evangelischen Brüder von
Oels einen Hauptantheil an dern berühmten Toleranzpatent hatten, welches im
Jahre 1781 vom Kaiser Joseph dem Zweiten erlassen wurde, wird auch in
andern kirchlichen Aufzeichnungen der Gegend berichtet, welche melden, daß
Georg Jakubetz auch einer von denen war, welche 1781 in dem Lager von
Turan in der Nähe von Brünn dem Kaiser persönlich ihre flehentlichen Bitten
vortrugen..''



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/198>, abgerufen am 28.05.2024.