Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu zwängen. Auf Wiederherstellung stand sein Streben, er fand seinen
höchsten Ehrgeiz darin, die widerstrebenden Elemente zum Gefühle der Staats¬
ordnung zu erziehn. Deshalb will es mehr sagen als peinlich Gericht, wenn
er seinen Sieg damit feierte, daß er jetzt, 1414, seinen märkischen Land¬
frieden "mit Rath, Willen und Vollwort der Prälaten und Herren, der Mann¬
schaft und Städte" aufrichtete. Dadurch "verzichteten die Stände auf alle jene
zweideutigen Steigerungen ihrer politischen Stellung, wie sie ihnen trotz dem
Rechte und trotz dem Wesen staatlicher Ordnung die Gewohnheit gebracht hatte."
Seine Satzungen bringen nichts Neues, es sind die elementaren Staatsgrund¬
sätze, die sie wiederholen; der alte einfache Gedankengang, daß der Friede des
Fürsten verbindlich sei für männiglich; ferner daß diejenigen, welchen Gerichte
zustchn, dieselben redlich bestellen sollen, endlich daß der Landesherr jeden Ueber,
fahrer dieser Gesetze "zu Leib und Gut richten solle, als sich das von Rechts¬
wegen gebühren wird". Aber gerade vermöge ihrer Selbstverständlichkeit, die
freilich damals lange noch nicht allerorten einleuchtete, wirkten sie als um so
schärferes Urtheil der augenblicklichen Zustände. Jetzt war alle Selbsthilfe so¬
wohl innerhalb des Landes als auch nach außen durch die öffentliche Sittlichkeit
als Frevel verdammt und die privatrechtliche Auffassung des Auftrags mit
Waffen abgethan. Die Pflege der Gerechtigkeit, die lediglich zur Ausnutzung
zufällig erworbener Rechte herabgewürdigt war, sollte wieder im Auftrage der
Landesobrigt'an und mit dem Bewußtsein geübt werden, daß Gewinn und Ge¬
walt in ihrer Funktion von der Erfüllung der Pflicht abhängig sei, die mit
dem Gericht übernommen werde.

Das Hauptstück dieses Gesetzes aber war'Markgraf Friedrich selber. Die
Fürstenpflicht, wirklich zu regieren, trat mit ihm wieder in Uebung und über¬
nahm die Gewähr dafür, daß des Landes Recht auch gehalten werde. In
allem zeichnet ihn die fürstliche Ueberlegenheit aus, welche die Sicherung ihrer
Macht nicht darin sieht, daß die bestehenden Zustände aufgelöst werden, weil
feindselige Elemente in ihnen ihre Nahrung gefunden haben, sondern in echt
konservativer Weise schonte er das Gewordene, da er sich die Kraft zutrauen
durfte, jedem Mißbrauch und Unrecht zu steuern. Das that er rechtschaffen,
und indem er so nicht als Scherge, sondern als Arzt seiner Unterthanen auf¬
trat, erwarb er sich mit der Achtung und dem Gehorsam auch die Zuneigung.
Er ließ den Ständen ihr gebührendes Maß von Selbständigkeit und die patri-
moniale Gerichtsautorität; aber er controlirte und säuberte sie. Genau nach
Maßgabe der Reichsordnung verfuhr er in seinem Lande; seinen Ständen gegen¬
über war er der Kaiser, wie er dem Kaiser gegenüber Stand war. Auf diese
Weise richtete er in seinen Marken einen Zustand auf, welcher ihm als die
Summe der Reform vorschwebte, deren das Reich bedürfe. "Zu ihrem Gelingen
ist ja nur erforderlich, daß des Reiches hochberufene Aristokratie nach ihrer


zu zwängen. Auf Wiederherstellung stand sein Streben, er fand seinen
höchsten Ehrgeiz darin, die widerstrebenden Elemente zum Gefühle der Staats¬
ordnung zu erziehn. Deshalb will es mehr sagen als peinlich Gericht, wenn
er seinen Sieg damit feierte, daß er jetzt, 1414, seinen märkischen Land¬
frieden „mit Rath, Willen und Vollwort der Prälaten und Herren, der Mann¬
schaft und Städte" aufrichtete. Dadurch „verzichteten die Stände auf alle jene
zweideutigen Steigerungen ihrer politischen Stellung, wie sie ihnen trotz dem
Rechte und trotz dem Wesen staatlicher Ordnung die Gewohnheit gebracht hatte."
Seine Satzungen bringen nichts Neues, es sind die elementaren Staatsgrund¬
sätze, die sie wiederholen; der alte einfache Gedankengang, daß der Friede des
Fürsten verbindlich sei für männiglich; ferner daß diejenigen, welchen Gerichte
zustchn, dieselben redlich bestellen sollen, endlich daß der Landesherr jeden Ueber,
fahrer dieser Gesetze „zu Leib und Gut richten solle, als sich das von Rechts¬
wegen gebühren wird". Aber gerade vermöge ihrer Selbstverständlichkeit, die
freilich damals lange noch nicht allerorten einleuchtete, wirkten sie als um so
schärferes Urtheil der augenblicklichen Zustände. Jetzt war alle Selbsthilfe so¬
wohl innerhalb des Landes als auch nach außen durch die öffentliche Sittlichkeit
als Frevel verdammt und die privatrechtliche Auffassung des Auftrags mit
Waffen abgethan. Die Pflege der Gerechtigkeit, die lediglich zur Ausnutzung
zufällig erworbener Rechte herabgewürdigt war, sollte wieder im Auftrage der
Landesobrigt'an und mit dem Bewußtsein geübt werden, daß Gewinn und Ge¬
walt in ihrer Funktion von der Erfüllung der Pflicht abhängig sei, die mit
dem Gericht übernommen werde.

Das Hauptstück dieses Gesetzes aber war'Markgraf Friedrich selber. Die
Fürstenpflicht, wirklich zu regieren, trat mit ihm wieder in Uebung und über¬
nahm die Gewähr dafür, daß des Landes Recht auch gehalten werde. In
allem zeichnet ihn die fürstliche Ueberlegenheit aus, welche die Sicherung ihrer
Macht nicht darin sieht, daß die bestehenden Zustände aufgelöst werden, weil
feindselige Elemente in ihnen ihre Nahrung gefunden haben, sondern in echt
konservativer Weise schonte er das Gewordene, da er sich die Kraft zutrauen
durfte, jedem Mißbrauch und Unrecht zu steuern. Das that er rechtschaffen,
und indem er so nicht als Scherge, sondern als Arzt seiner Unterthanen auf¬
trat, erwarb er sich mit der Achtung und dem Gehorsam auch die Zuneigung.
Er ließ den Ständen ihr gebührendes Maß von Selbständigkeit und die patri-
moniale Gerichtsautorität; aber er controlirte und säuberte sie. Genau nach
Maßgabe der Reichsordnung verfuhr er in seinem Lande; seinen Ständen gegen¬
über war er der Kaiser, wie er dem Kaiser gegenüber Stand war. Auf diese
Weise richtete er in seinen Marken einen Zustand auf, welcher ihm als die
Summe der Reform vorschwebte, deren das Reich bedürfe. „Zu ihrem Gelingen
ist ja nur erforderlich, daß des Reiches hochberufene Aristokratie nach ihrer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188587"/>
          <p xml:id="ID_51" prev="#ID_50"> zu zwängen. Auf Wiederherstellung stand sein Streben, er fand seinen<lb/>
höchsten Ehrgeiz darin, die widerstrebenden Elemente zum Gefühle der Staats¬<lb/>
ordnung zu erziehn. Deshalb will es mehr sagen als peinlich Gericht, wenn<lb/>
er seinen Sieg damit feierte, daß er jetzt, 1414, seinen märkischen Land¬<lb/>
frieden &#x201E;mit Rath, Willen und Vollwort der Prälaten und Herren, der Mann¬<lb/>
schaft und Städte" aufrichtete. Dadurch &#x201E;verzichteten die Stände auf alle jene<lb/>
zweideutigen Steigerungen ihrer politischen Stellung, wie sie ihnen trotz dem<lb/>
Rechte und trotz dem Wesen staatlicher Ordnung die Gewohnheit gebracht hatte."<lb/>
Seine Satzungen bringen nichts Neues, es sind die elementaren Staatsgrund¬<lb/>
sätze, die sie wiederholen; der alte einfache Gedankengang, daß der Friede des<lb/>
Fürsten verbindlich sei für männiglich; ferner daß diejenigen, welchen Gerichte<lb/>
zustchn, dieselben redlich bestellen sollen, endlich daß der Landesherr jeden Ueber,<lb/>
fahrer dieser Gesetze &#x201E;zu Leib und Gut richten solle, als sich das von Rechts¬<lb/>
wegen gebühren wird". Aber gerade vermöge ihrer Selbstverständlichkeit, die<lb/>
freilich damals lange noch nicht allerorten einleuchtete, wirkten sie als um so<lb/>
schärferes Urtheil der augenblicklichen Zustände. Jetzt war alle Selbsthilfe so¬<lb/>
wohl innerhalb des Landes als auch nach außen durch die öffentliche Sittlichkeit<lb/>
als Frevel verdammt und die privatrechtliche Auffassung des Auftrags mit<lb/>
Waffen abgethan. Die Pflege der Gerechtigkeit, die lediglich zur Ausnutzung<lb/>
zufällig erworbener Rechte herabgewürdigt war, sollte wieder im Auftrage der<lb/>
Landesobrigt'an und mit dem Bewußtsein geübt werden, daß Gewinn und Ge¬<lb/>
walt in ihrer Funktion von der Erfüllung der Pflicht abhängig sei, die mit<lb/>
dem Gericht übernommen werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_52" next="#ID_53"> Das Hauptstück dieses Gesetzes aber war'Markgraf Friedrich selber. Die<lb/>
Fürstenpflicht, wirklich zu regieren, trat mit ihm wieder in Uebung und über¬<lb/>
nahm die Gewähr dafür, daß des Landes Recht auch gehalten werde. In<lb/>
allem zeichnet ihn die fürstliche Ueberlegenheit aus, welche die Sicherung ihrer<lb/>
Macht nicht darin sieht, daß die bestehenden Zustände aufgelöst werden, weil<lb/>
feindselige Elemente in ihnen ihre Nahrung gefunden haben, sondern in echt<lb/>
konservativer Weise schonte er das Gewordene, da er sich die Kraft zutrauen<lb/>
durfte, jedem Mißbrauch und Unrecht zu steuern. Das that er rechtschaffen,<lb/>
und indem er so nicht als Scherge, sondern als Arzt seiner Unterthanen auf¬<lb/>
trat, erwarb er sich mit der Achtung und dem Gehorsam auch die Zuneigung.<lb/>
Er ließ den Ständen ihr gebührendes Maß von Selbständigkeit und die patri-<lb/>
moniale Gerichtsautorität; aber er controlirte und säuberte sie. Genau nach<lb/>
Maßgabe der Reichsordnung verfuhr er in seinem Lande; seinen Ständen gegen¬<lb/>
über war er der Kaiser, wie er dem Kaiser gegenüber Stand war. Auf diese<lb/>
Weise richtete er in seinen Marken einen Zustand auf, welcher ihm als die<lb/>
Summe der Reform vorschwebte, deren das Reich bedürfe. &#x201E;Zu ihrem Gelingen<lb/>
ist ja nur erforderlich, daß des Reiches hochberufene Aristokratie nach ihrer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] zu zwängen. Auf Wiederherstellung stand sein Streben, er fand seinen höchsten Ehrgeiz darin, die widerstrebenden Elemente zum Gefühle der Staats¬ ordnung zu erziehn. Deshalb will es mehr sagen als peinlich Gericht, wenn er seinen Sieg damit feierte, daß er jetzt, 1414, seinen märkischen Land¬ frieden „mit Rath, Willen und Vollwort der Prälaten und Herren, der Mann¬ schaft und Städte" aufrichtete. Dadurch „verzichteten die Stände auf alle jene zweideutigen Steigerungen ihrer politischen Stellung, wie sie ihnen trotz dem Rechte und trotz dem Wesen staatlicher Ordnung die Gewohnheit gebracht hatte." Seine Satzungen bringen nichts Neues, es sind die elementaren Staatsgrund¬ sätze, die sie wiederholen; der alte einfache Gedankengang, daß der Friede des Fürsten verbindlich sei für männiglich; ferner daß diejenigen, welchen Gerichte zustchn, dieselben redlich bestellen sollen, endlich daß der Landesherr jeden Ueber, fahrer dieser Gesetze „zu Leib und Gut richten solle, als sich das von Rechts¬ wegen gebühren wird". Aber gerade vermöge ihrer Selbstverständlichkeit, die freilich damals lange noch nicht allerorten einleuchtete, wirkten sie als um so schärferes Urtheil der augenblicklichen Zustände. Jetzt war alle Selbsthilfe so¬ wohl innerhalb des Landes als auch nach außen durch die öffentliche Sittlichkeit als Frevel verdammt und die privatrechtliche Auffassung des Auftrags mit Waffen abgethan. Die Pflege der Gerechtigkeit, die lediglich zur Ausnutzung zufällig erworbener Rechte herabgewürdigt war, sollte wieder im Auftrage der Landesobrigt'an und mit dem Bewußtsein geübt werden, daß Gewinn und Ge¬ walt in ihrer Funktion von der Erfüllung der Pflicht abhängig sei, die mit dem Gericht übernommen werde. Das Hauptstück dieses Gesetzes aber war'Markgraf Friedrich selber. Die Fürstenpflicht, wirklich zu regieren, trat mit ihm wieder in Uebung und über¬ nahm die Gewähr dafür, daß des Landes Recht auch gehalten werde. In allem zeichnet ihn die fürstliche Ueberlegenheit aus, welche die Sicherung ihrer Macht nicht darin sieht, daß die bestehenden Zustände aufgelöst werden, weil feindselige Elemente in ihnen ihre Nahrung gefunden haben, sondern in echt konservativer Weise schonte er das Gewordene, da er sich die Kraft zutrauen durfte, jedem Mißbrauch und Unrecht zu steuern. Das that er rechtschaffen, und indem er so nicht als Scherge, sondern als Arzt seiner Unterthanen auf¬ trat, erwarb er sich mit der Achtung und dem Gehorsam auch die Zuneigung. Er ließ den Ständen ihr gebührendes Maß von Selbständigkeit und die patri- moniale Gerichtsautorität; aber er controlirte und säuberte sie. Genau nach Maßgabe der Reichsordnung verfuhr er in seinem Lande; seinen Ständen gegen¬ über war er der Kaiser, wie er dem Kaiser gegenüber Stand war. Auf diese Weise richtete er in seinen Marken einen Zustand auf, welcher ihm als die Summe der Reform vorschwebte, deren das Reich bedürfe. „Zu ihrem Gelingen ist ja nur erforderlich, daß des Reiches hochberufene Aristokratie nach ihrer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/26
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/26>, abgerufen am 28.05.2024.