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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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tasievollcn Baukünstlern, vorzüglich unter dem Vordergicbel. zu allerlei Mustern
und Figuren. Sternen, Schnecken, Rosetten. Dreiecken und Kreisen musivisch
zusammengestellt werden. Andere wieder haben es geschmackvoller gefunden,
die Zwischenräume zwischen den Pfosten der '
Wände mit schreienden Farben
zu übertünchen, und dann kommt es vor, daß Einem dottergelbe Flächen in ru߬
schwarzer, rosenrothe in papageigrüner Balkmumgrenzung in die Augen stechen.
Rechnet man dazu noch den blutrothen, himmelblauen oder zeisiggrünen Anstrich
der Thorflügel und Fensterrahmen, der Giebellucken und Pferdeköpfe. und die
Sprüche oder Buchstaben an der Einfahrt, so läßt ein solches Gebäude im
Punkte des Farbenreichthums nicht viel zu wünschen übrig.

Die Fenster des niedersächsischen Hauses befinden sich im Osten Holsteins '
und Schleswigs immer auf der dem Wege abgekehrten schmalen Seite desselben
und sehen nach dem Garten hinaus. Die Langseiten haben meist nur Stall¬
luken, in den ältesten Häusern auch diese nicht.

Tritt man durch die Einfahrt ins Innere eines solchen wunderlichen Ge¬
bäudes , so bietet sich ein wo möglich noch ungewöhnlicherer Anblick dar. Man
sieht sich auf der "Dehl" in einem halbdunilcn Raume, der zugleich Dreschtenne,
Viehstall. Scheune und Küche ist. Auf der Tenne, welche die Mitte einnimmt,
liegen Strohbündel und Körnerhaufen, an denen Hühner naschen. Von den
Seiten her, die plattdeutsch als "Boos" und "Afsit" bezeichnet werden, schauen
rechts, die Ohren spitzend, Pferde, links die gehörnten Köpfe von Kühen aus
ihren Ständen. Im Hintergrund endlich, der Einfahrt gegenüber, erhebt sia'.
mit blinkendem Kochgeschirr umhängen, ein gewaltiger Heerd. Ueber dessen
Flamme siedet, wenn wir am Vormittag kommen, prasselnd ein Kessel mit
einem der Nationalgerichte, etwa Specksuppe, oder jüdische Töpfe mit Klößen
senden ihren Dampf dem Rauche nach, der in bläulichen Wolken sich zwischen
den Balken und Stangen der Dehl verliert, aus denen die letzte Ernte des
Hausbesitzers lagert. Wenn es windig ist, füllt das Heerdfeuer das ganze Haus
mit einem beißenden Qualme, der jedem, welcher daran nicht gewöhnt ist. die
Thränen in die Augen treibt. Bei stillem Wetter dagegen erweist er sich als
nützlicher Gast, indem er die an jenen Tragbalken des Getreidebodens aus-
gehangnen Schinken und Würste räuchert.

Zu beiden Seiten des Herdes öffnen sich Thüren, von denen die zur Rech¬
ten in die "Doms". die zur Linken in die "Pesel" führt. Die Doms ist
Wohn-und Schlafstätte der Hausbewohner. Hier steht in mächtigen, grell¬
bemalten und mit Arabesken von Eisenblech beschlagenen Truhen der Kleider-
und Lcinwandschatz der Hausfrau. Ferner befindet sich hier, fast überall mit
dem Bild eines springenden Pferdes geschmückt, ein niedriger eiserner Ofen,
auf dem der "Stulper", eine große Mcssingstürzc zum Warmhalten der Speisen,
nicht fehlen darf. Am Deckbalken hängt neben dem Rasiermesser die Flinte des


tasievollcn Baukünstlern, vorzüglich unter dem Vordergicbel. zu allerlei Mustern
und Figuren. Sternen, Schnecken, Rosetten. Dreiecken und Kreisen musivisch
zusammengestellt werden. Andere wieder haben es geschmackvoller gefunden,
die Zwischenräume zwischen den Pfosten der '
Wände mit schreienden Farben
zu übertünchen, und dann kommt es vor, daß Einem dottergelbe Flächen in ru߬
schwarzer, rosenrothe in papageigrüner Balkmumgrenzung in die Augen stechen.
Rechnet man dazu noch den blutrothen, himmelblauen oder zeisiggrünen Anstrich
der Thorflügel und Fensterrahmen, der Giebellucken und Pferdeköpfe. und die
Sprüche oder Buchstaben an der Einfahrt, so läßt ein solches Gebäude im
Punkte des Farbenreichthums nicht viel zu wünschen übrig.

Die Fenster des niedersächsischen Hauses befinden sich im Osten Holsteins '
und Schleswigs immer auf der dem Wege abgekehrten schmalen Seite desselben
und sehen nach dem Garten hinaus. Die Langseiten haben meist nur Stall¬
luken, in den ältesten Häusern auch diese nicht.

Tritt man durch die Einfahrt ins Innere eines solchen wunderlichen Ge¬
bäudes , so bietet sich ein wo möglich noch ungewöhnlicherer Anblick dar. Man
sieht sich auf der „Dehl" in einem halbdunilcn Raume, der zugleich Dreschtenne,
Viehstall. Scheune und Küche ist. Auf der Tenne, welche die Mitte einnimmt,
liegen Strohbündel und Körnerhaufen, an denen Hühner naschen. Von den
Seiten her, die plattdeutsch als „Boos" und „Afsit" bezeichnet werden, schauen
rechts, die Ohren spitzend, Pferde, links die gehörnten Köpfe von Kühen aus
ihren Ständen. Im Hintergrund endlich, der Einfahrt gegenüber, erhebt sia'.
mit blinkendem Kochgeschirr umhängen, ein gewaltiger Heerd. Ueber dessen
Flamme siedet, wenn wir am Vormittag kommen, prasselnd ein Kessel mit
einem der Nationalgerichte, etwa Specksuppe, oder jüdische Töpfe mit Klößen
senden ihren Dampf dem Rauche nach, der in bläulichen Wolken sich zwischen
den Balken und Stangen der Dehl verliert, aus denen die letzte Ernte des
Hausbesitzers lagert. Wenn es windig ist, füllt das Heerdfeuer das ganze Haus
mit einem beißenden Qualme, der jedem, welcher daran nicht gewöhnt ist. die
Thränen in die Augen treibt. Bei stillem Wetter dagegen erweist er sich als
nützlicher Gast, indem er die an jenen Tragbalken des Getreidebodens aus-
gehangnen Schinken und Würste räuchert.

Zu beiden Seiten des Herdes öffnen sich Thüren, von denen die zur Rech¬
ten in die „Doms". die zur Linken in die „Pesel" führt. Die Doms ist
Wohn-und Schlafstätte der Hausbewohner. Hier steht in mächtigen, grell¬
bemalten und mit Arabesken von Eisenblech beschlagenen Truhen der Kleider-
und Lcinwandschatz der Hausfrau. Ferner befindet sich hier, fast überall mit
dem Bild eines springenden Pferdes geschmückt, ein niedriger eiserner Ofen,
auf dem der „Stulper«, eine große Mcssingstürzc zum Warmhalten der Speisen,
nicht fehlen darf. Am Deckbalken hängt neben dem Rasiermesser die Flinte des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/45>, abgerufen am 19.05.2024.