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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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stürmischen Angriff überlassen worden. Die Dänen hoben mindestens 3000 Mann
die Preußen deren 300 verloren, die erstern standen in einer in jeder Beziehung
vortheilhaften Position, hatten Zeit und Mittel verwandt diese Vorzüge aus¬
zunutzen, und leisteten trotzdem keinen entsprechenden Widerstand, ja sie zogen die
Gefangenschaft in großen Massen dem Kampfe vor. Dies liefert den unum¬
stößlichen Beweis, daß das moralische Element aus der dänischen Armee gewichen
ist. und daß daher den einzelnen Truppenkörpern und der Heerführung der Ver¬
bündeten Armee jetzt die gewagtesten Unternehmungen nicht nur gestattet, sondern
zur Pflicht geworden sind.

In ersterer Beziehung ist nicht so viel von den Truppen auf Alsen
geschehen, als man nach den Leistungen bei dem düppeler Sturm erwarten
konnte. Liest man den offiziellen Bericht des General v. Canftein von damals,
über die Thaten seiner Brigade, so sieht man. wie die schonen Erfolge dieses
Tages dem Thatendrang einzelner Hauptleute und Zugführer zu verdanken sind,
wie die größern Abtheilungen immer nur den weit vorgeschobenen Spitzen dieser
ungestümen Naturen folgten. Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten über
die Ereignisse aus Alsen hat es hier an diesem Ungestüm gefehlt, sonst wäre
ein Angriff auf den Isthmus der Halbinsel Ketcnis erfolgt, trotz seiner starken
Fortificationcn und trotz vielleicht gegebener höherer Befehle, wie ja auch der
Brückenkopf von Sonderburg trotz alledem genommen wurde. Der Isthmus
wäre wohl ebensogut bei einem sofortige" Angriff gefallen wie später bei einer
Recognoscirung. und die Ernte an Gefangenen u. s. w. wäre dann noch größer
gewesen wie sie war. Dieser Ungestüm hat wohl gefehlt, weil die Truppen vor¬
her ganz anders satiguirt waren wie bei dem Sturm.

Zur Ueberwindung dieser körperlichen Müdigkeit trägt erfahrungsmäßig am
besten bei der hohe Lohn, welcher auf kühne Thaten gesetzt ist, wie dies z. B.
bei den Franzosen statt hat. Wäre für die Wegnahme des Brückenkopfs ein
Avancement außer der Tour für Einzelne, statt der Orden für Viele gewährt
worden, hätten auf dem Isthmus dem stürmenden die Epauletten oder die'
Vermehrung der Abzeichen an denselben gewinkt, so konnte der Ehrgeiz größer
sein wie die Ermüdung. In unsrer industriellen Zeit mußte man wissen, daß
der Lohn sehr wesentlich die Leistung bestimmt, und daß diese Wahrheit sogar
Kraft hat in dem an ehrenvoller Gesinnung so reichen preußischen Offizier-
corps. --

Was nun die gewagten Unternehmungen der Heerführung betrifft, so muß
diese trotz des Meeres und der noch nicht entschiedenen Herrschaft über dasselbe
die Inseln zum Ziele der nächsten Operationen machen. In Kopenhagen muß
der Friede dictirt werden. Wie dieses Ziel zu erreichen ist, kann nur an Ort
und Stelle mit Abwägung aller vorhandenen Mittel bestimmt werden. Es er¬
icheint angemessen, von zwei Seiten nach Hüner überzugehen und hier wieder


stürmischen Angriff überlassen worden. Die Dänen hoben mindestens 3000 Mann
die Preußen deren 300 verloren, die erstern standen in einer in jeder Beziehung
vortheilhaften Position, hatten Zeit und Mittel verwandt diese Vorzüge aus¬
zunutzen, und leisteten trotzdem keinen entsprechenden Widerstand, ja sie zogen die
Gefangenschaft in großen Massen dem Kampfe vor. Dies liefert den unum¬
stößlichen Beweis, daß das moralische Element aus der dänischen Armee gewichen
ist. und daß daher den einzelnen Truppenkörpern und der Heerführung der Ver¬
bündeten Armee jetzt die gewagtesten Unternehmungen nicht nur gestattet, sondern
zur Pflicht geworden sind.

In ersterer Beziehung ist nicht so viel von den Truppen auf Alsen
geschehen, als man nach den Leistungen bei dem düppeler Sturm erwarten
konnte. Liest man den offiziellen Bericht des General v. Canftein von damals,
über die Thaten seiner Brigade, so sieht man. wie die schonen Erfolge dieses
Tages dem Thatendrang einzelner Hauptleute und Zugführer zu verdanken sind,
wie die größern Abtheilungen immer nur den weit vorgeschobenen Spitzen dieser
ungestümen Naturen folgten. Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten über
die Ereignisse aus Alsen hat es hier an diesem Ungestüm gefehlt, sonst wäre
ein Angriff auf den Isthmus der Halbinsel Ketcnis erfolgt, trotz seiner starken
Fortificationcn und trotz vielleicht gegebener höherer Befehle, wie ja auch der
Brückenkopf von Sonderburg trotz alledem genommen wurde. Der Isthmus
wäre wohl ebensogut bei einem sofortige» Angriff gefallen wie später bei einer
Recognoscirung. und die Ernte an Gefangenen u. s. w. wäre dann noch größer
gewesen wie sie war. Dieser Ungestüm hat wohl gefehlt, weil die Truppen vor¬
her ganz anders satiguirt waren wie bei dem Sturm.

Zur Ueberwindung dieser körperlichen Müdigkeit trägt erfahrungsmäßig am
besten bei der hohe Lohn, welcher auf kühne Thaten gesetzt ist, wie dies z. B.
bei den Franzosen statt hat. Wäre für die Wegnahme des Brückenkopfs ein
Avancement außer der Tour für Einzelne, statt der Orden für Viele gewährt
worden, hätten auf dem Isthmus dem stürmenden die Epauletten oder die'
Vermehrung der Abzeichen an denselben gewinkt, so konnte der Ehrgeiz größer
sein wie die Ermüdung. In unsrer industriellen Zeit mußte man wissen, daß
der Lohn sehr wesentlich die Leistung bestimmt, und daß diese Wahrheit sogar
Kraft hat in dem an ehrenvoller Gesinnung so reichen preußischen Offizier-
corps. —

Was nun die gewagten Unternehmungen der Heerführung betrifft, so muß
diese trotz des Meeres und der noch nicht entschiedenen Herrschaft über dasselbe
die Inseln zum Ziele der nächsten Operationen machen. In Kopenhagen muß
der Friede dictirt werden. Wie dieses Ziel zu erreichen ist, kann nur an Ort
und Stelle mit Abwägung aller vorhandenen Mittel bestimmt werden. Es er¬
icheint angemessen, von zwei Seiten nach Hüner überzugehen und hier wieder


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[0122] stürmischen Angriff überlassen worden. Die Dänen hoben mindestens 3000 Mann die Preußen deren 300 verloren, die erstern standen in einer in jeder Beziehung vortheilhaften Position, hatten Zeit und Mittel verwandt diese Vorzüge aus¬ zunutzen, und leisteten trotzdem keinen entsprechenden Widerstand, ja sie zogen die Gefangenschaft in großen Massen dem Kampfe vor. Dies liefert den unum¬ stößlichen Beweis, daß das moralische Element aus der dänischen Armee gewichen ist. und daß daher den einzelnen Truppenkörpern und der Heerführung der Ver¬ bündeten Armee jetzt die gewagtesten Unternehmungen nicht nur gestattet, sondern zur Pflicht geworden sind. In ersterer Beziehung ist nicht so viel von den Truppen auf Alsen geschehen, als man nach den Leistungen bei dem düppeler Sturm erwarten konnte. Liest man den offiziellen Bericht des General v. Canftein von damals, über die Thaten seiner Brigade, so sieht man. wie die schonen Erfolge dieses Tages dem Thatendrang einzelner Hauptleute und Zugführer zu verdanken sind, wie die größern Abtheilungen immer nur den weit vorgeschobenen Spitzen dieser ungestümen Naturen folgten. Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten über die Ereignisse aus Alsen hat es hier an diesem Ungestüm gefehlt, sonst wäre ein Angriff auf den Isthmus der Halbinsel Ketcnis erfolgt, trotz seiner starken Fortificationcn und trotz vielleicht gegebener höherer Befehle, wie ja auch der Brückenkopf von Sonderburg trotz alledem genommen wurde. Der Isthmus wäre wohl ebensogut bei einem sofortige» Angriff gefallen wie später bei einer Recognoscirung. und die Ernte an Gefangenen u. s. w. wäre dann noch größer gewesen wie sie war. Dieser Ungestüm hat wohl gefehlt, weil die Truppen vor¬ her ganz anders satiguirt waren wie bei dem Sturm. Zur Ueberwindung dieser körperlichen Müdigkeit trägt erfahrungsmäßig am besten bei der hohe Lohn, welcher auf kühne Thaten gesetzt ist, wie dies z. B. bei den Franzosen statt hat. Wäre für die Wegnahme des Brückenkopfs ein Avancement außer der Tour für Einzelne, statt der Orden für Viele gewährt worden, hätten auf dem Isthmus dem stürmenden die Epauletten oder die' Vermehrung der Abzeichen an denselben gewinkt, so konnte der Ehrgeiz größer sein wie die Ermüdung. In unsrer industriellen Zeit mußte man wissen, daß der Lohn sehr wesentlich die Leistung bestimmt, und daß diese Wahrheit sogar Kraft hat in dem an ehrenvoller Gesinnung so reichen preußischen Offizier- corps. — Was nun die gewagten Unternehmungen der Heerführung betrifft, so muß diese trotz des Meeres und der noch nicht entschiedenen Herrschaft über dasselbe die Inseln zum Ziele der nächsten Operationen machen. In Kopenhagen muß der Friede dictirt werden. Wie dieses Ziel zu erreichen ist, kann nur an Ort und Stelle mit Abwägung aller vorhandenen Mittel bestimmt werden. Es er¬ icheint angemessen, von zwei Seiten nach Hüner überzugehen und hier wieder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/122>, abgerufen am 22.05.2024.