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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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und Thätigkeit des ersteren ist wenigen Lesern bekannt; deshalb soll hier ein¬
läßlicher über ihn geredet werden.

Jakob Ruoff, war geboren zu Konstanz, wahrscheinlich im Beginn des sechzehn¬
ten Jahrhunderts. Nach den über ihn vorhandenen Angaben wanderte er erst in
das Se. Gallische Rheinthal aus und von dort nach nur kurzem Aufenthalte
nach Zürich. Als Wundarzt, nach damaligem Deutsch Steinschneider und Bruch¬
schneider genannt, machte er die beiden Feldzüge der Zürcher 1329 und 1331
gegen die katholischen Cantone mit und wurde für seine im Treffen bei Kappel
bewiesene Haltung mit dem zürcher Stadtbürgerrecht beschenkt. Daselbst lebte
er in vertrauter Freundschaft Konrad Geßners. damals des berühmtesten Natur¬
forschers, und gab verschiedene ärztliche, physikalische und kalendarische Schriften
heraus. Die verbreitetste scheint sein Hebammenbuch zu sein, das er im Auf¬
trage der Züricher Regierung zur Gründung von Hebammenschulen verfaßte. Es
ist betitelt: Ein schön lustig Trostbüchlein von Empfängnißen und Geburten
der Menschen. Zürich. Froschower 1569. 4". Dasselbe ist 1580 bei Feyerabend
zu Frankfurt a. M. wieder erschienen und 1591 ins Holländische übersetzt worden.
Mehre seiner naturwissenschaftlichen Schriften sind nach seinem Tode durch
Konrad Geßner herausgegeben worden. Als Dichter verfaßte Ruoff sieben
Schauspiele, die sämmtlich zu Zürich aufgeführt, mehrfach im Druck aufgelegt
worden und alle uns erhalten sind. Seine geistlichen oder biblischen Stücke
mögen als von minderem Werthe hier voraus aufgezählt werden.

1) Hiob, "Jobenspiel" zu Zürich auf dem Münsterhof durch die
Bürgerschaft gespilet 28 Juni 1535. Dieses Schauspiel erlebte vier Auflagen
(der erste vollständige Druck: Zürich bey Augustin Frieß o. I. (circa 1540)
liegt auf der Münchner Staatsbibliothek. Zur Aufführung gab die Stadt außer
dem Bedarf an Wein baar 100 Pfund her.

2) Ein Spiel von des Herren Weingarten, nach 12 Lucas,
20 Cap. Gespiele zu Zürich von der löblichen Bürgerschaft 26. Mai 1539, am
Pfingstmontag. Liegt handschriftlich auf der Se. Galler Stadtbibliothek. (Scherer,
Se. Gall. Höh. 1859, 68.)

3) Das Leiden Christi 1545, gewidmet dem Ambrosius Blavrer zu
Konstanz. In 5 Acten, auf 2 Tage der Vorstellung vertheilt, von 94 Personen
aufgeführt, mit Musik. Liegt in München.

4) Von Erschaffung und Fall Adams und Heva, gespielt von
der zürcher Bürgerschaft am 9. und 10. Juni 1550. Personenzahl: 106;
darunter Teufel 8, Engel 8, der Stamm Adams mit 63 Personen, der Stamm
Kains mit 16. Zwischen den Scenen spielt Musik, zu den Aufmärschen
der Riesengeschlechter (Ncphilim) blasen die Trompeten. Zur Vertreibung der
Teufel wird das Geschütz abgelassen. Zuletzt bricht unter Noah die Sündfluth
los: man läßt drei Rasen mit daruntergelegtem Feuerwerk in die Lust fliegen,


und Thätigkeit des ersteren ist wenigen Lesern bekannt; deshalb soll hier ein¬
läßlicher über ihn geredet werden.

Jakob Ruoff, war geboren zu Konstanz, wahrscheinlich im Beginn des sechzehn¬
ten Jahrhunderts. Nach den über ihn vorhandenen Angaben wanderte er erst in
das Se. Gallische Rheinthal aus und von dort nach nur kurzem Aufenthalte
nach Zürich. Als Wundarzt, nach damaligem Deutsch Steinschneider und Bruch¬
schneider genannt, machte er die beiden Feldzüge der Zürcher 1329 und 1331
gegen die katholischen Cantone mit und wurde für seine im Treffen bei Kappel
bewiesene Haltung mit dem zürcher Stadtbürgerrecht beschenkt. Daselbst lebte
er in vertrauter Freundschaft Konrad Geßners. damals des berühmtesten Natur¬
forschers, und gab verschiedene ärztliche, physikalische und kalendarische Schriften
heraus. Die verbreitetste scheint sein Hebammenbuch zu sein, das er im Auf¬
trage der Züricher Regierung zur Gründung von Hebammenschulen verfaßte. Es
ist betitelt: Ein schön lustig Trostbüchlein von Empfängnißen und Geburten
der Menschen. Zürich. Froschower 1569. 4". Dasselbe ist 1580 bei Feyerabend
zu Frankfurt a. M. wieder erschienen und 1591 ins Holländische übersetzt worden.
Mehre seiner naturwissenschaftlichen Schriften sind nach seinem Tode durch
Konrad Geßner herausgegeben worden. Als Dichter verfaßte Ruoff sieben
Schauspiele, die sämmtlich zu Zürich aufgeführt, mehrfach im Druck aufgelegt
worden und alle uns erhalten sind. Seine geistlichen oder biblischen Stücke
mögen als von minderem Werthe hier voraus aufgezählt werden.

1) Hiob, „Jobenspiel" zu Zürich auf dem Münsterhof durch die
Bürgerschaft gespilet 28 Juni 1535. Dieses Schauspiel erlebte vier Auflagen
(der erste vollständige Druck: Zürich bey Augustin Frieß o. I. (circa 1540)
liegt auf der Münchner Staatsbibliothek. Zur Aufführung gab die Stadt außer
dem Bedarf an Wein baar 100 Pfund her.

2) Ein Spiel von des Herren Weingarten, nach 12 Lucas,
20 Cap. Gespiele zu Zürich von der löblichen Bürgerschaft 26. Mai 1539, am
Pfingstmontag. Liegt handschriftlich auf der Se. Galler Stadtbibliothek. (Scherer,
Se. Gall. Höh. 1859, 68.)

3) Das Leiden Christi 1545, gewidmet dem Ambrosius Blavrer zu
Konstanz. In 5 Acten, auf 2 Tage der Vorstellung vertheilt, von 94 Personen
aufgeführt, mit Musik. Liegt in München.

4) Von Erschaffung und Fall Adams und Heva, gespielt von
der zürcher Bürgerschaft am 9. und 10. Juni 1550. Personenzahl: 106;
darunter Teufel 8, Engel 8, der Stamm Adams mit 63 Personen, der Stamm
Kains mit 16. Zwischen den Scenen spielt Musik, zu den Aufmärschen
der Riesengeschlechter (Ncphilim) blasen die Trompeten. Zur Vertreibung der
Teufel wird das Geschütz abgelassen. Zuletzt bricht unter Noah die Sündfluth
los: man läßt drei Rasen mit daruntergelegtem Feuerwerk in die Lust fliegen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/188>, abgerufen am 22.05.2024.