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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Nächte er nun bereits zum Lager in dem Viehstall oder am Bivouakfeuer oder
in den schmuzigen halb mit Wasser gefüllten Trancheengräben dienen mußte. Der
sonst so hell schimmernde Adler auf dem Messingschilde der Pickelhaube ist mit
Grünspan überzogen, -- kurz für eine Parade passen diese von den Porposten
zurückkehrenden Soldaten nicht im Mindesten. Ihr Aussehen jedoch ist sonst
frisch und munter, aus den Augen blitzt ein kühnes Selbstvertrauen, und
ihre gute Laune scheint sich durch die Strapatzen des Feldzuges eher gesteigert
als gemindert zu haben. Besonders die vielen Berliner, die im 24., 35., 60. und
64. Infanterieregiment vertheilt sind, bewahren auch hier im Felde ihren Hu¬
mor und ihre stets schlagfertigen Zungen, wodurch sie so sehr bekannt sind.
Es ist mitunter vorgekommen, daß die Dänen ausgestopfte Strohpuppen in ei¬
nen alten Mantel steckten und mit einer ausrangirten Feldmütze auf dem Stroh¬
kops heimlich hinter einer Hecke aufstellten, um dadurch die Preußen zu veran¬
lassen, diese Puppe für einen feindlichen Vorposten zu halten und ihre Muni¬
tion nutzlos darnach zu verschießen. Solche ausgestopfte Hcmnemänner oder
Danstis, von den Berlinern "Pietsch" genannt, spielen nun eine große Rolle
bei den Belustigungen der Soldaten. Sie putzen solche aus alle Weise heraus,
kleiden sie in erbeutete dänische Uniformen und bewaffnen sie mit einem ganzen
Arsenal von feindlichen Waffen. Ein Künstler in der Compagnie -- und wo
findet man wohl eine berliner Compagnie, in welcher nicht alle möglichen Künste
vertreten wären -- hat der Puppe aus Leinwand oder Pappe inzwischen eine
Maske verfertigt. Mit Zicgelmchl gefärbte, knallrothe Backen, schwarze, von
einer geschickten Hand kühn mit Kohle vom Lagerfeuer gezeichnete Augenbrauen,
und ein riesiger ans Kuh- oder Pferdehaaren verfertigter und mit Schuhwichse
steif aufgedrehter Schnurr- und Knebelbart geben dem "Pietsch" in der That
ein äußerst martialisches Ansehen. So ausstaffirt wird er mit präsentirten
Gewehr als beständige Schildwache vor dem Quartier des Hauptmanns auf¬
gestellt, oder man giebt ihm mit drohend angeschlagener Flinte einen Platz
hinter einer Hecke oder einer Hausecke, um etwaige neugierige Besucher der
Cantonirungcn oder Bauern, die Kriegsvorspann leisten müssen, kurz alle der¬
artigen Personen, welche diese Strohpuppen noch nicht kennen, dadurch zu er¬
schrecken. Andere "Pietschc", die dann gewöhnlich als dänische Generale costü-
mirt sind, werden geschickt mit beweglichen Gliedern angefertigt und dienen, an
einem Baume oder einer Hauswart aufgehängt als "Hampelmänner" in ver¬
größertem Maßstabe zur Belustigung der wie große Kinder mit ihnen spielenden
und über ihre Tänze und Gliederverrenkungen oft in das lauteste Gelächter
ausbrechenden Soldaten. Auch ein großes Marionettentheater ward von einigen
Füsilieren schon etablirt, während andere wieder in den abenteuerlichsten Ko¬
stümen von der Welt und oft als Bäuerinnen in alten Weiberkleidern, die
wildesten Pallete und Pantomimen ausführen. Eine beliebte Belustigung der


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Nächte er nun bereits zum Lager in dem Viehstall oder am Bivouakfeuer oder
in den schmuzigen halb mit Wasser gefüllten Trancheengräben dienen mußte. Der
sonst so hell schimmernde Adler auf dem Messingschilde der Pickelhaube ist mit
Grünspan überzogen, — kurz für eine Parade passen diese von den Porposten
zurückkehrenden Soldaten nicht im Mindesten. Ihr Aussehen jedoch ist sonst
frisch und munter, aus den Augen blitzt ein kühnes Selbstvertrauen, und
ihre gute Laune scheint sich durch die Strapatzen des Feldzuges eher gesteigert
als gemindert zu haben. Besonders die vielen Berliner, die im 24., 35., 60. und
64. Infanterieregiment vertheilt sind, bewahren auch hier im Felde ihren Hu¬
mor und ihre stets schlagfertigen Zungen, wodurch sie so sehr bekannt sind.
Es ist mitunter vorgekommen, daß die Dänen ausgestopfte Strohpuppen in ei¬
nen alten Mantel steckten und mit einer ausrangirten Feldmütze auf dem Stroh¬
kops heimlich hinter einer Hecke aufstellten, um dadurch die Preußen zu veran¬
lassen, diese Puppe für einen feindlichen Vorposten zu halten und ihre Muni¬
tion nutzlos darnach zu verschießen. Solche ausgestopfte Hcmnemänner oder
Danstis, von den Berlinern „Pietsch" genannt, spielen nun eine große Rolle
bei den Belustigungen der Soldaten. Sie putzen solche aus alle Weise heraus,
kleiden sie in erbeutete dänische Uniformen und bewaffnen sie mit einem ganzen
Arsenal von feindlichen Waffen. Ein Künstler in der Compagnie — und wo
findet man wohl eine berliner Compagnie, in welcher nicht alle möglichen Künste
vertreten wären — hat der Puppe aus Leinwand oder Pappe inzwischen eine
Maske verfertigt. Mit Zicgelmchl gefärbte, knallrothe Backen, schwarze, von
einer geschickten Hand kühn mit Kohle vom Lagerfeuer gezeichnete Augenbrauen,
und ein riesiger ans Kuh- oder Pferdehaaren verfertigter und mit Schuhwichse
steif aufgedrehter Schnurr- und Knebelbart geben dem „Pietsch" in der That
ein äußerst martialisches Ansehen. So ausstaffirt wird er mit präsentirten
Gewehr als beständige Schildwache vor dem Quartier des Hauptmanns auf¬
gestellt, oder man giebt ihm mit drohend angeschlagener Flinte einen Platz
hinter einer Hecke oder einer Hausecke, um etwaige neugierige Besucher der
Cantonirungcn oder Bauern, die Kriegsvorspann leisten müssen, kurz alle der¬
artigen Personen, welche diese Strohpuppen noch nicht kennen, dadurch zu er¬
schrecken. Andere „Pietschc", die dann gewöhnlich als dänische Generale costü-
mirt sind, werden geschickt mit beweglichen Gliedern angefertigt und dienen, an
einem Baume oder einer Hauswart aufgehängt als „Hampelmänner" in ver¬
größertem Maßstabe zur Belustigung der wie große Kinder mit ihnen spielenden
und über ihre Tänze und Gliederverrenkungen oft in das lauteste Gelächter
ausbrechenden Soldaten. Auch ein großes Marionettentheater ward von einigen
Füsilieren schon etablirt, während andere wieder in den abenteuerlichsten Ko¬
stümen von der Welt und oft als Bäuerinnen in alten Weiberkleidern, die
wildesten Pallete und Pantomimen ausführen. Eine beliebte Belustigung der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/323>, abgerufen am 22.05.2024.