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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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und verkauft werden und in den Handel und Wandel kommen, und doch ist
es gerade der Grundbesitz, der am festesten an den Staat knüpft, der Kaufmann
befindet sich überall gleich wohl. Die doppelte Tendenz leuchtet aus allen Ver¬
ordnungen und Schriften, die E. K. M. Minister ausgeben, hervor. Schon
giebt man uns und unsern Besitzungen den Namen nicht mehr, der uns zu¬
kommt, weil man ihn zu gut für uns hält. Der uns mitgetheilte Entwurf zu
einem Edicte über die bürgerlichen Verhältnisse untereinander redet von den
großen ländlichen Besitzungen, die man sonst wohl Rittergüter nennt. Den
Juden hingegen (Glosse: "Diese ganze Tirade ist ebenso ungerecht als unpassend.")
giebt man auch ihren Namen nicht mehr, aber aus dem entgegengesetzten Grunde,
nämlich, weil man ihn zu schlecht für sie hält. In der Verordnung, wo ihnen
Grundeigenthum zu acquiriren erlaubt wird, hießen sie die Bekenner der mosa¬
ischen Religion. Diese Juden -- wenn sie ihrem Glauben treu, sind sie die
nothwendigsten Feinde eines jeden bestehenden Staates, wenn sie ihrem Glauben
nicht treu, sind sie Heuchler -- haben die Masse des Geldes in ihren Händen;
sobald aber das Grundeigenthum so in seinem Werthe gesunken sein wird, daß
es für sie mit Vortheil zu acquiriren ist, wird es sogleich in ihre Hände über¬
gehen, sie werden als Grundbesitzer die Hauptrepräsentanten des Staates und
so unser altes ehrliches brandcnburgisches Preußen ein neumodischer Judenstaat
werden. Wir wagen es zu sagen, daß, wenn die Grundsätze der Willkür, der
Gleichmachung der Stände und der Moi'ilisirung des Grundeigentums wirk¬
lich durchgeführt werden, nun keine Rettung für diesen Staat und für E. K. M.
hohes Haus mehr erscheint. Der mit seinem Eigenthum stets handelnde Grund¬
besitzer ist losgerissen vom Staat und will dahin, wo mehr Geld zu erwerben
ist. Dadurch wird Alles Speculation. und mit dem Verfall des Ackerbaus
tritt allgemeine Nahrungslosigkeit ein. Die Gleichmachung aller Stände macht
die untern ungebildeten trotzig, sie sehen nur sich und den Werth ihrer Person,
niemand über sich."

Folgt dann zum Schluß, daß man. betrübt zwar, aber treu an der Seite
des Königs in den kommenden schrecklichen Zeiten ausharren und für ihn
kämpfen wolle, "wie unsre Ahne" (die Quitzows, die Rvchows und Jtzenblitz
vermuthlich) gekämpst haben."

Die Glossen des Staatskanzlers waren richtig. Daß er Finkenstein und
Marwitz für ihre lose" Reden nach Spandau bringen hieß, gefällt uns weniger
und mußte die Hoffnungen auf die verheißene Repräsentativverfassung beträcht¬
lich schwächen. Die Herren hatten sehr unverständig pervrirt, aber -- du
sollst auch dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden.

Uebrigens war Hardenberg doch wankend geworden. Er machte, nachdem
Ende Juni eine neue Versammlung ständischer Deputirter nach Berlin berufen
worden, nicht unerhebliche Zugeständnisse und sprach jetzt sogar davon, daß die


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und verkauft werden und in den Handel und Wandel kommen, und doch ist
es gerade der Grundbesitz, der am festesten an den Staat knüpft, der Kaufmann
befindet sich überall gleich wohl. Die doppelte Tendenz leuchtet aus allen Ver¬
ordnungen und Schriften, die E. K. M. Minister ausgeben, hervor. Schon
giebt man uns und unsern Besitzungen den Namen nicht mehr, der uns zu¬
kommt, weil man ihn zu gut für uns hält. Der uns mitgetheilte Entwurf zu
einem Edicte über die bürgerlichen Verhältnisse untereinander redet von den
großen ländlichen Besitzungen, die man sonst wohl Rittergüter nennt. Den
Juden hingegen (Glosse: „Diese ganze Tirade ist ebenso ungerecht als unpassend.")
giebt man auch ihren Namen nicht mehr, aber aus dem entgegengesetzten Grunde,
nämlich, weil man ihn zu schlecht für sie hält. In der Verordnung, wo ihnen
Grundeigenthum zu acquiriren erlaubt wird, hießen sie die Bekenner der mosa¬
ischen Religion. Diese Juden — wenn sie ihrem Glauben treu, sind sie die
nothwendigsten Feinde eines jeden bestehenden Staates, wenn sie ihrem Glauben
nicht treu, sind sie Heuchler — haben die Masse des Geldes in ihren Händen;
sobald aber das Grundeigenthum so in seinem Werthe gesunken sein wird, daß
es für sie mit Vortheil zu acquiriren ist, wird es sogleich in ihre Hände über¬
gehen, sie werden als Grundbesitzer die Hauptrepräsentanten des Staates und
so unser altes ehrliches brandcnburgisches Preußen ein neumodischer Judenstaat
werden. Wir wagen es zu sagen, daß, wenn die Grundsätze der Willkür, der
Gleichmachung der Stände und der Moi'ilisirung des Grundeigentums wirk¬
lich durchgeführt werden, nun keine Rettung für diesen Staat und für E. K. M.
hohes Haus mehr erscheint. Der mit seinem Eigenthum stets handelnde Grund¬
besitzer ist losgerissen vom Staat und will dahin, wo mehr Geld zu erwerben
ist. Dadurch wird Alles Speculation. und mit dem Verfall des Ackerbaus
tritt allgemeine Nahrungslosigkeit ein. Die Gleichmachung aller Stände macht
die untern ungebildeten trotzig, sie sehen nur sich und den Werth ihrer Person,
niemand über sich."

Folgt dann zum Schluß, daß man. betrübt zwar, aber treu an der Seite
des Königs in den kommenden schrecklichen Zeiten ausharren und für ihn
kämpfen wolle, „wie unsre Ahne» (die Quitzows, die Rvchows und Jtzenblitz
vermuthlich) gekämpst haben."

Die Glossen des Staatskanzlers waren richtig. Daß er Finkenstein und
Marwitz für ihre lose» Reden nach Spandau bringen hieß, gefällt uns weniger
und mußte die Hoffnungen auf die verheißene Repräsentativverfassung beträcht¬
lich schwächen. Die Herren hatten sehr unverständig pervrirt, aber — du
sollst auch dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden.

Uebrigens war Hardenberg doch wankend geworden. Er machte, nachdem
Ende Juni eine neue Versammlung ständischer Deputirter nach Berlin berufen
worden, nicht unerhebliche Zugeständnisse und sprach jetzt sogar davon, daß die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/419>, abgerufen am 20.05.2024.