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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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den Muth und sahen keinen andern Ausweg, als sich völlig in die Arme des
Staates zu stürzen und diesem das ganze Unternehmen zu überlassen, gegen
eine nach mehrfachem Markten erlangte Entschädigung, die ein hochangesehener
Mann damals den Actionären gegenüber als die höchst zu erreichende und un¬
bedingt anzunehmende dringend empfahl, die wir aber um so mehr als eine
unzureichende und unbillige zu classificiren wagen, als derselbe Mann nicht
lange nachher der Landesvertretung das abgeschlossene Geschäft als ein höchst
vortheilhaftes bezeichnete. Dieser letzteren Meinung sind wir stets gewesen, und
die Erfahrung hat sie glänzend bestätigt.

Einen weiteren Beleg liefert die sächsisch-schlesische Bahn. Als bei die¬
ser die Auflösung der gemischten Ehe, in welcher die Actionäre mit der Regie¬
rung lebten, in Frage kam, warf die letztere das ganze Gewicht der Stimmen¬
zahl, welche ihr zustand ('/->), in die Wagschale, um die Annahme der von ihr
für die Abtretung des Unternehmens gemachten Propositionen durchzusetzen, und
brachte diese nur dadurch gegen die constatirte Majorität der Privatactionäre
zu Stande*). Wir würden fürchten ein hartes Wort gebrauchen zu müssen,
wenn wir im Privatleben ein gleiches Verfahren charakterisiren sollten.

Wenden wir uns nun zu der chemnitz-riesaer Bahn, so wollen wir nicht
gerade behaupten, daß die Entschädigung, welche den Actionären bei ihrem
Rücktritt gewährt wurde, eine für die damalige Lage der Dinge an und für sich
unverhältnißmäßig geringe gewesen wäre, obwohl eine bessere durch den schlie߬
lichen Erfolg jetzt gerechtfertigt sein würde. Da aber der Staat bei der Ueber¬
nahme der Bahn sicherlich nicht die Absicht haben konnte, oder doch sollte, sich
möglicherweise aus Kosten der unglücklichen ursprünglichen Unternehmer zu be¬
reichern, so wäre es unzweifelhaft angemessener gewesen, wenn er allen eine
Anwartschaft auf etwaige günstigere Resultate offen gelassen hätte, statt durch
eine geringer normirte unmittelbare Entschädigung die Mehrzahl von dieser
Eventualität abzuschrecken.

Bei der Albertsbahn hat, wie uns scheint, zwar der Wunsch vorge¬
herrscht, die Ausführung durch Privatunternehmer zu Stande kommen zu
sehen, gleichwohl aber, bei günstigen Ergebnissen dem Staate den Weg
offen zu halten, unter möglichst billigen Bedingungen in Besitz der Bahn zu
gelangen. Da man aber schon damals der Voraussicht sich nicht verschließen
konnte, daß sie nothwendigerweise ein Glied der Verbindung zwischen Dresden
und Freiberg werden mußte, so war es unseres Erachtens nicht wohl gethan,
diese kleine Strecke für sich allein auf Bedingungen hin zu concessioniren, die im



') Bon den abgegebenen Stimmen der Actionäre waren 403 gegen, 331 für die Annahme;
zu letzteren wurden die 265 Stimmen, welche die Regierung vertrat, hinzugezählt und so das
Uebergewicht erlangt.

den Muth und sahen keinen andern Ausweg, als sich völlig in die Arme des
Staates zu stürzen und diesem das ganze Unternehmen zu überlassen, gegen
eine nach mehrfachem Markten erlangte Entschädigung, die ein hochangesehener
Mann damals den Actionären gegenüber als die höchst zu erreichende und un¬
bedingt anzunehmende dringend empfahl, die wir aber um so mehr als eine
unzureichende und unbillige zu classificiren wagen, als derselbe Mann nicht
lange nachher der Landesvertretung das abgeschlossene Geschäft als ein höchst
vortheilhaftes bezeichnete. Dieser letzteren Meinung sind wir stets gewesen, und
die Erfahrung hat sie glänzend bestätigt.

Einen weiteren Beleg liefert die sächsisch-schlesische Bahn. Als bei die¬
ser die Auflösung der gemischten Ehe, in welcher die Actionäre mit der Regie¬
rung lebten, in Frage kam, warf die letztere das ganze Gewicht der Stimmen¬
zahl, welche ihr zustand ('/->), in die Wagschale, um die Annahme der von ihr
für die Abtretung des Unternehmens gemachten Propositionen durchzusetzen, und
brachte diese nur dadurch gegen die constatirte Majorität der Privatactionäre
zu Stande*). Wir würden fürchten ein hartes Wort gebrauchen zu müssen,
wenn wir im Privatleben ein gleiches Verfahren charakterisiren sollten.

Wenden wir uns nun zu der chemnitz-riesaer Bahn, so wollen wir nicht
gerade behaupten, daß die Entschädigung, welche den Actionären bei ihrem
Rücktritt gewährt wurde, eine für die damalige Lage der Dinge an und für sich
unverhältnißmäßig geringe gewesen wäre, obwohl eine bessere durch den schlie߬
lichen Erfolg jetzt gerechtfertigt sein würde. Da aber der Staat bei der Ueber¬
nahme der Bahn sicherlich nicht die Absicht haben konnte, oder doch sollte, sich
möglicherweise aus Kosten der unglücklichen ursprünglichen Unternehmer zu be¬
reichern, so wäre es unzweifelhaft angemessener gewesen, wenn er allen eine
Anwartschaft auf etwaige günstigere Resultate offen gelassen hätte, statt durch
eine geringer normirte unmittelbare Entschädigung die Mehrzahl von dieser
Eventualität abzuschrecken.

Bei der Albertsbahn hat, wie uns scheint, zwar der Wunsch vorge¬
herrscht, die Ausführung durch Privatunternehmer zu Stande kommen zu
sehen, gleichwohl aber, bei günstigen Ergebnissen dem Staate den Weg
offen zu halten, unter möglichst billigen Bedingungen in Besitz der Bahn zu
gelangen. Da man aber schon damals der Voraussicht sich nicht verschließen
konnte, daß sie nothwendigerweise ein Glied der Verbindung zwischen Dresden
und Freiberg werden mußte, so war es unseres Erachtens nicht wohl gethan,
diese kleine Strecke für sich allein auf Bedingungen hin zu concessioniren, die im



') Bon den abgegebenen Stimmen der Actionäre waren 403 gegen, 331 für die Annahme;
zu letzteren wurden die 265 Stimmen, welche die Regierung vertrat, hinzugezählt und so das
Uebergewicht erlangt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/50>, abgerufen am 20.05.2024.