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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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auch verdiente, in die Bibliothek aufgenommen zu werden; es müsse aber erst
übersehe werden. Der König sagt, er wolle sich wegen der Uebersetzung an
den hoben Priester wenden. Die günstige Disposition des Königs benutzt der
anwesende Aristeas, den König um die Freigebung der hunderttausend Juden zu
bitten, welche sein Vater als Kriegsgefangene nach Aegypten gebracht hat.
Der König geht gern darauf ein, läßt sich die ungeheure Summe berechnen,
welche für den Lossauf nöthig ist, meint, das sei ja nur eine Kleinigkeit, und
bewilligt sie. Es erfolgt ein Decret, welches allen Eigenthümern jüdischer
Sklaven befiehlt, sie gegen eine bestimmte reichliche Entschädigung aus dem könig¬
lichen Schatze frei zu lassen.

Demetrius muß seinen Wunsch wegen der Uebersetzung noch einmal in
einer schriftlichen Eingabe, welche hier mitgetheilt wird, auseinandersetzen.
Der König schickt dann den Verfasser und seinen Leibwächter Andreas als Ge¬
sandte an! den hohen Priester Eleazar nach Jerusalem mit einem Brief, in
dem er diesen unter Berufung auf die seinen Volksgenossen soeben erwiesenen
Wohlthaten bittet, ihm 72 fähige ältere Männer, je 6 aus jedem Stamme,
zur Uebersetzung des jüdischen Gesetzes zu schicken. Der hohe Priester geht
darauf ein, schickt auch eine Gesetzeshandschrift mit goldenen Buchstaben, bittet
jedoch, ihm die Männer nach vollzogener Arbeit zurückzusenden. Die Zwciund-
siebzig werden mit Namen ausgeführt, nach den Stämmen geordnet.

Es folgt eine Beschreibung der prachtvollen Geschenke, welche der König
nach Jerusalem schickt, und eine Schilderung dieser Stadt sowie der Erlebnisse
des Aristeas daselbst; er ist von religiöser Ehrfurcht vor der Pracht des Cultus
und der Weisheit der jüdischen Gesetze, welche ihm der hohe Priester dargelegt
hat. erfüllt.

Der König ist über die Ankunft des Gesandten hoch erfreut; eine glück¬
liche Fügung bringt es mit sich, daß der Tag gerade auch ein Freudentag für ihn
ist, nämlich der Jahrestag eines glänzenden Seefiegs über den Antigonus.^

Der König prüft darauf die Weisheit der an ihn Abgeordneten, indem er
jedem eine Frage vorlegt, auf die er jedesmal die treffendste Antwort erhält.
Dies Examen, welches sieben Tage währt ,und aus philosophischen Fragen
namentlich ethischen und politischen besteht, zeigt, daß die Weisheit der Juden
die der hellenischen Philosophen übertrifft. Der König ist sichtlich zufrieden und
schenkt jedem die Kleinigkeit von 3 Talenten (also im Ganzen über 200,000 Thlr.)

Nachdem sie so bewährt und reichlich bewirthet sind, werden sie nach der
Insel (Pharos) geführt, wo sie in stiller Zurückgezogenheit das große Werk
vollenden. Wenn sie sich über die Uebersetzung einer Stelle geeinigt haben, schreibt
Demetrius sie auf. In zweinndsiebzig Tagen sind sie mit der Übersetzung fertig.

Die alexandrinischen Juden, welche nun um ihr Urtheil befragt werden,
loben die Uebe-rsetzung höchlich und bitten sich eine Abschrift aus. Auf Geheiß


auch verdiente, in die Bibliothek aufgenommen zu werden; es müsse aber erst
übersehe werden. Der König sagt, er wolle sich wegen der Uebersetzung an
den hoben Priester wenden. Die günstige Disposition des Königs benutzt der
anwesende Aristeas, den König um die Freigebung der hunderttausend Juden zu
bitten, welche sein Vater als Kriegsgefangene nach Aegypten gebracht hat.
Der König geht gern darauf ein, läßt sich die ungeheure Summe berechnen,
welche für den Lossauf nöthig ist, meint, das sei ja nur eine Kleinigkeit, und
bewilligt sie. Es erfolgt ein Decret, welches allen Eigenthümern jüdischer
Sklaven befiehlt, sie gegen eine bestimmte reichliche Entschädigung aus dem könig¬
lichen Schatze frei zu lassen.

Demetrius muß seinen Wunsch wegen der Uebersetzung noch einmal in
einer schriftlichen Eingabe, welche hier mitgetheilt wird, auseinandersetzen.
Der König schickt dann den Verfasser und seinen Leibwächter Andreas als Ge¬
sandte an! den hohen Priester Eleazar nach Jerusalem mit einem Brief, in
dem er diesen unter Berufung auf die seinen Volksgenossen soeben erwiesenen
Wohlthaten bittet, ihm 72 fähige ältere Männer, je 6 aus jedem Stamme,
zur Uebersetzung des jüdischen Gesetzes zu schicken. Der hohe Priester geht
darauf ein, schickt auch eine Gesetzeshandschrift mit goldenen Buchstaben, bittet
jedoch, ihm die Männer nach vollzogener Arbeit zurückzusenden. Die Zwciund-
siebzig werden mit Namen ausgeführt, nach den Stämmen geordnet.

Es folgt eine Beschreibung der prachtvollen Geschenke, welche der König
nach Jerusalem schickt, und eine Schilderung dieser Stadt sowie der Erlebnisse
des Aristeas daselbst; er ist von religiöser Ehrfurcht vor der Pracht des Cultus
und der Weisheit der jüdischen Gesetze, welche ihm der hohe Priester dargelegt
hat. erfüllt.

Der König ist über die Ankunft des Gesandten hoch erfreut; eine glück¬
liche Fügung bringt es mit sich, daß der Tag gerade auch ein Freudentag für ihn
ist, nämlich der Jahrestag eines glänzenden Seefiegs über den Antigonus.^

Der König prüft darauf die Weisheit der an ihn Abgeordneten, indem er
jedem eine Frage vorlegt, auf die er jedesmal die treffendste Antwort erhält.
Dies Examen, welches sieben Tage währt ,und aus philosophischen Fragen
namentlich ethischen und politischen besteht, zeigt, daß die Weisheit der Juden
die der hellenischen Philosophen übertrifft. Der König ist sichtlich zufrieden und
schenkt jedem die Kleinigkeit von 3 Talenten (also im Ganzen über 200,000 Thlr.)

Nachdem sie so bewährt und reichlich bewirthet sind, werden sie nach der
Insel (Pharos) geführt, wo sie in stiller Zurückgezogenheit das große Werk
vollenden. Wenn sie sich über die Uebersetzung einer Stelle geeinigt haben, schreibt
Demetrius sie auf. In zweinndsiebzig Tagen sind sie mit der Übersetzung fertig.

Die alexandrinischen Juden, welche nun um ihr Urtheil befragt werden,
loben die Uebe-rsetzung höchlich und bitten sich eine Abschrift aus. Auf Geheiß


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[0142] auch verdiente, in die Bibliothek aufgenommen zu werden; es müsse aber erst übersehe werden. Der König sagt, er wolle sich wegen der Uebersetzung an den hoben Priester wenden. Die günstige Disposition des Königs benutzt der anwesende Aristeas, den König um die Freigebung der hunderttausend Juden zu bitten, welche sein Vater als Kriegsgefangene nach Aegypten gebracht hat. Der König geht gern darauf ein, läßt sich die ungeheure Summe berechnen, welche für den Lossauf nöthig ist, meint, das sei ja nur eine Kleinigkeit, und bewilligt sie. Es erfolgt ein Decret, welches allen Eigenthümern jüdischer Sklaven befiehlt, sie gegen eine bestimmte reichliche Entschädigung aus dem könig¬ lichen Schatze frei zu lassen. Demetrius muß seinen Wunsch wegen der Uebersetzung noch einmal in einer schriftlichen Eingabe, welche hier mitgetheilt wird, auseinandersetzen. Der König schickt dann den Verfasser und seinen Leibwächter Andreas als Ge¬ sandte an! den hohen Priester Eleazar nach Jerusalem mit einem Brief, in dem er diesen unter Berufung auf die seinen Volksgenossen soeben erwiesenen Wohlthaten bittet, ihm 72 fähige ältere Männer, je 6 aus jedem Stamme, zur Uebersetzung des jüdischen Gesetzes zu schicken. Der hohe Priester geht darauf ein, schickt auch eine Gesetzeshandschrift mit goldenen Buchstaben, bittet jedoch, ihm die Männer nach vollzogener Arbeit zurückzusenden. Die Zwciund- siebzig werden mit Namen ausgeführt, nach den Stämmen geordnet. Es folgt eine Beschreibung der prachtvollen Geschenke, welche der König nach Jerusalem schickt, und eine Schilderung dieser Stadt sowie der Erlebnisse des Aristeas daselbst; er ist von religiöser Ehrfurcht vor der Pracht des Cultus und der Weisheit der jüdischen Gesetze, welche ihm der hohe Priester dargelegt hat. erfüllt. Der König ist über die Ankunft des Gesandten hoch erfreut; eine glück¬ liche Fügung bringt es mit sich, daß der Tag gerade auch ein Freudentag für ihn ist, nämlich der Jahrestag eines glänzenden Seefiegs über den Antigonus.^ Der König prüft darauf die Weisheit der an ihn Abgeordneten, indem er jedem eine Frage vorlegt, auf die er jedesmal die treffendste Antwort erhält. Dies Examen, welches sieben Tage währt ,und aus philosophischen Fragen namentlich ethischen und politischen besteht, zeigt, daß die Weisheit der Juden die der hellenischen Philosophen übertrifft. Der König ist sichtlich zufrieden und schenkt jedem die Kleinigkeit von 3 Talenten (also im Ganzen über 200,000 Thlr.) Nachdem sie so bewährt und reichlich bewirthet sind, werden sie nach der Insel (Pharos) geführt, wo sie in stiller Zurückgezogenheit das große Werk vollenden. Wenn sie sich über die Uebersetzung einer Stelle geeinigt haben, schreibt Demetrius sie auf. In zweinndsiebzig Tagen sind sie mit der Übersetzung fertig. Die alexandrinischen Juden, welche nun um ihr Urtheil befragt werden, loben die Uebe-rsetzung höchlich und bitten sich eine Abschrift aus. Auf Geheiß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/142>, abgerufen am 17.06.2024.