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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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nur ja nicht studiren zu lassen; vielmehr solle er sich auf die Cither oder Flöte
legen, oder, wenn er einen harten Kopf habe, Baumeister oder Auctionator
werden.

Auch gelehrte Berufsarten wurden, sofern sie nicht den Sklaven
überlassen blieben, fast ausschließlich von Personen aus dem dritten Stande
erwählt. Welche Lebensstellung sie gewährten, weiß man ziemlich genau. Ueber
den Lehrerstand haben wir früher das Nöthigste mitgetheilt. Dagegen wird
ein Bericht über Advocaten und Aerzte sowie über einige andere hierher ge¬
hörige Berufsarten mancherlei Neues von Interesse bringen.

War die Kunst der Rede schon im Hörsaal bisweilen ein reichliche Zinsen
tragender Besitz, so ließ sie sich vor den Schranken der Gerichtshöfe noch vor¬
theilhafter verwerthen, und so geschah es nicht selten, daß der als Lehrer thätige
Rhetor sich gelegentlich oder für immer in einen Sachwalter verwandelte.
Dies war auch ohne gründliche Kenntniß von Recht und Gesetz leicht zu be¬
werkstelligen; denn zu Anklagen und Vertheidigungen bedürfte es in erster Linie
der Beredsamkeit und erst in zweiter juristischer Bildung. Nach jener strebten
daher selbst solche Gerichtsredner, die sich möglichst allseitig für ihren Beruf
ausbilden wollten, ganz hauptsächlich. Die große Mehrzahl des Standes, die
Handwerksadvocaten, besaß nichts als Nedefertigkeit und mußte sich, des Rechtes
durchaus unkundig, bei Processen von juristischen Beiständen, sogenannten
Pragmatikern, berathen lassen.

Die Advocatur war der gewöhnlichste Weg, den damals Leute des
dritten Standes einschlugen, wenn sie sich zu Ansehen und Besitz emporarbeiten
wollten. Sie war der einzige bürgerliche Beruf, in dem Niedriggeborne sich
durch Talent und Glück zum ersten Stande aufzuschwingen vermochten, wie
denn Marcellus Eprius und Vidius Crispus auf dieser Laufbahn zum Con-
sulat, zur Freundschaft der Kaiser und großer Macht emporstiegen. Andere
berühmte Gerichtsredner waren wenigstens von der vornehmen Welt umworben
und ihre Namen in aller Munde. Wieder andere gelangten zwar nicht zu
Rang und Stand, wohl aber zu bedeutendem Vermögen, und es war dies eine
sehr anständige Art sich zu bereichern. Natürlich gab es aber neben diesen ge¬
suchten und hochhonorirten Anwälten eine Menge kleiner Winkeladvocaten, die
man für vier Reden mit einem Goldstück abfand, und die, da hiervon noch
der Pragmatiker bezahlt werden mußte, nicht einmal ihre Wohnungsmiethe
verdienten. Häufig wendete man marktschreierische Mittel an, um sich einen
Namen und Kunden zu verschaffen, erschien mit einem großen Bündel Schriften,
in reicher Kleidung, mit vielen Sklaven und Clienten vor Gericht, ließ bei der
Verhandlung kostbare Ringe, die geliehen waren, an den Fingern blitzen, miethete
Leute zum Bravorufen und Klatschen u. s. w. Doch waren solche Manöver
nicht bei allen erfolgreich, viele machten Bankerott oder mußten ihr Fortkommen


nur ja nicht studiren zu lassen; vielmehr solle er sich auf die Cither oder Flöte
legen, oder, wenn er einen harten Kopf habe, Baumeister oder Auctionator
werden.

Auch gelehrte Berufsarten wurden, sofern sie nicht den Sklaven
überlassen blieben, fast ausschließlich von Personen aus dem dritten Stande
erwählt. Welche Lebensstellung sie gewährten, weiß man ziemlich genau. Ueber
den Lehrerstand haben wir früher das Nöthigste mitgetheilt. Dagegen wird
ein Bericht über Advocaten und Aerzte sowie über einige andere hierher ge¬
hörige Berufsarten mancherlei Neues von Interesse bringen.

War die Kunst der Rede schon im Hörsaal bisweilen ein reichliche Zinsen
tragender Besitz, so ließ sie sich vor den Schranken der Gerichtshöfe noch vor¬
theilhafter verwerthen, und so geschah es nicht selten, daß der als Lehrer thätige
Rhetor sich gelegentlich oder für immer in einen Sachwalter verwandelte.
Dies war auch ohne gründliche Kenntniß von Recht und Gesetz leicht zu be¬
werkstelligen; denn zu Anklagen und Vertheidigungen bedürfte es in erster Linie
der Beredsamkeit und erst in zweiter juristischer Bildung. Nach jener strebten
daher selbst solche Gerichtsredner, die sich möglichst allseitig für ihren Beruf
ausbilden wollten, ganz hauptsächlich. Die große Mehrzahl des Standes, die
Handwerksadvocaten, besaß nichts als Nedefertigkeit und mußte sich, des Rechtes
durchaus unkundig, bei Processen von juristischen Beiständen, sogenannten
Pragmatikern, berathen lassen.

Die Advocatur war der gewöhnlichste Weg, den damals Leute des
dritten Standes einschlugen, wenn sie sich zu Ansehen und Besitz emporarbeiten
wollten. Sie war der einzige bürgerliche Beruf, in dem Niedriggeborne sich
durch Talent und Glück zum ersten Stande aufzuschwingen vermochten, wie
denn Marcellus Eprius und Vidius Crispus auf dieser Laufbahn zum Con-
sulat, zur Freundschaft der Kaiser und großer Macht emporstiegen. Andere
berühmte Gerichtsredner waren wenigstens von der vornehmen Welt umworben
und ihre Namen in aller Munde. Wieder andere gelangten zwar nicht zu
Rang und Stand, wohl aber zu bedeutendem Vermögen, und es war dies eine
sehr anständige Art sich zu bereichern. Natürlich gab es aber neben diesen ge¬
suchten und hochhonorirten Anwälten eine Menge kleiner Winkeladvocaten, die
man für vier Reden mit einem Goldstück abfand, und die, da hiervon noch
der Pragmatiker bezahlt werden mußte, nicht einmal ihre Wohnungsmiethe
verdienten. Häufig wendete man marktschreierische Mittel an, um sich einen
Namen und Kunden zu verschaffen, erschien mit einem großen Bündel Schriften,
in reicher Kleidung, mit vielen Sklaven und Clienten vor Gericht, ließ bei der
Verhandlung kostbare Ringe, die geliehen waren, an den Fingern blitzen, miethete
Leute zum Bravorufen und Klatschen u. s. w. Doch waren solche Manöver
nicht bei allen erfolgreich, viele machten Bankerott oder mußten ihr Fortkommen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/176>, abgerufen am 09.06.2024.