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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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solche, die durch Teufelskunst fest waren und deren Zeit abgelaufen, mit um¬
gedrehtem Halse todt im Bette gefunden. "Die andern," fügt der Bericht¬
erstatter dazu, "die mit Hurer und Buden noch 800 Mann stark in der Stadt
liegen, sind durch diese augenscheinliche Strafe Gottes etwas frömmer geworden."
-- Ueberaus erheiternd ist es, wenn der Böse sich zum Rächer des Unrechtes
macht und dennoch die Geistlichkeit gegen seine guten Dienste auftreten muß.
In Schulzendorf bei Berlin hat ein Herr von Kahlenberg einem Bauer wider¬
rechtlich sein Land genommen, worüber sich der verarmte Mann zu Tode ge<
grämt hat. Da fängt der Teufel an im Edelhofe zu wüthen. Kahlenbergs
Kind wird in der Wiege gewürgt, in des Herrn Bette findet man Koth, die
Fenster werden ohne Steine eingeworfen, Mägde und Knechte von unsichtbarer
Hand braun und blau geschlagen, das Geschirr in der Küche heruntergeworfen.
Nun haben die Geistlichen zu thun mit Beschreien und Bekreuzigen der Thüren,
und der Probst von Se. Petri in Berlin muß öffentlich Fürbitte thun, doch
vergeblich -- der Teufel knirscht mit den Zähnen und rumort fort, selbst wie
die Gemeinde zum Liede: "Eine feste Burg" ihre Zuflucht nimmt. Und dies
alles erzählt ausführlich der schon erwähnte verständige Berichterstatter, der dem
vornehmen Sünder durchaus nicht gewogen ist, und schließt mit den Worten:
"Gott, der Allmächtige wolle durch seinen starken Arm diesem bösen Geiste
steuern und wehren. Amen."

Es ist bemerkenswert!), wie in den erwähnten Briefen allmälig Gustav
Adolf hervortritt und immer mehr als der Erlöser von aller Noth ersehnt wird.*)
Mit großer Genugthuung wird nach der Mittheilung eines zuverlässigen Zeugen
im September 1629 aus Königsberg berichtet, daß Gustav bei Tische die
Aeußerung gethan habe: "der Kaiser hat mir an den Hut gegriffen; wo mir
Gott das Leben gönnen wird, werde ich ihm an die Mütze greifen: er soll
versichert sein, daß er an mir keinen deutschen Fürsten finden wird." Dann
habe er aus alle, die es mit dem deutschen Reiche gut meinen, die Gesundheit
getrunken. Im October aber wird dem sächsischen Geheimkammerdiener Lebzelter,
einem vielfach zu diplomatischen Sendungen verwendeten Vertrauten des Kur¬
fürsten, ganz im Vertrauen mit großer Freude geschrieben, daß der König von
Schweden nach abgeschlossenen Frieden in Polen wegen der Religion und
deutschen Libertär nach Deutschland kommen werde. Wenn endlich in unzähligen
Schreiben aus den verschiedensten deutschen Städten Gustavs Erfolge in Preußen
und Polen mit der größten Theilnahme besprochen werden, so kann doch wahr¬
lich nicht davon die Rede sein, daß der König erst nach der Zerstörung Mägde-



") Ein ebenfalls in diesen Briefconvowten vorgefundenes Zeugniß dieser Stimmung, ein
historisches Lied, hat der Verfasser im Anzeiger des germanischen Museums 1865. Ur. 2 ab¬
drucken lassen.

solche, die durch Teufelskunst fest waren und deren Zeit abgelaufen, mit um¬
gedrehtem Halse todt im Bette gefunden. „Die andern," fügt der Bericht¬
erstatter dazu, „die mit Hurer und Buden noch 800 Mann stark in der Stadt
liegen, sind durch diese augenscheinliche Strafe Gottes etwas frömmer geworden."
— Ueberaus erheiternd ist es, wenn der Böse sich zum Rächer des Unrechtes
macht und dennoch die Geistlichkeit gegen seine guten Dienste auftreten muß.
In Schulzendorf bei Berlin hat ein Herr von Kahlenberg einem Bauer wider¬
rechtlich sein Land genommen, worüber sich der verarmte Mann zu Tode ge<
grämt hat. Da fängt der Teufel an im Edelhofe zu wüthen. Kahlenbergs
Kind wird in der Wiege gewürgt, in des Herrn Bette findet man Koth, die
Fenster werden ohne Steine eingeworfen, Mägde und Knechte von unsichtbarer
Hand braun und blau geschlagen, das Geschirr in der Küche heruntergeworfen.
Nun haben die Geistlichen zu thun mit Beschreien und Bekreuzigen der Thüren,
und der Probst von Se. Petri in Berlin muß öffentlich Fürbitte thun, doch
vergeblich — der Teufel knirscht mit den Zähnen und rumort fort, selbst wie
die Gemeinde zum Liede: „Eine feste Burg" ihre Zuflucht nimmt. Und dies
alles erzählt ausführlich der schon erwähnte verständige Berichterstatter, der dem
vornehmen Sünder durchaus nicht gewogen ist, und schließt mit den Worten:
„Gott, der Allmächtige wolle durch seinen starken Arm diesem bösen Geiste
steuern und wehren. Amen."

Es ist bemerkenswert!), wie in den erwähnten Briefen allmälig Gustav
Adolf hervortritt und immer mehr als der Erlöser von aller Noth ersehnt wird.*)
Mit großer Genugthuung wird nach der Mittheilung eines zuverlässigen Zeugen
im September 1629 aus Königsberg berichtet, daß Gustav bei Tische die
Aeußerung gethan habe: „der Kaiser hat mir an den Hut gegriffen; wo mir
Gott das Leben gönnen wird, werde ich ihm an die Mütze greifen: er soll
versichert sein, daß er an mir keinen deutschen Fürsten finden wird." Dann
habe er aus alle, die es mit dem deutschen Reiche gut meinen, die Gesundheit
getrunken. Im October aber wird dem sächsischen Geheimkammerdiener Lebzelter,
einem vielfach zu diplomatischen Sendungen verwendeten Vertrauten des Kur¬
fürsten, ganz im Vertrauen mit großer Freude geschrieben, daß der König von
Schweden nach abgeschlossenen Frieden in Polen wegen der Religion und
deutschen Libertär nach Deutschland kommen werde. Wenn endlich in unzähligen
Schreiben aus den verschiedensten deutschen Städten Gustavs Erfolge in Preußen
und Polen mit der größten Theilnahme besprochen werden, so kann doch wahr¬
lich nicht davon die Rede sein, daß der König erst nach der Zerstörung Mägde-



") Ein ebenfalls in diesen Briefconvowten vorgefundenes Zeugniß dieser Stimmung, ein
historisches Lied, hat der Verfasser im Anzeiger des germanischen Museums 1865. Ur. 2 ab¬
drucken lassen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/192>, abgerufen am 17.06.2024.