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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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fortgesetztes Schanzen, wobei die Natur zu Hilfe kam, in eine ziemlich respek¬
table Festung verwandelt worden. Eine dreifache, aus zahlreichen Schanzen
gebildete Vertheidigungslinie forderte zu regelmäßiger Belagerung heraus. Da
man sich indeß auf eine solche aus mancherlei guten Gründen nicht einlassen
konnte, so entschieden sich die Herren des Kriegsraths für eine Ueberrumpelung.
Bei Wollersum sollten zwei Bataillone über die Eider setzen, das Städtchen
Tönning nehmen und dann von Westen her aus Friedrichsstadt losgehen,
während andere Infanteriemassen, durch genügende Artillerie unterstützt, zu
gleicher Zeit die stark befestigte Ostseite anzugreifen bestimmt waren. Daß dieser
trefflich angelegte Plan des Generals Wisse! späterhin miserabel ausgeführt
wurde, sei hier ein für alle Mal erwähnt.

Unserem sechsten Bataillon, welches bisher auf dem rechten Flügel gelegen,
war die Ehre zugedacht, in diesem blutigen Drama die Hauptrolle zu spielen.
Demgemäß rückten wir am 26. September aus dem Hüttenlager bei Rendsburg
ab und gelangten in zwei Märschen, wobei die Nacht zu Hilfe genommen
wurde^ an den Ort unserer neuen Bestimmung. In Süderstapel fand unsre
Vereinigung mit dem ersten Jägercorps statt. Welch ein hohes Selbstgefühl
in dieser ausgezeichneten Truppe herrschte, trat uns auf entschiedene, jedoch nicht
verletzende Weise entgegen. "Nun, das freut mich, Herr Lieutenant, daß Sie
auch einmal mit den ersten Jägern zusammen kämpfen sollen," lautete die Be¬
grüßung eines mir bekannten Oberjägers, worauf ich erwiderte, daß wir uns schon
lange darnach gesehnt hätten, mit eignen Augen zu sehen, was sie könnten.

Es hatte den Tag über geregnet und gestürmt; bei anhaltendem Unwetter
brachen wir um die Mitternachtsstunde auf und marschirten still und geräuschlos
nach Drage, dem letzten Dorfe vor Friedrichsstadt. Pünktlich hatten somit die
einzelnen Bataillone die anbefohlenen Bewegungen ausgeführt, der Feind ahnte
nichts von der ihm zugedachten Ueberraschung, und alles versprach einen guten
Erfolg. Da traf uns das erste Mißgeschick, welches zugleich als der Anfang
vom Ende zu gelten hat. Wie es bei der Armee in dieser Periode leider fast
täglich vorkam, daß Befehle des obersten Commandos nicht mit der nöthigen
Sorgfalt und Naschheit ausgeführt wurden, so auch hier: die zur Mitwirkung
bestimmten Kanonenböte waren nicht heran, und die auf dem südlichen Eidcr-
ufer errichtete Batterie hatte nicht rechtzeitig armirt werden können. Daher
Gegenbefehl und Rückmarsch nach Süderstapel. Bei Hellem Tage wurde der¬
selbe ausgeführt, über ein freies Terrain und unter den Augen des Feindes,
so daß alle Vortheile einer Ueberraschung verloren gingen.

In der mißmüthigstcn Stimmung griffen wir Nachmittags zu den Karten.
Man arrangirte ein sogenanntes iwblo ^en, bei welchem mit Bons pointirt und
die Bestimmung getroffen wurde, daß erst nach beendigter Action die Liquidirung
nsolgcn "und diejenigen, welche dann aus unsrem Kreise geschieden wären,


fortgesetztes Schanzen, wobei die Natur zu Hilfe kam, in eine ziemlich respek¬
table Festung verwandelt worden. Eine dreifache, aus zahlreichen Schanzen
gebildete Vertheidigungslinie forderte zu regelmäßiger Belagerung heraus. Da
man sich indeß auf eine solche aus mancherlei guten Gründen nicht einlassen
konnte, so entschieden sich die Herren des Kriegsraths für eine Ueberrumpelung.
Bei Wollersum sollten zwei Bataillone über die Eider setzen, das Städtchen
Tönning nehmen und dann von Westen her aus Friedrichsstadt losgehen,
während andere Infanteriemassen, durch genügende Artillerie unterstützt, zu
gleicher Zeit die stark befestigte Ostseite anzugreifen bestimmt waren. Daß dieser
trefflich angelegte Plan des Generals Wisse! späterhin miserabel ausgeführt
wurde, sei hier ein für alle Mal erwähnt.

Unserem sechsten Bataillon, welches bisher auf dem rechten Flügel gelegen,
war die Ehre zugedacht, in diesem blutigen Drama die Hauptrolle zu spielen.
Demgemäß rückten wir am 26. September aus dem Hüttenlager bei Rendsburg
ab und gelangten in zwei Märschen, wobei die Nacht zu Hilfe genommen
wurde^ an den Ort unserer neuen Bestimmung. In Süderstapel fand unsre
Vereinigung mit dem ersten Jägercorps statt. Welch ein hohes Selbstgefühl
in dieser ausgezeichneten Truppe herrschte, trat uns auf entschiedene, jedoch nicht
verletzende Weise entgegen. „Nun, das freut mich, Herr Lieutenant, daß Sie
auch einmal mit den ersten Jägern zusammen kämpfen sollen," lautete die Be¬
grüßung eines mir bekannten Oberjägers, worauf ich erwiderte, daß wir uns schon
lange darnach gesehnt hätten, mit eignen Augen zu sehen, was sie könnten.

Es hatte den Tag über geregnet und gestürmt; bei anhaltendem Unwetter
brachen wir um die Mitternachtsstunde auf und marschirten still und geräuschlos
nach Drage, dem letzten Dorfe vor Friedrichsstadt. Pünktlich hatten somit die
einzelnen Bataillone die anbefohlenen Bewegungen ausgeführt, der Feind ahnte
nichts von der ihm zugedachten Ueberraschung, und alles versprach einen guten
Erfolg. Da traf uns das erste Mißgeschick, welches zugleich als der Anfang
vom Ende zu gelten hat. Wie es bei der Armee in dieser Periode leider fast
täglich vorkam, daß Befehle des obersten Commandos nicht mit der nöthigen
Sorgfalt und Naschheit ausgeführt wurden, so auch hier: die zur Mitwirkung
bestimmten Kanonenböte waren nicht heran, und die auf dem südlichen Eidcr-
ufer errichtete Batterie hatte nicht rechtzeitig armirt werden können. Daher
Gegenbefehl und Rückmarsch nach Süderstapel. Bei Hellem Tage wurde der¬
selbe ausgeführt, über ein freies Terrain und unter den Augen des Feindes,
so daß alle Vortheile einer Ueberraschung verloren gingen.

In der mißmüthigstcn Stimmung griffen wir Nachmittags zu den Karten.
Man arrangirte ein sogenanntes iwblo ^en, bei welchem mit Bons pointirt und
die Bestimmung getroffen wurde, daß erst nach beendigter Action die Liquidirung
nsolgcn „und diejenigen, welche dann aus unsrem Kreise geschieden wären,


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[0194] fortgesetztes Schanzen, wobei die Natur zu Hilfe kam, in eine ziemlich respek¬ table Festung verwandelt worden. Eine dreifache, aus zahlreichen Schanzen gebildete Vertheidigungslinie forderte zu regelmäßiger Belagerung heraus. Da man sich indeß auf eine solche aus mancherlei guten Gründen nicht einlassen konnte, so entschieden sich die Herren des Kriegsraths für eine Ueberrumpelung. Bei Wollersum sollten zwei Bataillone über die Eider setzen, das Städtchen Tönning nehmen und dann von Westen her aus Friedrichsstadt losgehen, während andere Infanteriemassen, durch genügende Artillerie unterstützt, zu gleicher Zeit die stark befestigte Ostseite anzugreifen bestimmt waren. Daß dieser trefflich angelegte Plan des Generals Wisse! späterhin miserabel ausgeführt wurde, sei hier ein für alle Mal erwähnt. Unserem sechsten Bataillon, welches bisher auf dem rechten Flügel gelegen, war die Ehre zugedacht, in diesem blutigen Drama die Hauptrolle zu spielen. Demgemäß rückten wir am 26. September aus dem Hüttenlager bei Rendsburg ab und gelangten in zwei Märschen, wobei die Nacht zu Hilfe genommen wurde^ an den Ort unserer neuen Bestimmung. In Süderstapel fand unsre Vereinigung mit dem ersten Jägercorps statt. Welch ein hohes Selbstgefühl in dieser ausgezeichneten Truppe herrschte, trat uns auf entschiedene, jedoch nicht verletzende Weise entgegen. „Nun, das freut mich, Herr Lieutenant, daß Sie auch einmal mit den ersten Jägern zusammen kämpfen sollen," lautete die Be¬ grüßung eines mir bekannten Oberjägers, worauf ich erwiderte, daß wir uns schon lange darnach gesehnt hätten, mit eignen Augen zu sehen, was sie könnten. Es hatte den Tag über geregnet und gestürmt; bei anhaltendem Unwetter brachen wir um die Mitternachtsstunde auf und marschirten still und geräuschlos nach Drage, dem letzten Dorfe vor Friedrichsstadt. Pünktlich hatten somit die einzelnen Bataillone die anbefohlenen Bewegungen ausgeführt, der Feind ahnte nichts von der ihm zugedachten Ueberraschung, und alles versprach einen guten Erfolg. Da traf uns das erste Mißgeschick, welches zugleich als der Anfang vom Ende zu gelten hat. Wie es bei der Armee in dieser Periode leider fast täglich vorkam, daß Befehle des obersten Commandos nicht mit der nöthigen Sorgfalt und Naschheit ausgeführt wurden, so auch hier: die zur Mitwirkung bestimmten Kanonenböte waren nicht heran, und die auf dem südlichen Eidcr- ufer errichtete Batterie hatte nicht rechtzeitig armirt werden können. Daher Gegenbefehl und Rückmarsch nach Süderstapel. Bei Hellem Tage wurde der¬ selbe ausgeführt, über ein freies Terrain und unter den Augen des Feindes, so daß alle Vortheile einer Ueberraschung verloren gingen. In der mißmüthigstcn Stimmung griffen wir Nachmittags zu den Karten. Man arrangirte ein sogenanntes iwblo ^en, bei welchem mit Bons pointirt und die Bestimmung getroffen wurde, daß erst nach beendigter Action die Liquidirung nsolgcn „und diejenigen, welche dann aus unsrem Kreise geschieden wären,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/194>, abgerufen am 17.06.2024.